Kolumne
Die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und allem
(und auch nach der besten Film/Entwickler-Kombination aller Zeiten)
Thomas Wollstein
November 2002
Ich muss einmal einen befreundeten Apotheker befragen, welches seiner Meinung nach das beste Medikament ist. Ich bin ziemlich sicher, dass seine Antwort eine Gegenfrage wäre: "Für oder gegen welche Krankheit?"
Sie meinen, so eine Frage stellt niemand? Na, dann schauen Sie einmal in Internet-Foren über Fotografie! Mit schöner Regelmäßigkeit wird die Frage nach der besten Film/Entwickler-Kombination gestellt, und mit genau so schöner Regelmäßigkeit gibt es darauf dieselbe Antwort: "Frage 10 Fotografen, und du bekommst mindestens 10 verschiedene Antworten." Ich werde es in diesem Beitrag noch ein wenig weiter treiben und Ihnen ganz alleine schon mehr als 10 Antworten geben, aber ich werde dabei auch auf das Anwendungsgebiet (die Frage nach der Krankheit) ein wenig eingehen. Vielleicht hilft Ihnen das als erste Anregung für eigene Versuche.
Gäbe es den besten Film mit dem besten Entwickler, so würden wir wohl alle nichts Anderes benutzen. Alle Hersteller anderer Filme wären vom Markt verschwunden, und das Leben wäre einfach (und fad). Dass es noch einige Filmtypen gibt, mag Beweis genug dafür sein, dass es den besten nicht gibt, und bei allen technischen Merkmalen ist es immer noch so, dass Fotografie auch etwas mit persönlichem Geschmack und Vorlieben zu tun hat. Bitte betrachten Sie daher die untenstehenden Erfahrungsberichte nur als Anregungen, nicht als Religion.
Das "vielfältige" Angebot
Ich zögere, das Angebot an Filmen mit dem Wort "Vielfalt" zu belegen, denn in letzter Zeit verstärkt sich der Trend großer Hersteller, die Produktion auch bewährter Filme mangels Ertrag einzustellen. Was konnte (und kann) man in Internet-Foren Klagen lesen, weil der AGFA APX 25 eingestellt wurde! Man müsste meinen, wo so viele Leute klagen, da muss es noch mehr Leute geben, die den Film kaufen, und dann muss der doch weggehen wie warme Semmeln. Tatsache ist aber, dass es für einen Konzern von der Größe AGFAs nicht ausreicht, ein paar Tausend oder Zehntausend Filme zu verkaufen, um damit Ertrag zu machen. Hinzu kam im konkreten Fall m.W., dass AGFA, um den Film weiter zu produzieren, einiges an Entwicklung (und damit Geld) hätte hineinstecken müssen, um die Produktion umzustellen, da bei der Produktion des APX 25 schwer zu entsorgende Problemstoffe anfielen.
Glück haben wir als Analog-Fotografen dann, wenn ein Nischenanbieter, der sich in der Konkurrenz neben dem Großkonzern AGFA nicht platzieren könnte, die frei gewordene Marktlücke mit Kusshand übernimmt und ein ähnliches Produkt anbietet. So geschehen im Falle des MACO UP 25 plus.
Nun habe ich schon die Kritik gehört, der UP 25 plus sei kein originäres Produkt von MACO, sondern nur umetikettierter Efke-Film. Ich weiß nicht, ob es so ist oder nicht. Aber selbst wenn. Da sind wir Kunden selber Schuld. Wir wollen doch möglichst, dass unsere Anbieter eine Produktpalette anbieten, bei der jedes Produkt einen wohlklingenden Namen und hohen Wiedererkennungswert hat. Ich bin froh um jeden einzelnen SW-Film, der morgen noch angeboten wird, und wenn ein Anbieter mit hohem Qualitätsanspruch dahinter steht, der bereit ist, einem fremden Produkt seinen Namen zu geben, dann finde ich das begrüßenswert, und als Verbraucher ist mir weitgehend wurscht, in welcher Fabrik das Produkt entstanden ist, solange es nur die gewohnt gute Qualität hat und ich den schönen Namen nicht mit einem höheren Preis bezahle. Aber das muss jeder Anbieter mit sich selbst ausmachen. Einen "guten Namen" kann man auch verlieren, und mit ihm die Kunden.
Zurück zum Thema
Nach dem Gesagten sollte eines klar sein: Die nachfolgend erwähnten Filme sind welche, die ich ausprobiert habe und über die ich Ihnen etwas Substanzielles sagen kann. Es gibt andere, vielleicht sogar bessere, aber die habe ich noch nicht im Detail ausprobieren können. Auch habe ich als Amateur längst nicht alle Anwendungsgebiete der Fotografie erforschen können. Unvollständig wird die Liste daher zwangsläufig sein müssen.
Am Ende dieses Artikels finden Sie eine Übersichtstabelle mit einer summarischen Darstellung der Eigenschaften verschiedener Filme. Nachfolgend einige Aussagen zu einzelnen Filmen und Entwicklern.
Bildvergleiche, an denen man Korn und Schärfe beurteilen können soll, sind immer mit Vorsicht zu genießen, da die Bedingungen selten genau vergleichbar sind. So ist z. B. zur genormten Messung des Korns eine mikrodensitometrische Messung üblich, bei der Kontrastschwankungen im Kleinen und Kleinsten gemessen und in einen Mittelwert (RMS-Körnigkeit) umgerechnet werden. Für die Praxis ist diesem Wert nicht ohne Weiteres zu entnehmen, welchen subjektiven Eindruck das Korn macht (z. B. scharfe Grenzen oder verwaschen). Der Nennwert des Auflösungsvermögens bei Filmen wird für einen Kontrast von 1:1 000 angegeben, was auch für die Praxis nicht wirklich relevant ist. Von daher belasse ich es bei einigen Bildbeispielen, die Ihnen qualitativ einige wenige spezielle Anwendungsgebiete veranschaulichen, bei denen ich bestimmte Filme ausprobiert habe.
Ilford Delta 100/400
Als die "neuen" Kristallformen auf den Markt kamen, war nach meiner Erinnerung der Kodak T-max 400 der erste Vertreter dieser Gattung. Ich habe ihn damals ausprobiert und auch eine Zeit lang genutzt, aber als der Delta 400 erstmalig auf den Markt kam, wurde der der Standardfilm für mich. Das heißt nicht, dass der Kodak-Film schlechter sei (Viele schwören auf ihn.) aber seine Emulsion reagiert nach meinen Erfahrungen ein bisschen mimosenhafter als die des Ilford Delta 400. Die Filme hatten feineres Korn als die damaligen 100er, waren aber zwei Blenden empfindlicher! Inzwischen hat sich an allen Fronten etwas getan, und auch meine Vorlieben sind andere geworden.
Der Delta 100 ist ein Allroundfilm. Nicht schnell, aber feinkörnig, mit guter Auflösung. Wie bei allen modernen Filmen sollte man auf streng reproduzierbares Arbeiten achten. Die inzwischen nicht mehr ganz neuen, "modern" genannten Emulsionen mit besonderen Kristallformen (T-max, Core-Shell, und wie sie heißen mögen) reagieren i.A. empfindlicher auf Prozessschwankungen als die klassischen. Ilford Delta 100 ist für alles geeignet, wo genug Licht ist.
Für schwaches Licht ist sein Brüderchen Delta 400 besser geeignet. Letzterer ist seit einiger Zeit als Delta 400 New im Umlauf. Die neue Version soll sich gegenüber der alten durch bessere Push-Eigenschaften auszeichnen. Mir scheint, der neue Delta 400 hat bei vergleichbarer Verarbeitung ein leicht gröberes Korn als der alte.
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Bild 1: Eine Besonderheit des Delta 400 sind seine hohen Anforderungen ans Fixierbad: Von allen Filmen, die ich regelmäßig verarbeite, ist es immer der Delta 400, der die längste Klärzeit aufweist. Ich vermute, er enthält ziemlich viel Jodid. Ich empfehle daher, ihn mit hochkonzentriertem Fixierbad für Filme mit "modernen" Kristallen, z. B. Ilford Rapid-Fixer (früher als Hypam angeboten) 1+4 zu fixieren. Den Hinweis darauf, dass ich grundsätzlich empfehle, vor der Fixage die Klärzeit zu messen und auch Filme nach dem Zweibad-Verfahren zu fixieren (Geht's noch? und Entwicklungshilfe), bringe ich hier noch einmal an. Bei diesem Film hat man besonders gute Gründe dafür. Beide Filme liefern in Standardentwicklern gute Ergebnisse. Herausragende Ergebnisse dürfen Sie mit SPUR HRX für den Delta 100 erwarten (Nennempfindlichkeit ungefähr ISO 100/21°). Begeisterte Anwender sprechen von näherungsweise Mittelformatqualität der KB-Negative. Den Delta 400 verwende ich gerne auch zusammen mit SPUR SLD. Seine Empfindlichkeit liegt dann bei rund ISO 800/30°, also eine Blende höher, das Korn ist erträglich. Sorgfältige Aufnahme und Verarbeitung vorausgesetzt, lassen sich dank der guten Auflösung von Negativen auf Delta 400 - und erst recht auf Delta 100 - auch sehr ansehnliche Großfotos anfertigen. Größen bis 30 x 40 cm sind überhaupt kein Problem, und auch Poster von 50 x 70 cm können einen hervorragenden Eindruck machen. Aufnahme in einem verfallenen Haus in Nordfrankreich; aufgenommen auf Ilford Delta 400, entwickelt in SPUR SLD, Nikon F 801 S, Sigma 1,8/28 mm, Bl. 2,8, 1/60 s aus der Hand. |
Ilford Delta 3200
Mein Film für Ballettaufnahmen auf der Bühne! Die Empfindlichkeit des Delta 3200 mit 3200 anzugeben ist ein bisschen Hochstapelei. Tatsächlich hat er nach meinen Messungen rund ISO 1600/33°, wenn man ihn nach Vorgabe von Ilford in Ilfotec HC 1+15 entwickelt. Zugegeben, das Korn ist stark ausgeprägt, und die Auflösung nicht mit der eines HP5+ zu vergleichen. Aber die Tonwerte, gerade bei meinen Ballettaufnahmen, sind denen eines um zwei Blenden gepushten HP5+ doch deutlich überlegen.
Auf der Bühne herrscht kontrastreiches Licht. Einzelne Tänzerinnen stehen im Spotlicht, andere fast im Düstern. Gepushten Film zu verwenden hieße, die nicht im Spot stehenden Akteurinnen in zeichnungslosem Schwarz zu verlieren oder die Gesichter der angestrahlten kalkig weiß zulaufen zu lassen. Ungepushter Delta 3200 hält beide, aber eben mit mehr Korn. Das gibt Ihnen eine Vorstellung davon, was dieser Film leisten kann.
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Bild 2: Meine guten Erfahrungen beruhen insbesondere auf der Kombination des Films mit Ilfotec HC 1+15, in dem ich den Film wie für ISO 3200/36° angegeben entwickle, aber wie ISO 1600/30° belichte. Die Schwärzungskurve ist dann etwas steiler als für eine übliche N-Entwicklung, was aber bei der insgesamt recht weichen Reaktion des Films keine schlimmen Auswirkungen hat. Die Schatten sind unter diesen Bedingungen gut durchgezeichnet, und die Schärfe ist hervorragend. "Wandertheater" (Choreographie Susanne Züge, Ballettschule Düsseldorf-Niederkassel); aufgenommen auf Ilford Delta 3200, entw. in Ilfotec HC 1+15, Nikon F 801 S, Sigma APO 2,8/80-200 mm, 200 mm, Bl. 2,8, 1/250 s, Einbeinstativ |
MACO CUBE 400c
Der Film für alle Fälle? Vielleicht. Dieser Film ist einzig in seiner Art. Er hat, was heute nicht mehr sehr verbreitet ist, zwei Schichten: eine feinkörnige, langsame, mit rund ISO 80/20°, und eine grobkörnigere, schnelle, mit rund ISO 500/28°. Das Schönste ist, dass man durch Wahl des Entwicklers auch vorwiegend die eine oder aber beide zusammen entwickeln kann. Entwickler, die mehr an der Schichtoberfläche wirken - Beispiele sind HC 110 oder auch Xtol - entwickeln bevorzugt die feinkörnige Schicht, aber auf Kosten der Empfindlichkeit, die dann vielleicht nur bei ISO 100/21° liegt. Schichttiefenentwickler - LP-Supergrain, LP Xtratol XS - entwickeln beide Schichten, und der Film hat eine Empfindlichkeit von gut ISO 400/27°, eher sogar ISO 800/30°.
Damit aber noch nicht genug: Der MACO CUBE 400c ist auch (fast) ein IR-Film. Seine Empfindlichkeit erstreckt sich bis rund 750 nm, und mit strengen IR-Filtern (RG 715) lassen sich lt. MACO unter günstigen Bedingungen (Infrarotfotografie- 3) auch starke IR-Effekte erzielen, ohne dass man ihn deswegen mit den für IR-Filme üblichen Vorsichtsmaßnahmen handhaben müsste.
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Bild 3: Mein Favorit ist er aber ganz eindeutig für Portraits und Innenaufnahmen bei mäßigem Licht. Mit der hohen Empfindlichkeit, die er in LP-Supergrain liefert und der Kantenschärfe und dem Ausgleichsvermögen dieses Entwicklers hat er bei mir den Delta 400, den ich lange für meine (wieder!) Ballettaufnahmen bei den Proben im Studio benutzt habe, verdrängt. Die erweiterte Rotempfindlichkeit kommt der Wiedergabe von Hauttönen sehr zugute. Aglaia; aufgenommen auf MACO CUBE 400 c, entwickelt in LP-Supergrain, Minolta SRT 101b, 1,2/58 mm, Bl. 2, 1/60 s, aus der Hand |
MACO PO 100c
Noch ein einzigartiger Film! Er wird für mich der Nachfolger des Ilford Delta 100 für Landschaft und Architektur werden. Dieser Film ist ein ortho-panchromatischer Film, d.h. er ist deutlich empfindlicher für Blau als panchromatische Filme und weniger empfindlich für Rot. Sein Auflösungsvermögen ist mehr als doppelt so groß wie das eines vergleichbaren panchromatischen Films, sein Korn ist fein.
Die Schwäche von reinen Ortho-Filmen ist immer schon die gewesen, dass sie blauen Himmel zu hell wiedergeben und Rot als Schwarz abbilden. Letzteres tut der PO 100c nicht. Er unterscheidet Rot und Schwarz, und der zu hellen Himmelswiedergabe kann man mit einem Orangefilter gegensteuern, um gute Wolkenzeichnung zu erhalten. Auch einen positiven Nebeneffekt hat die vergleichsweise hohe Blauempfindlichkeit: Die Schatten in von der Sonne beleuchteten Szenerien werden von dem Licht erhellt, dass der blaue Himmel streut. Ein ortho(pan)chromatischer Film hellt in solchen Fällen die Schatten auf.
Ich habe meine ersten Exemplare dieses Films in LP-Supergrain entwickelt, den MACO empfahl. Dieser Entwickler arbeitet sehr kantenscharf und ausgleichend. Sehr gute Ergebnisse wurden mir auch von der Kombination dieses Films mit SPUR HRX berichtet.
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Orthochromatische Filme sind für Portraits mit etwas Vorsicht zu genießen. Die geringe Rotempfindlichkeit zeichnet dafür verantwortlich, dass die Filme sich so verhalten, als habe man mit panchromatischem Film und Blaufilter fotografiert. Die Konsequenz sind betonte Hautunreinheiten und möglicherweise der Anschein einer "Säufernase", wenn der Riechkolben auch nur eine leichte Tendenz zum Rötlichen hat. Zwar ist der PO 100c kein reinrassiger Ortho-Film (s. auch die Wolkenwiedergabe mit Orangefilter), aber ich konnte ihn noch nicht für Portraits ausprobieren, daher rate ich erst einmal zur Vorsicht. Der beschriebene Effekt lässt sich natürlich auch für so genannte "Charakterportraits" von Menschen mit wettergegerbter Haut nutzen, könnte aber bei Modellen mit zartem Teint und auch nicht so dickem mentalem Fell zu Entsetzen beim Betrachten der Fotos führen. Als MACO diesen Film vor 4 Jahren erstmalig auf den Markt brachte, gewann der innerhalb von wenigen Monaten viele Freunde - die dann erst einmal frustriert waren, als der Film nach kurzer Zeit wieder verschwand. Das lag daran, dass die dafür nötigen Sensibilisierungsfarbstoffe Dank eines Monopols von Kodak eine Zeit lang praktisch nicht zu vertretbaren Preisen zu bekommen waren. Inzwischen hat MACO eine von Kodak unabhängige Quelle aufgetan, und der Film steht wieder zur Verfügung, sehr zur Freude seiner Fans, zu denen ich mich inzwischen auch rechne. Bild 4: Rouen, Kathedrale; aufgenommen auf MACO PO 100c, entw. in LP-Supergrain, Nikon FM, PC-Nikkor 3,5/28 mm, Bl. 16, Zeitbelichtung vom Stativ, Spiegelvorauslösung |
AGFA Copex Rapid in SPUR Nanospeed
Dass hier ein Film zusammen mit einem Entwickler genannt wird, ist kein Zufall. Der AGFA Copex Rapid ist eigentlich ein Mikrofilm, mit dem Dokumente abgelichtet werden. Wenn Sie ihn in "normalem" Entwickler verarbeiten, reagiert er extrem steil. Der SPUR Nanospeed Entwickler auf der anderen Seite ist einer, der speziell mit einem solchen Film im Blick entwickelt wurde. Sie bekommen damit (richtige Aufnahmetechnik vorausgesetzt) Negative, die vermutlich schärfer sind als alles, was Sie bisher gesehen haben (ausgenommen vielleicht Kodak Tech Pan, aber der Copex Rapid hat tatsächlich ein höheres Auflösungsvermögen als Tech Pan). Vergrößerungen bis 70 x 100 cm habe ich von solchen Negativen schon angefertigt, und das Korn ist darauf gerade eben erst ansatzweise zu sehen. In SPUR Nanospeed hat der AGFA Copex Rapid eine Empfindlichkeit von gut ISO 25/15° (vielleicht 1/3 bis 2/3 Blende mehr) und verhält sich extrem gutmütig, will sagen, seine Schwärzungskurve ist ausgeglichen und macht zugelaufene Lichter recht unwahrscheinlich.
Der Film ist ein panchromatischer Film. Auch mit orthochromatischen Dokumentenfilmen wie ehedem AGFAORTHO 25 oder nun MACOPHOT Ort 25 lassen sich hochauflösende und praktisch kornfreie Fotos machen, aber man hat den Nachteil der eingeschränkten Sensibilisierung, d.h. insbesondere der völligen Rotblindheit.
AGFA Copex Rapid ist auch das, was unter dem Namen Gigabitfilm mit einem dedizierten Entwickler verkauft wird. Zumindest in der Anfangsphase wurden mannigfache Probleme des Films, oder besser des Entwicklers, mit Netzmittelresten an Filmspulen beschrieben. Mir ist nicht bekannt, ob diese inzwischen gelöst sind. Ich persönlich neige dazu, die SPUR-Chemie zu empfehlen, und das aus drei Gründen:
- Mit SPUR Nanospeed und AGFA Copex Rapid hatte ich noch nie Probleme.
- Nach den mir vorliegenden Aussagen enthält die Gigabitchemie die für die Umwelt und die eigene Gesundheit problematischeren Chemikalien.
- Ich hatte nicht den besten Eindruck vom "Kundendienst" von Gigabitfilm.
AGFA APX 400, Ilford HP5 plus, MACO UP 400 p
Drei "Klassiker" für mäßiges bis schlechtes Licht. Alle drei zeichnen sich aus durch gutmütiges Verhalten, gute Pushbarkeit und erschwingliche Preise.
Die Filme haben "klassische" Emulsionen und lassen sich in allen möglichen Entwicklern mit guten, von den Eigenheiten der Entwickler gut beeinflussbaren Resultaten entwickeln. Zwei Extrembeispiele:
- Rodinal: scharf, aber relativ ausgeprägtes Korn, je nach Verdünnung sehr ausgeglichene Negative
- Perceptol: feines Korn, aber Empfindlichkeits- und Schärfeverlust
Unter sonst gleichen Bedingungen ist das Korn grober als bei den "modernen" Emulsionen. Dennoch schwören viele Fotografen aus subjektiven Gründen auf klassische Emulsionen.
Infrarotfilme wie Kodak HIE, MACO IR 820v und 750c, Konica Ir 750, Ilford SFX (und MACO CUBE 400c)
Hierzu habe ich an anderer Stelle schon einiges geschrieben, siehe Infrarotfotografie - 3
Film | Empfind- lichkeit |
Kristall typ |
Stärken | Schwächen | Anwendungsgebiete |
Ilford Delta 100 vergleichbar: Kodak T-max 100, Fuji Neopan 100 |
mittel | modern | • feines Korn • hohe Auflösung |
alle außer jenen, wo höhere Empfindlichkeit vonnöten ist | |
Ilford Delta 400 vergleichbar: Kodak T-max 400, Fuji Neopan 400 |
hoch | modern | • hohe Auflösung • noch relativ feines Korn |
alle, bis hin zu Available Light | |
Ilford Delta 3200 vergleichbar: Kodak T-max 3200, Fuji Neopan 1600 |
sehr hoch | modern | • sehr hohe praktische Empfindlichkeit, durch Pushen bis ISO 12500/42° • tatsächliche Empfindlichkeit ungefähr ISO 1600/33° • weiche Tonabstufungen |
• grobes Korn • verringerte Auflösung |
Available Light, insbesondere Theater, Ballet usw. |
MACO CUBE 400 c vergleichbar: Aufgrund der Schichtstruktur, der Sensibilisierung und des PE-Trägers existiert kein vergleichbarer Film. |
mittel bis hoch | klassisch | • durch Mehrschichtaufbau sehr flexibel, Empfindlichkeit durch Entwickler einstellbar von ISO 100/21° bei sehr feinem Korn bis ISO 400/27°, gepusht auch bis ISO 1600/33° • Polyesterträger höchster Beständigkeit • erweitere Rot-Empfindlichkeit • klarer Träger |
alle, bis hin zu Available Light, in engen Grenzen auch Infrarot | |
MACO PO 100 c vergleichbar: einziger Film mit orthopanchromatischer Emulsion |
mittel | klassisch | • sehr hohe Auflösung • feines Korn • klarer Träger |
alle, nur Portrait in Grenzen wg. verringerter Rot-Empfindlichkeit | |
Agfa Copex Rapid entw. in SPUR Nanospeed vergleichbar: Kodak Technical Pan in Technidol, Gigabitfilm, hinsichtlich der Auflösung auch MACO Ort 25 c in Low-Contrast-Entwicklern, s. aber Text. |
gering | Sonder- form |
• extrem hohe Auflösung • Polyesterträger höchster Beständigkeit |
• geringe Empfindlichkeit | alle die, bei denen es auf höchste Auflösung ankommt, z. B. Architektur |
Agfa APX 100 vergleichbar: MACO UP 100 p, Fortepan 100, TURA P 150 |
mittel | klassisch | • Dank klassischer Emulsion toleranter in der Verarbeitung | • groberes Korn als Filme mit "modernen" Kristallen | alle außer jenen, wo höhere Empfindlichkeit vonnöten ist |
Agfa APX 400 |
hoch | klassisch | • gutmütiger Film mit hoher Empfindlichkeit, gut pushbar | • groberes Korn als Filme mit "modernen" Kristallen | alle, bis hin zu Available Light |
Ilford HP5+ vergleichbar: s. Agfa APX 400 |
hoch | klassisch | • gutmütiger Film mit hoher Empfindlichkeit, gut pushbar | • groberes Korn als Filme mit "modernen" Kristallen | alle, bis hin zu Available Light |
MACO UP 400 p vergleichbar: s. Agfa APX 400 |
hoch | klassisch | • gutmütiger Film mit hoher Empfindlichkeit, gut pushbar | • groberes Korn als Filme mit "modernen" Kristallen | alle, bis hin zu Available Light |
Kodak HIE vergleichbar: kein völlig vergleichbarer Film, Details s. IR-Filmvergleich unter Infrarotfotografie-3 |
-- | klassisch | • hohe Empfindlichkeit auch im IR • weit ins IR reichende Sensibilisierung, stärkste IR-Effekte • keine Lichthofschutzschicht, daher interessante Effekte • klarer Träger |
• grobes Korn • geringe Auflösung • keine Lichthofschutzschicht, daher Überstrahlung • umständliche Handhabung (Filmwechsel im Wechselsack oder in der Duka) • Kühlung erforderlich |
speziell für IR-Fotografie, dort für alle Zwecke, d.h. auch von bewegten Motiven |
MACO IR 820 vergleichbar: kein völlig vergleichbarer Film, Details s. IR-Filmvergleich unter Infrarotfotografie-3 |
mittel | klassisch | • feines Korn • weit ins IR reichende Sensibilisierung, stärkste IR-Effekte • Lichthofschutzschicht, daher sehr scharfe IR-Aufnahmen • klarer Träger |
• im IR gering empfindlich (aber weit in den IR-Bereich hinein!) • Lichthofschutz-schicht, daher keine Überstrahlung • umständliche Handhabung (Filmwechsel im Wechselsack oder in der Duka) • Kühlung erforderlich |
mit eingeschränkter Schärfe oder IR-Sperrfilter (z. B. Blau) auch noch als panchromatischer Film nutzbar, aber eigentlich speziell für IR, dort bevorzugt, wo keine Überstrahlung gewünscht ist und die Motive statisch sind (wg. geringer Empfindlichkeit |
MACO IR 750 c vergleichbar: kein völlig vergleichbarer Film, Details s. IR-Filmvergleich unter Infrarotfotografie-3 |
mittel | klassisch | • feines Korn • Lichthofschutz-schicht, daher sehr scharfe IR-Aufnahmen • trotz IR-Tauglichkeit praktisch zu handhaben wie konventionelle Filme |
• im IR gering empfindlich • nur sehr nahes IR, daher nur unter günstigen Bedingungen IR-Effekte |
mittelempfindlicher panchromatischer Film mit IR-Zusatz, daher für praktisch alles zu gebrauchen außer Available Light |
ILFORD SFX vergleichbar: kein völlig vergleichbarer Film, am ehesten MACO CUBE 400 c, s. aber Text. |
mittel bis hoch | klassisch | • Lichthofschutz-schicht, daher sehr scharfe IR-Aufnahmen • trotz IR-Tauglichkeit praktisch zu handhaben wie konventionelle Filme |
• relativ grobes Korn • im IR gering empfindlich • nur sehr nahes IR, daher nur unter günstigen Bedingungen IR-Effekte |
empfindlicher panchromatischer Film mit IR-Zusatz, daher für praktisch alles zu gebrauchen, wo Korn nicht so störend ist |
Konica IR 750 vergleichbar: kein vergleichbarer Film, Details s. IR-Filmvergleich unter Infrarotfotografie-3 |
gering | klassisch | • feines Korn • starke IR-Effekte schon mit mäßigem Rotfilter, da orthochromatisch und IR-empfindlich |
• geringe Empfindlichkeit, speziell mit dunklen IR-Filtern • eingeschränkte Verfügbarkeit |
IR-Fotografie mit feinem Korn und hoher Schärfe, wo die geringe Empfindlichkeit keine Einschränkung ist |
Mal ganz untechnisch:
Was ich ab und zu beim und übers Fotografieren denke
Thomas Wollstein
Oktober 2002
Nachdem ich jetzt für rund zwei Jahre ausschließlich technisch geprägte Artikel verfasst habe und man mir unlängst im Hobbylaborforum zu verstehen gab, dass man mir schon fast keine menschlichen Regungen zutraut, muss ich wohl, verehrte Leserinnen und Leser, einmal so tun, als sei ich ein Mensch. So sei es also:
Ich komme in die Kathedrale von Rouen, auf die ich mich als Fan gotischer Architektur schon lange gefreut habe. Wow! Ein toller Ausblick entlang des Langschiffs. In dieser Kathedrale sind anstatt der sonst häufig anzutreffenden Bänke Stühle aufgestellt, die lockerer wirken. Tolle Rosette über dem Portal, und auch die Orgel ist nicht so ein schlimmes Monstrum, das unter Vernachlässigung jeglicher gestalterischer Gesichtspunkte, allein zur Verherrlichung des Protzes, den Anblick zu sehr verunziert.
Also Rucksack vom Buckel, das Stativ abgenommen und aufgestellt. Das 28er Shift-Objektiv muss ans Gehäuse, die Wasserwaage auf die Kamera. Ausrichten. Um genug Schärfentiefe von den Stühlen im Vordergrund bis zur Rosette über dem Portal zu haben, muss ich kräftig abblenden (Unendliche Weiten). In der Kamera steckt der neue MACO PO 100 c, ein hochauflösender, aber nicht gerade schneller Film, also liegt die Belichtungszeit schon ohne Herrn Schwarzschild bei rund 8 Sekunden. Das Schwarzschild-Verhalten des Films kenne ich noch nicht, aber dass er 8 Sekunden ohne Reziprozitätsfehler schafft, scheint unwahrscheinlich. Also Belichtungsreihe 8, 12, 16, 24, 32, 48, 64 Sekunden (Fotografen machen's logarithmisch).
Drahtauslöser an die Kamera schrauben, Spiegelvorauslösung ist bei so langen Zeiten nicht unbedingt nötig (Verwacklung und Verreißen) (und bei meiner alten Nikon FM ist die Spiegelvorauslösung an den Selbstauslöser gekoppelt und damit bei Zeiten über 1 Sekunde ohnedies nicht einsetzbar), und Kli...
So'n Mist. Wo kommt denn die Herde Touristen nebst Führer her? Die waren doch die ganze Zeit während der Einstellerei nicht da! Müssen die ausgerechnet jetzt da rumstehen, ihre Videokameras in die Landschaft halten und den länglichen Ausführungen des Führers lauschen? OK, OK, die Leute haben auch Urlaub und wollen diese tolle Kirche sehen, aber müssen die genau jetzt genau da stehen? Frankreich ist schließlich groß!
OK, Geduld. Ist ja mein erster Urlaubstag. In zwei Wochen, wenn ich etwas entspannter bin, werde ich das sicher lockerer sehen. Also warten.
Weg sind sie. Klick. Auf die Uhr schauen, Sekunden zählen. Und eine Aufnahme ist im Kasten. Bleiben noch 6. Gut, dass gerade nicht so viele Touri-Herden hier sind! Mit ein bisschen Glück sind auch die Aufnahmen bis 24 Sekunden schnell im Kasten. Bei der 48-Sekunden-Aufnahme kommt doch tatsächlich nach rund 10 Sekunden einer hinter einer Säule hervor und trippelt da träumerisch lang. Bitte, Kerl, bleib nicht stehen! Nein, Glück gehabt. Er geht stetig weiter und wieder aus dem Bild. Da er nicht auffallend hell gekleidet war und nirgends verweilte, wird er auf dem Bild keine erkennbaren Spuren hinterlassen haben. Manchmal haben lange Belichtungszeiten auch etwas für sich.
Bei der 64-Sekunden-Aufnahme schlägt das Schicksal wieder hart zu: Ein Japaner tritt durch das Portal, schaut entlang des Portals, reißt seine Kompaktkamera hoch und löst genau in meine Richtung, und damit in mein Objektiv hinein aus - blitz! Toll. Das wird man in meinem Negativ sehen.
Was soll der Quatsch überhaupt? Hat an seiner blöden Knipse einen eingebauten Blitz mit vielleicht Leitzahl 12 und möchte damit ein Kirchenschiff von diesen Dimensionen ausleuchten. So'n Unfug. Auf seiner Aufnahme wird man vermutlich nicht viel erkennen. Die bringt also nix, außer dass ich nun meine Aufnahme wiederholen muss.
Diese Aufnahme ist sicher im Kasten, und nun kann ich mich weiter umsehen ...
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Bild 1: Rouen, Hauptschiff der Kathedrale; aufgenommen auf MACO PO 100c, bel. wie ISO 100/21°, entwickelt in LP-Supergrain 1+9; 3,5/28 mm PC-Nikkor, Bl. 16, Zeitbelichtung. Die stürzenden Linien habe ich bei diesem Foto nicht vollständig ausgeglichen. Zwar sollen leicht stürzende Linien immer einen störenden Eindruck machen, doch wirken absolut parallele Linien mitunter auch etwas unnatürlich. Es fällt mir schwer, es näher zu begründen, aber so gefiel mir der Blick am besten. |
Einige Tage später in Caen, gegenüber vom Hôtel de Ville. Ich warte auf meine Frau und meine Tochter und genieße trödelnderweise die tief stehende Sonne. Vor mir am Straßenrand hält ziemlich abrupt etwas, das man bei lockerer Auslegung noch als Auto bezeichnen könnte. (Erstaunlich, was man mit ein bisschen Farbe alles zum Halten bekommt!) Wohl eine echte französische Bagnole (Nuckelpinne). Aus dem Gefährt steigen ein Typ in schmuddeliger Jeans und ebensolchem T-Shirt, mit einer selbst gedrehten Fluppe im Mund, und ein Junge von vielleicht 8 Jahren. Der Typ kommt auf mich zu. Durch mein Gepäck bin ich gut als Fotograf erkennbar, und die Chance wollen die beiden nutzen. Lächelnd, aber wortlos (Wahrscheinlich hält er mich für einen seiner Sprache nicht mächtigen und wohl auch leicht beknackten Touristen, bestimmt Amerikaner, wegen der Kamera.) hält er mir eine Einwegknipse entgegen und bedeutet mir in Zeichensprache, ich möge ein Foto von ihm und seinem Spross vor dem Hôtel de Ville machen. Dazu bauen sich die beiden schön am Straßenrand in etwa 10 m Entfernung von mir auf, die Sonne ist zu dieser frühen Abendstunde genau über dem Hôtel de Ville und den Köpfen der beiden. Ich lächle freundlich und mache das Foto. Der Mann sagt "Merci.", ich "Pas d'quoi.", er stutzt einen Augenblick, schwingt sich dann wieder hinters Steuer - der Motor läuft noch - und rauscht ab. Das Foto ist bei dem Gegenlicht sowieso nichts. Aber wer sich nicht einmal eine ganze Minute Zeit dafür nimmt, kann vielleicht auch nicht erwarten, dass er tolle Erinnerungsfotos bekommt. Woran will er sich überhaupt erinnern, an die Durchfahrt von Caen?
Klosterruine Disibodenberg im Nahe-Weinbaugebiet, Frühsommer 2002. In diesem Kloster hat sich zeitweise Hildegard von Bingen aufgehalten. Die Anlage ist beeindruckend groß und wunderschön ruhig im Wald gelegen. Das Wetter ist schön, und die durch das Blattwerk fallenden Sonnenstrahlen bringen die Textur der alten Steine und des Mooses darauf wunderschön heraus. Ich stehe in der Marienkapelle und denke gerade darüber nach, wie toll es aussehen könnte, mit dem 120°-Bildwinkel der Panoramakamera eine Hochformataufnahme des vor mir stehenden mächtigen Baumes zu schießen, von den Wurzeln, die sich 3 m vor mir in die Steine der Ruine krallen, bis zu seiner Krone in 15 m Höhe. Ich habe das Stativ aufgebaut und die Kamera ausgerichtet und auch das Licht schon gemessen, als eine Gruppe von rund einem Dutzend Touristen in die enge Umgrenzung tritt. Gottergeben setze ich mich erst einmal in eine Ecke und warte ab, denn während die überall herumlaufen, ist an Fotografieren nicht zu denken. Dabei habe ich die Muße, die Leute zu beobachten. Manchmal - so auch hier - entschädigt einen das für Wartezeiten. Folgende Szene spielt sich ab:
Der Führer spult seinen Monolog zur Geschichte des Ortes ab, aber ich merke, wie zwei Frauen sich etwas absondern und die eine, offenbar die erfahrenere in den geheimen Lehren, die Handflächen zu einer der aufgestellten Grabplatten kehrt und ihre Begleiterin fragt: "Fühlst du es? Da ist dieses Prickeln..." Die Begleiterin ist noch etwas unsicher, will aber wohl nicht das Gesicht verlieren. Auch ist ihr vielleicht die Aufmerksamkeit der anderen Mitglieder der Gruppe, die doch ein wenig neugierig schauen, unangenehm. Sie äußert nur ein schwächliches "Hmm." Mittlerweile hat eine dritte Frau aus dem Rudel die Witterung aufgenommen und stellt sich publikumswirksam in die Mitte der Kapelle und proklamiert, an niemanden direkt gewandt, aber in einer Lautstärke, dass es sicher alle in der Gruppe hören: "Hier kann ich nicht bleiben! Das ist ja wie 1000 Nadelstiche! Diese Energie!" So nach und nach spüren auch andere "es". Ein paar gucken die Spürer nur etwas zweifelnd an und schauen dann weg. Ich denke mir "Gut, dass du so dickfellig bist und absolut keine Antenne für das Übernatürliche hast, sonst müsstest du, während du hier darauf wartest, dass das Schussfeld wieder frei wird, auch noch die ganzen Nadelstiche einstecken. Die 'Energie' wird doch wohl nicht den Film verschleiern?"
Meine Fotos konnte ich nachher in Ruhe machen. Bei einem weiteren, einem Ausschnitt aus einer der erwähnten Grabplatten, den ich mit der Kamera auf dem Stativ und dem 200er Tele aufnehme, weil er in 2,5 m Höhe über dem Boden liegt und ich ihn einigermaßen verzeichnungsfrei haben möchte, kommt ein Fotografenkollege in die Kapelle. Er schaut sich ungefähr 5 Sekunden lang um, mustert etwas kritisch meinen Aufbau und bemerkt dann mit einem Kopfnicken in Richtung meines Motivs "Schönes Bild." Fachmännisch merkt er an: "Sie nehmen sicher 400er Film." In meiner Kamera steckt aber Agfa Copex Rapid, und meine Antwort "Nee, ISO 25." ruft ein leicht verunsichert klingendes "Ah ja." hervor. Dann zückt er mit einer Hand seine vollautomatische, hypermodern designte Spiegelreflex, wirft einen kurzen Blick durch den Sucher auf die Grabplatte und drückt ab. Er verzieht sich ohne ein weiteres Wort.
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Bild 2: Klosterruine Disibodenberg, Marienkapelle, Detail aus einer Grabplatte vermutlich eines Bischofs; aufgenommen auf Agfa Copex Rapid, bel. wie ISO 25/15°, entw. in SPUR Nanospeed, 2,8/80-200 mm Apo-Sigma, Belichtung nicht notiert. Der Ausschnitt liegt in ungefähr 2,5 m Höhe über dem Boden, so dass das Teleobjektiv nötig war, um genügend Abstand zu gewinnen, um unangenehm stürzende Linien zu vermeiden. |
Da fragt man sich doch, warum unsereins mit schwerem Gepäck und Stativ durch die Lande zieht, wenn man ein schönes Motiv so einfach aufnehmen kann. Liegt wahrscheinlich daran, dass meine Kameras teilweise nur wenig jünger sind als ich. Ich muss mir auch einmal so ein modernes Ding zulegen! Letztendlich machen wir es uns doch nur schwer: Ausgefeilte Aufnahmetechnik, selbstverständlich alles manuell, denn wer traut schon einer Maschine. Belichtungsmessung, selbstverständlich Spotmeter und Zonensystem. Schließlich kann doch keine noch so gute Messung mit 7 Quadrillionen Messpunkten wissen, was ich in dem Bild sehe. Zwar ist es oft genug, speziell bei KB-Film doch so, dass wir in erster Linie auf den Schattenwert gucken und danach belichten (und das könnte eine dumme Automatik auch), aber es ist schließlich nur ein Computer! Wegen des feinen Korns nutzen wir gering empfindlichen Film. Das bedeutet, dass wir auch noch ein Stativ mitschleppen müssen. Fine Printing (auf Barytpapier, das in der Handhabung und Verarbeitung von der Stiftung Warentest ein glattes "Mangelhaft" bekäme). Die Filme und auch die Papiere entwickeln wir in schlecht belüfteten, dunklen Räumen, in denen in offenen Schalen gesundheitlich bedenkliche Chemikalien herumstehen (Stiftung Warentest "Mangelhaft" hinsichtlich der Sicherheit). Und wozu das Ganze: Ein einhändiger Klick mit einer modernen Kamera, nach dem Urlaub den Film im Drogeriemarkt entwickeln und die Bilder in 9x13 abziehen lassen. Fertig. Guckt man sich sowieso vermutlich nur ein paar Mal mit Bekannten an, um anzugeben. Dann ab ins Album damit.
Immerhin, wird vielleicht meine Frau jetzt anmerken, hat man dann ein Album. "Du brauchst ja immer Monate, bis du die Urlaubsbilder fertig hast." Der Fairness halber sei erwähnt, dass meine Frau das nie sagen würde. (Vielleicht denkt sie es?) Aber Recht hätte sie.
So schön es manchmal wäre, ein tolles Bild mit weniger Mühe zu bekommen: Die Mühe, oder besser: die Bemühungen um das Bild lassen mich das Motiv selber und den Ort, an dem ich fotografiere, intensiver empfinden. Ich sehe immer mit Schrecken jene Touristen vor mir, die einen Ort nur über das Display ihrer Videokamera sehen. Sie haben nicht die Zeit sich umzusehen und in Ruhe ein paar Einstellungen zu planen, weil sonst der Führer der Tourigruppe schon bei der nächsten Sehenswürdigkeit ist. Sie stehen unter immensem Zeitdruck, weil sie alles auf Video dokumentieren müssen um zuhause damit angeben zu können, dass sie da waren. (Waren sie es wirklich?) So haben Sie keine Zeit, den Ort selbst wahrzunehmen.
Manchmal werde ich daher sogar schon meiner geliebten Fotografie abtrünnig und zeichne. Vielleicht schaffe ich es sogar eines Tages, die Kamera zuhause zu lassen? Eines Tages vielleicht.
Fest auf dem Boden der Tatsachen
Tipps und Tricks zur Vermeidung von Verwacklung und Verreißen
Thomas Wollstein
September 2002
Wohl jeder, der fotografiert, kennt die alte Regel, der zufolge Verschlusszeiten bis längstens
"1 durch Brennweite in Millimeter"
keines Stativs bedürften. Bei meinem 58-mm-Objektiv hieße das, dass Belichtungszeiten von 1/60 Sekunde und kürzer zu scharfen Bildern führen müssten.
Ganz falsch ist diese Regel nicht, man muss sich nur immer bewusst sein, dass sie eben nur eine Daumenregel ist. In den meisten Fällen bekommen Sie bei ruhenden oder sich nicht zu schnell bewegenden Motiven akzeptable Aufnahmen hin, wenn Sie sich an diese Regel halten und beim Auslösen ein bisschen vorsichtig sind.
Aus dem Gesagten geht schon hervor, dass es zwei Einflussgrößen gibt, die zu bewegungsbedingter Unschärfe führen können, nämlich
1. Bewegung im Motiv (nicht nur Sport- und Actionaufnahmen, sondern auch Vegetation im Wind, Wasser usw.) und
2. Kamerabewegung (Aufnahmen aus Autos, von Schiffen, Pontons, Brücken (!), unruhige Hand usw.).
Für Punkt 1 gilt die genannte Faustregel überhaupt nicht. Sie betrachtet eigentlich nur einen Teilaspekt von Punkt 2, nämlich die unruhige Hand. Im Zuge dieses Beitrags werden wir allerdings versuchen, möglichst viele der angesprochenen Quellen von Bewegungsunschärfe anzusprechen.
Anmerken sollte man auch noch einmal, dass diese Regel ähnlich wie Tiefenschärfeskalen mit einem bestimmten Vergrößerungsmaßstab bzw. Verhältnis von Vergrößerungsmaßstab und Betrachtungsabstand der Bilder im Sinn aufgestellt wurde. Bei größeren Negativformaten können Sie sich bei gleichem Positivformat größere Unschärfen erlauben, weil der Vergrößerungsmaßstab kleiner ist, bei kleineren müssen Sie entsprechend strenger sein. D.h. Sie müssen die Brennweite auf ihr KB-Pendant umrechnen. Eine Tabelle mit ungefähren Umrechnungsfaktoren finden Sie am Ende des Artikels. Bei gleichem Vergrößerungsmaßstab darf man die Regel unmodifiziert anwenden.
Bewegung im Motiv
Sport und Action
Bei Sport- und Actionaufnahmen müssen Sie zwischen Schärfentiefe und Verschlusszeit abwägen. Vom Standpunkt der Bewegungsunschärfe her wäre die kürzestmögliche Verschlusszeit wünschenswert. Allerdings kommt es auf die Richtung der Bewegung an und auch darauf, ob sich das Motiv in allen seinen Teilen gleichmäßig bewegt.
Zu abstrakt formuliert? Wenn z.B. ein Fußballspieler gegen den Ball tritt, bewegt sich der größte Teil seines Körpers viel weniger schnell als der Fuß, welcher den Ball tritt. Wollen Sie alles scharf haben, müssen Sie also die Verschlusszeit nach der schnellsten Bewegung ausrichten. Wollen Sie dagegen die Bewegung auch als Bewegung, d.h. mit einer gewissen - gewollten - Unschärfe, darstellen, können Sie eine längere Verschlusszeit wählen, die den Oberkörper und Kopf des Spielers scharf lässt, aber seinen sich rasant bewegenden Fuß verwischt. Einen allgemein gültigen Wert für die jeweils magische Zeit, bei der das funktioniert, kann ich Ihnen allerdings nicht nennen. Probieren Sie es für die Sie interessierenden Situationen aus, um einen Erfahrungsschatz zu sammeln. Im Trend gilt wieder: Längere Brennweiten brauchen kürzere Belichtungszeiten.
Weiter ist die Richtung der Bewegung relativ zur Kamera wichtig: Wenn Sie beim Einlauf in die Zielgerade die Sprinter fotografieren, während sie auf die Kamera zu laufen, sieht die Kamera viel weniger Bewegung als wenn Sie quer zur Laufrichtung fotografieren. Im erstgenannten Fall können Sie sich also eine viel längere Verschlusszeit leisten. Abgestuft gilt das bei Bewegungen schräg zur Aufnahmerichtung.
Letztendlich - das kam schon in der Daumenregel heraus - spielt auch die Objektivbrennweite eine Rolle. Ein Teleobjektiv vergrößert nicht nur alle Details des Motivs, sondern auch dessen Bewegung. (Die des Fotografen auch, aber dazu kommen wir später.)
Nach meiner Erfahrung (die allerdings bei Sportaufnahmen nicht so reichhaltig ist, da das nicht meine Lieblingsmotive sind) kann man beim 5fachen der Brennweite in Millimeter von ziemlich scharfen Aufnahmen ausgehen, optimal ist das 10- bis 20fache, also z.B. bei einem 50-mm-Objektiv 1/250 s, besser 1/500 bis 1/1000, bei einem 200er Teleobjektiv sind die Werte entsprechend 1/1000 bis 1/4000.
Damit wird klar, dass Sie für solche Aufnahmen in aller Regel besser mit einem etwas empfindlicheren Film an den Start gehen. Aus meiner Sicht ist ISO 400/27° eine meist vernünftige Wahl.
Landschaft
Auch bei Landschaftsaufnahmen kommt Bewegung im Motiv vor, z.B. durch Wind, der die Blätter und Zweige bewegt, oder in Form sich bewegenden Wassers.
Bei den sich bewegenden Blättern kann die Bewegungsunschärfe insbesondere dann akzeptabel sein, wenn es genug scharfe, d.h. feste, ruhende, Bildelemente gibt und wenn diese die eigentlich wichtigen Bildelemente sind.
Beim Wasser kann sie sogar gewünscht sein, um z.B. bei Wasserfällen oder schnell fließenden Bächen das Wasser als lebendiges, fließendes Element darzustellen. In diesem Fall brauchen Sie allerdings schon recht lange Verschlusszeiten. Nach meinem Geschmack fängt der interessante Bereich bei 1/4 s als kürzester Zeit an. Um bei solchen Fotos mit Verschlusszeiten ab 1 s dem Reziprozitätsfehler (oder Schwarzschildeffekt) aus dem Weg zu gehen, macht es oft Sinn, statt einer einzigen Belichtung von 1 s eine evtl. vorhandene Mehrfachbelichtungsfunktion zu nutzen und 8 x 1/8 s zu belichten. Die Darstellung des Wassers in beiden Fällen ist auch ohne Reziprozitätsfehler nicht ganz dieselbe: Die Mehrfachbelichtung hat oft etwas mehr Biss.
Kamerabewegung
Tief durchatmen:
Kamera (mehr oder weniger) in der Hand
Sportschützen wissen: Der Puls des Menschen schlägt nicht immer gleich schnell. Damit ist nicht der beschleunigte Puls bei und nach Anstrengung gemeint, sondern die Änderung der Pulsfrequenz innerhalb eines Atemzyklus. Wenn Sie ruhig und entspannt atmen und Ihren Pulsschlag beobachten, werden Sie bemerken, dass die einzelnen Schläge kurz nach dem Ausatmen mit längeren Pausen aufeinander folgen als während des Einatmens. Eine solche längere Pause nutzen Präzisionsschützen, um den Schuss auszulösen, und wir können diesen Effekt auch als zusätzliche Vorkehrung gegen Verwacklung nutzen.
Wo liegt der Grenzbereich für aus der freien Hand haltbare Zeiten? Die eingangs zitierte Daumenregel ist - das sagte ich bereits - nicht schlecht. Ich hatte aber auch die Einschränkung gemacht, dass die so geschossenen Aufnahmen nur akzeptabel scharf sind. Wenn die Möglichkeit besteht, dass ich ein Foto etwas größer als nur bis 13 x 18 cm vergrößern möchte, gehe ich i.d.R. lieber auf Nummer Sicher und nutze kürzere Zeiten als die nach der Daumenregel ermittelten. Ich fühle mich sicher, wenn ich bei einem 50-mm-Objektiv mit 1/250 s aus der Hand fotografiere, bei längeren Brennweiten mit entsprechend kürzeren Zeiten.
Andererseits habe ich auch schon (wieder bezogen auf 50 mm Brennweite) 1/30 und sogar 1/8 s gehalten und Bilder erzielt, die sich sogar recht groß vergrößern lassen. Wahrscheinlich habe ich da einfach Glück gehabt. Verlassen werde ich mich darauf nicht, aber ich werde auch nicht auf die Aufnahme unter schlechten Bedingungen verzichten, bloß weil die Möglichkeit besteht, dass sie unscharf wird.
Was tun, wenn´s nicht anders geht, wenn also kein Dreibeinstativ benutzt werden kann oder man keines dabei hat? Es gibt ein paar einfache Dinge, die Ihnen helfen können, nämlich
- die oben besprochene günstige Atmung,
- Aufstützen, Anlehnen und Einbeinstative,
- günstige Kamera- und Körperhaltung und schließlich
- Behelfsstativ und doch nicht zu schwer zu tragen: das Taschenstativ.
- nur der Vollständigkeit halber: das Schulterstativ
Zu 1. brauche ich nichts mehr zu sagen.
Zu 2.: Auch wenn es uns nicht auffällt, ist unser "Stehen" doch eine unablässige Folge von Ausgleichsbewegungen. Eine Kamera "sieht" diese bei hinreichend langer Belichtungszeit. Schon wenn Sie sich an einer Wand oder Mauer anlehnen, sinkt das Verwacklungsrisiko erheblich. Wenn Sie gar Ihre Kamera gegen ein solides Objekt halten oder auf eine Mauer stellen können, steigen Ihre Chancen auf unverwackelte Bilder weiter. Am günstigsten ist es dabei, wenn die Kamera flächig oder an drei Punkten anliegt, denn dann wippelt sie auch nicht mehr hin und her.
Das Zauberwort heißt hier "Freiheitsgrade": Liegt die Kamera mit einem Punkt an, also etwa auf einer Spitze eines Steins, so kann Sie noch in ziemlich vielen Richtungen wackeln, wenn auch weniger als wenn Sie sie nur in der Hand halten. Liegt sie mit zwei Punkten oder entlang einer Linie an, z.B. an einer Häuserecke, so kann sie noch in einer Richtung kippeln. Liegt sie schließlich flächig an oder mit drei Punkten, so liegt sie fest. So können Sie mit etwas Vorsicht sogar ausgedehnte Zeitbelichtungen ohne Stativ tadellos hinbekommen.
Ein Grenzfall, den man hier auch nennen sollte, sind Einbeinstative. Viel brauche ich dazu nicht zu sagen. Ich schätze meines sehr für Ballettaufnahmen, denn es stützt die Kamera, wenn die Verschlusszeiten bei dem spärlichen Licht länger werden, und es entlastet meine Arme vom Gewicht des lichtstarken und daher schweren Teleobjektivs während der längeren Vorstellungen. Trotzdem gibt es mir noch eine ganze Menge mehr Bewegungsfreiheit als ein Dreibein.
Zu 3.: Digitalfotografie hat ihre Vorzüge. Einer davon ist der, dass man sich eher einmal traut, ein Foto zu versieben, weil man's ja einfach wieder löschen kann. Film wird dabei nicht verschwendet. Ein weiterer Vorzug besteht darin, dass man sich die Resultate sofort ansehen kann. So habe ich gemerkt, dass ich mit der Kamera vor dem Bauch viel längere Zeiten aus der Hand halten kann als in der üblichen, unergonomischen Knippshaltung mit Kamera vor der Nase. Kameras mit Schachtsucher oder eben Digicams, bei denen man von oben auf das Display schauen kann, erlauben also in dieser günstigeren Haltung längere Zeiten.
Ganz ungünstig sind zu kleine Kameras, an denen die "Wurstfinger" kaum Halt finden und die zudem noch leicht sind.
Günstig ist Masse. Eine schwere Kamera benötigt auch mehr Kraft, um zu schwingen. Der Effekt schlägt allerdings da um, wo das Gerät so schwer wird, dass Sie es nicht mehr entspannt halten können.
Auch die Lage des Schwerpunktes relativ zum Griff ist wichtig: Versuchen Sie einmal, eine Kamera mit einem lichtstarken Tele am Gehäuse zu halten. Sie können sie viel besser ruhig halten, wenn der Schwerpunkt zwischen Ihren Händen angeordnet ist.
Allgemein gilt: Je entspannter Ihre ganze Haltung, desto weniger wackeln Sie. Stehen Sie z.B. mit halb gebeugten Beinen, um Ihren Aufnahmestandpunkt ein paar Zentimeter nach unten zu verlagern, wackeln Sie i.d.R. erheblich mehr als wenn Sie bequem stehen. Noch schlimmer wird's beim Knien oder gar auf Zehenspitzen. Also: Bleiben Sie locker!
Zu 4.: Eines meiner liebsten Utensilien ist ein solides Taschenstativ: viel leichter als ein "richtiges" Stativ, viel kleiner (ungefähr von der Größe einer Taschenlampe) und enorm nützlich. Ich glaube, ich verdanke diese Anregung Günter Spitzing, dessen Bücher ich immer gern gelesen habe. Mit einem solchen Ding habe ich schon die dollsten Dinger gedreht, so z.B. scharfe Aufnahmen von Gekkos nahe einer an einer Häuserwand angebrachten Straßenlampe in Arles (Provence) mit einem 300-mm-Tele mit 1/4 s vom Dach eines geparkten Autos. Der Kugelkopf des Taschenstativs erlaubt es, praktisch jede Häuserwand oder andere nicht ganz unebene Fläche in Motivnähe zum Anlehnen oder Aufstützen zu nutzen. Wenn Sie mit der linken Hand das Taschenstativ einigermaßen fest gegen die Wand pressen und mit der rechten vorsichtig auslösen (vielleicht sogar mit einem Drahtauslöser), können Sie ohne schweres Stativ Zeiten hinbekommen, von denen Sie sonst nur träumen können.
Allerdings muss es - wie oben betont - ein einigermaßen stabiles Taschenstativ sein. (Das wird immer noch viel leichter sein als ein Dreibeinstativ.)
5. So genannte Schulterstative, Vorrichtungen, mit deren Hilfe man die Kamera beim Fotografieren wie ein Gewehr an die Schulter hebt, habe ich nicht als große Hilfe empfunden. Zwar ist es damit leichter, eine Kamera mit schwerem Teleobjektiv etwas ruhiger zu halten, und man ist beweglicher als mit einem Dreibein, aber ein Einbeinstativ bietet bei größerer Wirksamkeit gegen Kamerabewegungen zusätzlich den Vorteil, dass es das Gewicht der Kamera trägt und schränkt nach meinen Erfahrungen die Beweglichkeit auch nicht wesentlich mehr ein.
Wie der Fels in der Brandung?
Die Kamera auf dem Stativ
Die Belichtungszeit ist zu lang, um sie aus der Hand zu halten, also kommt die Kamera auf´s Stativ. Alles klar, keine Probleme mehr. Oder doch?
Und ob! Eine Reihe von Faktoren sorgen dafür, dass auch eine Kamera auf einem Stativ wackelt:
- Trivial: ein instabiles Stativ,
- oft nicht bemerkt: "weicher" Boden,
- unterschätzt: Wind,
- meist übersehen: der Spiegelschlag bei Spiegelreflexkameras und
- zu guter Letzt: der Fotograf als Schwingungsquelle.
Zu 1.: Die so genannten Reisestative, die vor 30 Jahren die üblichen Stative für Freizeitfotografen waren, deren Beine aussahen wie etwas dickere Teleskopantennen von Transistorradios, sollten Sie lieber vergessen. Sie taugen nur in drei Fällen etwas: mit ganz zusammengeschobenen Beinen (Dann ist ein gutes Taschenstativ besser.) oder bei Selbstauslöseraufnahmen, bei denen es nicht auf die Stabilität der Kamerahalterung ankommt, wo also die Verschlusszeit kurz ist und das Stativ nur den freundlichen Helfer ersetzt, der uns die Kamera hält. Der dritte Nutzen? Man kann sie als Briefbeschwerer verwenden.
Ein anständiges, d.h. wirksames Stativ ist schwer und steif. Da hilft nichts. Moderne Werkstoffe wie Carbonfasermaterialien mögen das Gewicht etwas reduzieren, aber ein schwereres Stativ wird praktisch immer weniger schwingen als ein leichteres. Steif muss ein Stativ sein, damit es nicht mit niedriger Frequenz und großer Amplitude schwingt und ewig lange braucht um auszuschwingen, nachdem Sie es aufgestellt haben. Innere Dämpfung dient ebenfalls dazu, die Schwingungsanregung zu erschweren und das Abklingen von Schwingungen zu begünstigen.
Wenn Sie also jetzt in den Laden gehen, um für Ihre nächste Reise ein Stativ zu kaufen, kaufen Sie das schwerste und steifste, das Sie lange genug tragen können und wollen (Denken Sie dabei auch an das Gewicht der restlichen Ausrüstung!), denn ein Stativ, das zu schwer zum Mitnehmen ist, ist ungefähr so wirksam wie kein Stativ.
Stative mit Mittelsäule sind eine tolle Sache, aber nur, wenn man die Mittelsäule nur nutzt, um sie bei Bedarf umgekehrt ins Stativ einzusetzen, nicht etwa zur Vergrößerung der Höhe, denn die Mittelsäule mit der relativ großen Masse der Kamera am Ende wirkt wie ein langes Federpendel. Mit einem billigen Laserpointer kann man das leicht testen: Montieren Sie den Laserpointer (z.B. mit Klebeband) an der Kamera, und zwar am besten in der Weise, dass er grob parallel zur Objektivachse ausgerichtet ist. Stellen Sie die Kamera ein paar Meter vor einer Wand auf. Je größer die Entfernung, desto größer der Ausschlag des Pointers, wenn die Kamera wackelt. Schalten Sie nun den Pointer auf Dauerlicht und lassen Sie Ihre Kamera bei verschiedenen Auszugshöhen der Mittelsäule per Selbstauslöser auslösen. Nutzen Sie die Laufzeit des Selbstauslösers, um zur Wand zu gehen, auf die der Laserpunkt projiziert wird und beobachten Sie, was der Punkt macht.
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WARNHINWEIS! |
Sie werden Folgendes sehen: Je weiter der Auszug,
- desto größer die Schwingung, und
- desto länger braucht sie zum Abklingen.
2. Das stabilste Dreibein ist witzlos, wenn Sie es auf einer viel befahrenen Brücke aufstellen oder wenn Sie auf dem Parkettboden oder weichen Waldboden, auf dem es steht, bei der Aufnahme zuviel "hampeln". Dass ein Stativ im, am oder auf dem Auto nur etwas bringt, wenn der Motor aus ist, und dass ein Auto dank seiner Federung leicht durch Bewegungen der Insassen zum Schwingen zu bringen ist, brauche ich wohl gar nicht mehr zu erwähnen.
3. Wind, der über eine mäßige Brise hinausgeht, wird auch Ihre auf dem Stativ montierte Kamera zum Schwingen bringen. Abhilfe schafft Masse. Mein Patentrezept besteht darin, mein Stativ mit meinem Kamerarucksack (in meinem Fall immerhin mindestens 10 kg) zu beschweren. Ich hänge einfach den Rucksack mit der Trageschlaufe an die Mittelsäule. Das beschwert die gesamte Konstruktion so weit, dass es schon arg pusten muss, um sie zu erschüttern. (Auch dies können Sie mit dem Laserpointer testen.)
4. Spiegelreflexkameras sind nicht nur (vergleichsweise) laut, sie wackeln auch ganz gewaltig, wenn der Spiegel hochklappt. Das ist auch kein großes Wunder, muss der Spiegel doch nach dem Drücken des Auslösers möglichst augenblicklich aus dem Strahlengang entfernt, also stark beschleunigt und dann ziemlich abrupt wieder gebremst werden. Wo etwas schnell bewegt wird, muss eine große Kraft übertragen werden, und die ruft eine Gegenkraft hervor. (Der Rückstoß bei Schusswaffen entsteht so.) Der Spiegel stößt sich beim Hochschwingen an der Kamera ab, und die Kamera wackelt. Dann schlägt der Spiegel oben an, und die Kamera wackelt wieder. Und genau während dieser Wackelei geht der Verschluss auf!
Die Erfahrung zeigt, dass der Spiegelschlag sich besonders im Bereich der Verschlusszeiten im Bereich von 1/8 bis 1/60 s schärfemindernd bemerkbar macht. Bei Zeiten ab 1 s und länger oder 1/125 s und kürzer ist er i.d.R. kein Problem mehr, im ersten Fall, weil die Wackelei nur während eines Bruchteils der Belichtungszeit noch wirksam ist, im zweiten, weil die Zeit kurz genug ist. Bei 1/60 und in Grenzen bei 1/30 s kann es auch reichen, wenn Sie nicht per Drahtauslöser (s.u.) auslösen, sondern die Kamera beim Auslösen fest (nicht so fest, dass Sie zittern, es kommt nur auf die dämpfende Masse an) umfassen.
Günstiger ist aber eine Spiegelvorauslösung. Manche Kameras erlauben es, den Spiegel nach der Ausrichtung der Kamera unabhängig von der Verschlussauslösung hochzuklappen und dann zeitlich entkoppelt auszulösen. Bei anderen wird der Spiegel zu Beginn der Laufzeit des Selbstauslösers hochgeklappt, und bis zum Auslösen des Verschlusses sind eventuelle Schwingungen abgeklungen. Beides ist von der Schärfe her praktisch gleichwertig, nur einen Vorteil haben die Kameras mit vom Selbstauslöser entkoppelter Spiegelvorauslösung: Bei ihnen passiert es Ihnen nicht, dass genau in den 10 s zwischen Auslösung des Spiegels und eigentlichem Foto jemand ins Bild latscht.
Auch die Spiegelvorauslösung lässt sich nach der oben beschriebenen Methode testen.
5. Was bei handgehaltener Kamera gilt, stimmt auch hier: Die Lage des Schwerpunktes ist entscheidend: Am günstigsten ist es i.A., wenn das Stativ unterhalb des Schwerpunktes stützt. Schwere und lange Teleobjektive sollten zu diesem Zweck ein eigenes (möglichst drehbares) Stativgewinde aufweisen, auch damit nicht das arme Gehäuse das Gewicht des dicken Klotzes tragen muss.
6. Eigentlich wollte ich zum Thema Drahtauslöser gar nichts sagen, so selbstverständlich war es für mich, dass man entweder einen solchen oder aber den Selbstauslöser benutzt, um nicht selbst der ärgste Feind der Schärfe zu werden. Aber dann fielen mir doch einige Warnhinweise ein:
Ein Drahtauslöser ist um so wirksamer, je länger er ist. Drahtauslöser mit einer Länge von 10 cm oder gar noch weniger sind witzlos.
Ein Drahtauslöser ist ebenfalls witzlos, wenn er unter Spannung steht. Er muss, um wirken zu können, locker durchhängen.
Wenn Sie eine Zeitbelichtung durchführen, sollten Sie es vermeiden, den Drahtauslöser gleich nach dem Auslösen und Feststellen fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Das gibt einen kleinen, aber unnötigen Ruck. Einen weiteren erzeugen Sie, wenn Sie ihn nach Ablauf der nötigen Zeit unvorsichtig wieder in die Hand nehmen. Halten Sie ihn während der ganzen Zeit locker in der Hand und stehen Sie schön still.
7. Köpfchen! Beinahe hätte ich's vergessen: Ein Stativ ist nur so gut wie sein Kopf. Die Stative namhafter Hersteller werden oft kopflos angeboten, da es für verschiedene Anwendungsbereiche und Vorlieben verschiedene Köpfe gibt. Der Kopf des Stativs muss bei einer schweren Kamera ein großes Drehmoment aufnehmen, sollte also solide sein.
Prinzipiell werden zwei Bauarten unterschieden:
- Kugelköpfe und
- Neiger.
Erstere haben ein einziges "Bedienelement", mit dem Sie den Kopf feststellen oder lösen. Ist er einmal gelöst, ist er in allen Richtungen beweglich. I.A. werden solche Köpfe für solche Anwendungen empfohlen, wo die Kamera bei aller Fixierung noch recht beweglich bleiben muss, z. B. Sport- und Actionfotografie. Weniger empfohlen werden sie für Architekturaufnahmen, denn wenn Sie Ihre Kamera mit der Wasserwaage für eine Architekturaufnahme genau ausrichten, ist es einfacher, wenn Sie jede Drehrichtung einzeln freigeben und blockieren können.
Ich persönlich fotografiere in der Hauptsache Architektur und Landschaft und nutze trotzdem einen Kugelkopf, denn Neiger sind i.A. wegen teilweise weit hervorstehender Griffe voluminöser und transportunfreundlicher. Daran, dass ein Kugelkopf die Kamera gleich für alle Richtungen freigibt, habe ich mich gewöhnt.
Es gibt spezielle Kugelköpfe (z. B. Manfrotto Grip Action), bei denen ein Pistolengriff gedrückt wird, um die Kamera drehbar zu machen. Wenn man loslässt, wird sofort arretiert. Ich persönlich würde diese nur empfehlen, wenn man diese Funktionalität wirklich braucht, denn ich halte die Konstruktion mechanisch für nicht optimal: Die Kugel sitzt unterhalb des rund 15 cm langen Pistolengriffs, was bedeutet, dass die schwere Kamera am Ende eines langen Hebels sitzt. Dieser Hebel vergrößert das auf den Kugelkopf wirkende und von diesem zu haltende Drehmoment. Das kleinste bisschen Elastizität oder Spiel im Kugelkopf wird durch den Hebel vergrößert.
Bei Neigern, das klang implizit schon an, gibt es drei Bedienelemente: eines gibt Schwenks in der Horizontalen frei, das zweite auf- und abwärts, und das dritte Drehungen um die Aufnahmeachse. Der Vorteil liegt darin, dass das Ausrichten der Kamera bei Architekturaufnahmen einfacher ist, weil sich die Ausrichtung in den beiden anderen Richtungen nicht verändert, während man an der dritten herumwerkelt. Der Nachteil, der solche Geräte für Sport- und Actionaufnahmen praktisch disqualifiziert, besteht darin, dass Sie immer mehrere Handgriffe vornehmen müssen, wenn Sie die Ausrichtung der Kamera in mehr als einer Richtung ändern wollen. Ein weiterer Nachteil sind die meist größeren Abmessungen der Köpfe.
Ein frei schwebendes "Luftstativ": der Kreisel!
Mehr als interessante Randnotiz sollte man noch den Kreisel erwähnen, ein "Stativ" für Fälle, wo die Aufstellung eines Stativs auf dem Boden keinen Sinn macht, also z.B. in Autos und Flugzeugen oder auf Booten sowie bei Fotos an Stellen, wo man aufgrund beengter räumlicher Verhältnisse (Kirchtürme, Brückenpfeiler, Windenergieanlagen) keinen Platz hat, ein Stativ aufzustellen. Mir fällt hier auch gleich die Regelung in Italien ein, wo man in praktisch jeder Kirche fotografieren darf, nur eben nicht mit Stativ.
Das magische Hilfsmittel ist ein Kreisel. Leider sind solche Geräte so teuer, dass ihre Anschaffung, ja selbst das Mieten, für einen Amateur praktisch nicht in Frage kommt.
In der Ausgabe September/Oktober 2001 Photo Techniques wird über diese Vorrichtung berichtet.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser, im Physikunterricht von der stabilisierenden Wirkung eines Kreisels gehört zu haben. Man kann sie ausnutzen, indem man einen hinreichend massiven (3 bis 4 kg), durch einen Elektromotor zu schneller Rotation angetriebenen Kreisel fest mit der Kamera verbindet. Die Kreiselwirkung sorgt dafür, dass - so wird in dem zitierten Artikel berichtet - auch Aufnahmen aus Booten bei einer Geschwindigkeit von rund 60 km/h bei 1/15 s knackscharf werden. (Die Brennweite wird leider nicht erwähnt, war aber vermutlich deutlich länger als 50 mm. ) Für Aufnahmen mit 300 mm Brennweite aus dem Flugzeug wird ein Limit von 1/125 s angegeben. Schon beachtlich, nicht wahr? Schade, dass so ein Ding ab 2000 EUR aufwärts kostet!
Klick und fest - Schnellkupplungen
Die Bereitschaft zur Benutzung eines Statives steigt mit dessen Handhabungsfreundlichkeit. Sie glauben gar nicht, wie sehr mir die ständige Schrauberei auf den Nerv ging, wusste ich doch, dass im Hintergrund meine Tochter und meine Frau auf mich warteten. Es mag nicht billig sein, aber leisten Sie sich Schnellkupplungen, sinnvollerweise für jedes Gehäuse und jedes Teleobjektiv eine. Bei einer guten Schnellkupplung drücken Sie wirklich die Kamera nur eben auf's Stativ, und sie sitzt bombenfest. Die Stativköpfe namhafter Hersteller sind oft in zwei Varianten, d.h. mit Schraube oder Schnellkupplung, zu haben, und auch die Arretierungen kann man für bestehende Köpfe mit Schraube nachkaufen. Entscheiden Sie sich frühzeitig für ein System, bei dem Sie die Einzelteile ohne Probleme nachkaufen können, damit Ihre Ausrüstung ausbaufähig bleibt.
Tabelle: Brennweitenumrechnung für verschiedene Formate
8x11 mm (Minox) |
24x36 mm (KB) |
4,5x6 cm |
6x6 cm |
6x9 cm |
|
"Normal" |
15 mm |
50 mm |
75 mm |
80 mm |
105 mm |
Gleiches Positivformat: |
|||||
3,5 |
- |
0,6 |
0,6 |
0,4 |
|
Dann gilt die Daumenregel für die umgerechnete Brennweite. |
|||||
2 Blendenstufen kürzer |
- |
1 Blendenstufe länger |
1 Blendenstufe länger |
1 Blendenstufe länge |
Zonensystem für Papier - Was heißt denn das?
Thomas Wollstein
Juli/August 2002
Das "Zonensystem" für Negative ist - verkürzt dargestellt - die Umsetzung des von alters her bekannten und gut begründeten Satzes
"Belichte auf die Schatten und entwickle auf die Lichter!"
Nichts liegt näher als die Anwendung dieses schlauen Prinzips auch auf Positive. Man muss das dann nicht "Zonensystem" für Papier nennen, aber es klingt gut.
Ich werde Ihnen in diesem Artikel vermitteln, wie Sie
-
Ihre persönlichen Papierempfindlichkeiten bestimmen,
-
Ihre persönlichen Papiergradationen bestimmen,
-
einen Laborbelichtungsmesser richtig benutzen, um möglichst schnell zu einer akzeptablen Vergrößerung eines Negativs zu kommen.
Nebenbei werden Sie eine Menge über das Verhalten von Fotopapier lernen.
Im Folgenden werde ich auf einen Punkt nicht mehr eingehen, den ich aber angesichts seiner Wichtigkeit hier noch einmal erwähne: Arbeiten Sie reproduzierbar, wenn Sie reproduzierbare Ergebnisse wünschen. Verwenden Sie bei der Verarbeitung von Belichtungsproben dieselbe Sorgfalt und bis aufs Iota dieselben Verfahren wie bei der Verarbeitung der "richtigen" Bilder. Nur dann können Sie sich darauf verlassen, dass die Ergebnisse der durchgeführten Tests auch im rauen Duka-Alltag Bestand haben. Wer beim Testen schludert ("Sind ja nur Schnipsel!") oder bei der Routine anders arbeitet als beim Testen (z.B. Test mit Rotationsentwicklung, echte Vergrößerung mit Schalen), kann sich das Testen oft gleich sparen. Abweichungen sind dann vorprogrammiert.
Überlegen Sie vor dem Test, was Sie zu tun haben und gehen Sie in der Duka streng nach Plan vor. Spontane Entscheidungen in der Duka führen oft dazu, dass Sie hinterher nicht mehr genau wissen, was Sie eigentlich getan haben, und damit wird der Test wertlos, d.h. Zeit verplempert, Material verplempert. Müssen Sie doch von Ihrem Plan abweichen, machen Sie Notizen darüber. Wenn Sie später Probleme antreffen, helfen Ihnen die Notizen, die Ursache zu finden.
Tests sind zeitaufwendig und langweilig, weil man hinterher keine tollen Bilder hat. Ich hasse sie.
Test sind aber auch sehr lehrreich. Sie sind eine Investition in die Zukunft. Jetzt Zeit fürs Testen aufzuwenden heißt meist später mehr Zeit für die wesentlichen Dinge zu haben und weniger Gehirnschmalz für technische Dinge zu benötigen.
Grundlagen der Positiv-Sensitometrie
Wie Filme haben auch Papiere eine ISO-Empfindlichkeit, angegeben als P-Wert in den technischen Unterlagen des Papierherstellers. Der Unterschied zwischen dem ISO-Wert bei Filmen und dem ISO-P-Wert bei Papieren ist jedoch der, dass Sie als Verbraucher mit dem letzteren meist nicht viel anfangen können, während Sie die ISO-Empfindlichkeit von Filmen an Ihrem Belichtungsmesser einstellen und damit i.A. zumindest nicht ganz falsch belichtete Negative erzeugen können. Allenfalls zum Vergleich der Empfindlichkeiten zweier Papier taugt der ISO-P-Wert. Bestimmt wird er aus der Schwärzungskurve des Papiers als die Belichtung, die nötig ist, um eine Dichte von 0,6 über dem Grundschleier zu erzeugen, dem weißesten Weiß, welches das fragliche Papier zu liefern vermag.
Der Dichtewert für das weißeste Weiß wird Dmin genannt. Ein kleines Stück, nämlich genau 0,04 Dichteeinheiten über dem Dmin liegt der Wert IDmin, der die feinste Grauabstufung charakterisiert, die man nicht nur messen, sondern auch sehen kann.
Jedes Papier hat neben dem weißesten Weiß auch schwärzestes Schwarz, seine Maximaldichte, kurz Dmax. Bei 90 % der Maximaldichte Dmax liegt der Wert IDmax, der den Grauwert kennzeichnet, den man typischerweise noch vom maximalen Schwarz unterscheiden kann.
Die Spanne zwischen Dmin und Dmax gibt das größte Helligkeitsverhältnis wieder, das das Papier darzustellen vermag. Dichtewerte sind logarithmische Werte. Wenn z.B. Dmax - Dmin = 2,1 wäre, wäre der darstellbare Kontrastumfang 102.1, ungefähr 128 = 27 oder auch 7 Blendenstufen, allerdings nur unter optimaler Beleuchtung. Das Jonglieren mit den Logarithmen wird einfacher, wenn man sich merkt, dass ein Dichtesprung von 0,3 - gleich ob im Positiv oder im Negativ - einer Halbierung der reflektierten bzw. durchgelassenen Lichtmenge entspricht, also einer Blendenstufe. Dann kann man ohne Logarithmen rechnen: 2,1 : 0,3 = 7 Blenden.
Noch einmal zurück zu den kennzeichnenden Dichtewerten: Sicher haben Sie bemerkt, dass Dmax und IDmax sich um einen größeren Betrag unterscheiden als Dmin und IDmin. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass das menschliche Auge feine Abstufungen in hellen Bereichen besser unterscheiden kann als in dunklen.
Dmin, IDmin, dasselbe noch einmal mit "max". Da schwirrt Ihnen schon der Kopf? Keine Angst: Das vergessen wir gleich wieder. Wichtig ist folgendes: Die Dichtedifferenz eines Negativs, bei dem bei richtiger Belichtung die dünnsten Stellen IDmax auf dem Papier erzeugen und die dichtesten gerade eben IDmin ergeben, bestimmt die Gradation des Papiers und wird als ISO-R-Wert angegeben. "R" steht für "Range" oder auf Deutsch "Spannweite". Ein Papier mit einem kleinen R-Wert hat einen hohen Kontrast, ist also "hart", denn der Belichtungsunterschied zwischen IDmin und IDmax ist klein. Umgekehrt kann ein Papier mit großem R-Wert einen großen Negativdichteumfang in seiner Spanne zwischen (fast) Weiß und (fast) Schwarz unterbringen. Typische R-Werte für die Gradationen sind in der nachfolgenden Tabelle gesammelt. Die Zuordnung zwischen R-Wert und Gradationszahl ist jedoch nicht genormt, so dass die Werte zwischen den Herstellern schwanken.
Gradationszahl |
00 |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
R-Wert (bzw. Negativedichteumfang) |
170 |
150 |
130 |
110 |
90 |
70 |
60 |
Und jetzt die Anwendung in der Duka
Bei der Aufnahme des Negativs nach dem Zonensystem müssen Sie zwei Kenngrößen ermitteln, nämlich jeweils den Lichtwert in den Schatten und in den Lichtern. Der Wert für die Schatten diktiert die Belichtung, der für die Lichter den Kontrast bei der Entwicklung und/oder Vergrößerung.
|
Anmerkung: |
Gehen wir einmal davon aus, die Aufgabe bestünde darin, den gesamten Kontrastumfang des Negativs in der Kontrastspanne des Papiers unterzubringen. Dann müsste man eigentlich nur bei der Belichtung des Papiers in der Duka nur dasselbe tun wie vorher beim Negativ: Festlegen der Belichtung nach den Lichtern, d.h. den dichtesten Negativstellen, den Stellen eben, wo das Papier am wenigsten Licht bekommt, ganz in Analogie zur Bestimmung der Negativbelichtung nach den Schatten. Danach Festlegung des Kontrasts nach den Schattendichten.
Bei der Probestreifentechnik bedeutet das zwei Belichtungsproben:
-
eine für die Lichter, um daraus die Belichtung abzulesen,
-
eine für die Schatten, um die richtige Gradation zu ermitteln.
Bei kontrastvariablem Papier ist die zweite Probe leicht auf einem Streifen durchzuführen, bei festgraduiertem braucht man mehrere kleine. Auf jeden Fall hat man nach diesen zwei Proben alle Information, die man braucht.
Wenn Sie Besitzer eines Laborbelichtungsmessers sind, werden Sie meist feststellen, dass bei diesem eine andere Vorgehensweise gewählt wird: Die Gebrauchsanweisung wird Ihnen zumeist vorschlagen, die Belichtung nach der Stelle im Negativ zu bestimmen, die gerade eben richtig Schwarz werden soll, d.h. nach den tiefsten Schatten. Das hat durchaus sein Gutes: In den Lichtern muss der Laborbelichtungsmesser sehr schwache Lichtintensitäten messen, und jedes kleine bisschen Fremdlicht (z.B. Dukalampe) hat einen starken - verfälschenden - Einfluss auf die Messergebnisse. Wenn dieser bei der Belichtungsmessung zuschlägt, ist die Messung möglicherweise wertlos. Schlägt dieser Effekt beim Kontrast zu, haben Sie immer noch ein richtig belichtetes Bild, nur eben vermutlich ein etwas zu kontrastreiches.
Die Messmethode hat aber auch Ihre Nachteile: Kontrastvariable Papiere sind zwar oft vom Hersteller so eingestellt, dass die unteren Gradationen gleich empfindlich sind und die oberen um eine Blende unempfindlicher, aber für die Empfindlichkeit der Papiere wird nicht die Menge Licht verwendet, die nötig ist, damit sie Maximaldichte erreichen, auch nicht, wie bei Negativen der Fall, die Menge Licht, bei der die erste verwertbare Dichte zustande kommt, sondern willkürlich eine Dichte von 0,6, also ein mittleres Grau, und auf eben dieses messen die meisten Laborbelichtungsmesser nicht.
Und da liegt der Hase im Pfeffer: Die o.b. Arbeitsweise mit dem Laborbelichtungsmesser und Kontrastwandelpapiere passen eigentlich nur zusammen, wenn man an seinem Laborbelichtungsmesser für jede Papiergradation die Empfindlichkeit separat berücksichtigt.
Die meisten unter uns werden vermutlich keinen Laborbelichtungsmesser haben, der zwischen sechs bzw. sieben (0 bzw. 00 bis 5 ohne halbe Stufen) und 12 bzw. 13 (00 bzw. 0 bis 5 mit halben Stufen) Empfindlichkeitswerte speichert. (Und selbst wenn, dann sind es vermutlich immer noch zu wenige, wenn man verschiedene Papiere verwendet.) Das ständige Verstellen der Empfindlichkeitseinstellung ist auch weder benutzerfreundlich noch bei Geräten mit analogem Drehregler empfehlenswert (weil ungenau). Ich habe mich daher darauf eingestellt, bei meinem Laborbelichtungsmesser immer mit derselben Empfindlichkeit zu messen und nach Bestimmung des Kontrastumfangs und der Schattendichte durch eine einfache Multiplikation die Belichtungszeit zu bestimmen. Das funktioniert wie folgt.
Messung des persönlichen Kontrastumfangs
- Messung der Belichtungszeit für die Stelle im Negativ, die eben Maximalschwarz erreichen soll. Die gemessene Zeit nenne ich T1.
- Messung der Belichtungszeit für die Stelle im Negativ, die eben Papierweiß werden soll. (Mindestens hierbei, besser aber bei beiden Messungen, wird die Dukalampe ausgeschaltet.) Die gemessene Zeit nenne ich T2.
Der Kontrastumfang des Negativs ist dann leicht mit dem Taschenrechner auszurechnen als
Log (T2/T1)
Typischerweise kommt eine Zahl zwischen 0,5 und 2 heraus. Diese Zahl multiplizieren Sie (das geht im Kopf) mit 100 und runden sie. Dann kommt eine Zahl zwischen 50 und 200 heraus. Diese Zahl können Sie direkt mit dem ISO-R-Wert Ihres Papiers vergleichen. Nehmen Sie die Gradation, deren ISO-R-Wert dem gemessenen Kontrastumfang am nächsten kommt.
Die ISO-R-Werte in der Dokumentation des Papierherstellers sind übrigens mit Vorsicht zu genießen. Das, was Sie zuhause tatsächlich von einem Papier bekommen, hängt von Ihrem System ab, d.h. von Ihrer Lichtquelle im Vergrößerer, Ihren Filtern usw. Sie sollten daher die Herstellerwerte nur als grobe Anhaltswerte betrachten und lieber versuchen, Ihre eigenen R-Werte zu bestimmen.
Das ist einfacher als Sie vielleicht denken. Besorgen Sie sich für relativ wenig Geld einen Durchsichtsgraukeil im Format 24 mm x 36 mm (gibt es u.a. bei PHOTOTEC). Es muss kein kalibrierter sein, auch ein unkalibrierter ist besser als keiner. (Ein unkalibrierter Graukeil ist nicht automatisch ungenau, nur hat niemand geprüft, wie genau gerade dieser Keil ist. I.d.R. sind Graukeile auch ohne Kalibrierung für alle häuslichen Zwecke mehr als hinreichend genau.) Vergrößern Sie diesen mit einer Zeit, die sicherstellt, dass die gesamte Spanne zwischen Papierweiß und Maximalschwarz abgedeckt ist. Sollte Ihr Graukeil keinen hinreichend großen Dichte abdecken, um auch bei weichem Papier die gesamte Spanne abzudecken, haben Sie zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen: Entweder kaufen Sie gleich zwei Keile und Vergrößern ein Sandwich der beiden (Die Dichten sind nämlich additiv.), oder Sie vergrößern einen Keil mit einer Zeit, die Ihnen maximales Schwarz liefert und noch einen mit der halben Zeit, nötigenfalls auch noch mit einem Viertel, so dass Sie auch Papierweiß haben. Das treiben Sie wieder für jede Gradation so. Den Dichteumfang einer Gradation erhalten Sie dann wie folgt: Finden Sie die Stufen des Graukeils, die Sie zwischen tiefstem Schwarz und hellstem Weiß unterscheiden können. Schauen Sie nach, welcher Dichte welches Feld entspricht. Verwenden Sie ein Sandwich aus zwei Keilen, müssen Sie natürlich die Dichten addieren. Haben Sie Weiß und Schwarz auf zwei Proben, die um eine Blende verschieden belichtet wurden, müssen Sie bei der um eine Blende geringer belichteten Probe alle Dichten um 0,3 erhöhen. Ihr persönlicher ISO-R-Wert für das Papier ist dann die Dichtedifferenz zwischen den noch von Schwarz bzw. Weiß unterscheidbaren Graukeilfeldern mal 100.
Glückliche Besitzer eines Densitometers haben es hier nicht einfacher, aber genauer: Sie fertigen ebenfalls Belichtungsproben mittels Graukeilen an und messen die Schwärzungskurven der Gradationen. Der ISO-R-Wert ist dann der Belichtungsunterschied, d.h. der Dichteunterschied des Graukeils zwischen IDmax und IDmin.
Ein Beispiel nach meinen eigenen Messungen:
Gradation |
Herstellerwert |
Mein Wert |
0 |
130 |
140 |
1 |
110 |
130 |
2 |
90 |
100 |
3 |
80 |
100 |
4 |
70 |
90 |
5 |
60 |
80 |
[Sie werden bemerken, dass sich die ISO-R-Werte für die Gradationen 2 und 3 bei mir nicht unterscheiden. Da ich jedoch die Schwärzungskurven nach den Graukeilbelichtungen insgesamt vermessen habe, weiß ich, dass trotz gleichen (Gesamt-)Kontrastumfangs Unterschiede in den Kurven bestehen. Des weiteren sieht man an den Werten, dass Gradation 5 bei mir nicht so hart ist wie sie sein könnte. Ich vermute, das liegt an meiner Glühlichtquelle: Ihr fehlt es an blauem Licht. Dafür habe ich bei den weichen Gradationen einen weiteren Kontrastumfang zur Verfügung. Eigene Tests haben also viele Vorteile.]
Messung der persönlichen Papierempfindlichkeit
Vor der Vergrößerung kommt nach der Ausmessung des Negativs noch der (entscheidende) zweite Schritt: Als Belichtungszeit wird nicht direkt die verwendet, die der Belichtungsmesser angibt, sondern sie wird aus dieser berechnet. Sie müssen für jede Gradation des von Ihnen verwendeten Fotopapiers den Faktor bestimmen, mit dem Sie die vom Belichtungsmesser angezeigte Zeit multiplizieren müssen, um maximales Schwarz zu erzielen. Dazu gehen Sie wie folgt vor:
Legen Sie z.B. ein Stück unbelichtetes Negativ in den Vergrößerer ein und notieren Sie die vom Belichtungsmesser angezeigte Zeit. Fertigen Sie von diesem Negativ Probestreifen mit immer längeren Belichtungszeiten, bis Sie einen dabei haben, auf dem das Feld wirklich Schwarz ist. Bei Auswertung mit dem Auge ist die Zeit die richtige, bei der Sie das Feld erstmalig nicht mehr vom nächst länger belichteten unterscheiden können. Bei Auswertung mit einem Densitometer können Sie einfach nacheinander die Felder vermessen und nehmen die Zeit, bei der wirklich maximale Dichte auftritt. Diesen Ablauf exerzieren Sie für alle Gradationen durch. Sie bekommen so für jede Gradation die Belichtungszeit, die Ihr Belichtungsmesser für diese Gradation anzeigen müsste, um maximales Schwarz zu erzielen. Sie werden bemerken, dass die Abweichungen keineswegs gering sind. Eine Blende zwischen empfindlichster und unempfindlichster Gradation ist leicht drin.
Betrachten wir ein Beispiel:
vom Belichtungsmesser angezeigte Zeit |
Gradation |
tatsächlich benötigte Zeit für maximales Schwarz |
Korrekturfaktor |
12 s |
0 |
36 s |
3 |
1 |
34 s |
2,8 |
|
2 |
25 s |
2,1 |
|
3 |
20 s |
1,7 |
|
4 |
22 s |
1,8 |
|
5 |
24 s |
2 |
Hier noch ein Beispiel in grafischer Form: In der folgenden Kurve habe ich die Positivdichte über der Belichtungszeit für die extremen Gradationen aufgetragen, also für 0 und 5.
An den Kurven sehen Sie zweierlei:
- Die Belichtungszeiten für maximales Schwarz sind für die beiden Gradationen deutlich verschieden, rund 9 s für Gradation 5 (linke Kurve, braun) und rund 17 s für Gradation 0 (rechte Kurve, blau) und tatsächlich braucht Gradation 5 rund eine ganze Blende weniger Licht als Gradation 0, um maximales Schwarz zu erzeugen. Bezogen auf maximales Schwarz (und nicht auf den Normwert 0,6) ist also Gradation 5 empfindlicher als Gradation 0.
- Das maximale Schwarz ist nicht bei beiden Gradationen gleich. Gradation 5 liefert etwas tiefere Schwärzen.
Anwendung der Messdaten auf ein gegebenes Negativ
Doch jetzt zur Praxis: Wir vermessen ein Negativ und rechnen Belichtungszeit und Gradation aus:
Gemessene Zeiten |
Kontrastumfang |
mal 100 und runden |
nächster ISO-R-Wert |
gewählte Gradation |
Belichtungszeit |
T1 = 10 s |
Log (T2/T1) |
ca. 131 |
130 |
1 |
10 s x 2,8 |
T2 = 200 s |
Wenn ich mein Negativ mit Gradation 1 für 28 s belichte, erhalte ich ein Positiv, bei dem die dünnste Negativstelle gerade eben richtig schwarz wird, die hellste gerade eben richtig weiß, sozusagen einen optimalen "unmanipulierten Abzug", im Neudeutschen auch oft "Straight Print" genannt. Mit diesem "unmanipulierten Abzug" habe ich eine hervorragende Basis für die weiteren Überlegungen.
Wenn ich z.B. zu dem Schluss komme, dass die Schatten besser getrennt sein müssten als sie es sind, werde ich eine härtere Gradation nehmen, sagen wir 3. Ich weiß dann schon aus meiner Messung der Schattenbelichtungszeit, dass ich bei Gradation 3 die Belichtungszeit anpassen muss, nämlich auf 10 s (gemessene Zeit) mal 1,7 (Faktor für Gradation 3), also 17 s. Wenn die Lichter mit 28 s bei Gradation 1 gut hinkamen, kann ich sie je nach Motiv z.B. bei der Belichtung der Schatten mit Gradation 3 aussparen und später mit Gradation 1 für 28 s belichten, oder ich belichte mit Gradation 0 für eine bestimmte (dann allerdings noch zu ermittelnde oder zu erratende) Zeit nach.
Damit Sie nicht rot sehen ...
Thomas Wollstein
Juni 2002
Lange haben Sie auf Teil 3 warten müssen, und einige haben sich schon bei mir nach seinem Verbleib erkundigt, aber der Wettergott war den Infrarot-Fotografen in diesem Jahr bis vor ein paar Wochen nicht besonders günstig gesonnen, wie Sie sicherlich selbst gemerkt haben. Aber jetzt gab es endlich ein paar Tage Sonnenschein, und da habe ich gleich die mir noch unbekannten Filme getestet. Meine Erfahrungen mit den neuen Filmen sind naturgemäß nicht so reichhaltig wie die mit dem althergebrachten Material, aber wenn ich mit der Veröffentlichung dieses Tests warte, bis ich alles über die Filme weiß, ist mindestens diese Saison auch vorbei. Also, hier kommt er, der IR-Filmtest..
Der ideale IR-Film
...hat eine bis weit ins IR reichende Sensibilisierung und hohe Empfindlichkeit wie ein Kodak HIE und ist feinkörnig und scharf wie ein MACO IR 750c. Je nach Bedarf zeigt er die für den Kodak HIE so typische Überstrahlung, die wir bei "atmosphärischen" oder "mystisch" anmutenden Aufnahmen schätzen, oder ist scharf und lichthoffrei wie die MACO-Filme.
Erinnert Sie das an die Eier legende Wollmilchsau? Zu Recht! Die verschiedenen Anforderungen der IR-Fotografie schließen einander teilweise gegenseitig aus. Hohe Empfindlichkeit bedeutet immer auch gröberes Korn, und eine Lichthofschutzschicht lässt sich nicht nach Bedarf abschalten. Ebenso sorgt die chromatische Aberration dafür, dass ein Film, der für ein breites Wellenlängenspektrum empfindlich ist, nicht so scharf ist wie einer, der nur in einem engen Wellenlängenbereich aufzeichnet. Man muss sich also schon beim Einlegen des Films entscheiden, was man will - zumindest teilweise, wie ich Ihnen weiter unten darlegen werde.
Was macht einen Film zum Infrarot-Film?
Hinsichtlich des IR-Effektes ist die Sensibilisierung des Films der springende Punkt. Wie schon in Teil 1 dieses Artikels erklärt, sind ausnahmslos alle IR-Filme auch im sichtbaren Bereich des Spektrums empfindlich. Sie können sie also wie normale SW-Filme benutzen. In diesem Fall werden Sie den Bildern die IR-Sensibilisierung des Films nicht besonders ansehen, denn das vom sichtbaren Licht hervorgerufene Bild überdeckt das vom IR hervorgerufene (durchaus auch vorhandene) Bild praktisch völlig. Um das "IR-Bild" sichtbar zu machen, müssen wir also das sichtbare Licht schwächen bzw. ausschließen. Wenn wir z.B. durch ein so genanntes Schwarzfilter (RG 695/RG 715 und höher) alles sichtbare Licht ausschließen, bleibt nur das IR-Bild übrig, aber bei Filtern, die noch Anteile sichtbaren Lichts durchlassen (Gelb-, Orange- und Rotfilter bis einschl. RG 665/RG 695) sehen wir immer eine Überlagerung des IR-Bildes mit dem vom sichtbaren Licht hervorgerufenen Bild.
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Anmerkung: |
Bei einer Überlagerung von IR und sichtbarem Licht hängt der Bildeindruck, die Gewichtung zwischen IR-Bild und durch sichtbares Licht verursachtem Bild, davon ab, wie stark welches Bild ausgeprägt ist. Diese Gewichtung wird durch zwei Faktoren beeinflusst, nämlich
- Filterkurve und
- Sensibilisierung.
Ich betone dies, insbesondere die "zwei", weil es für das Verständnis des Verhaltens der Filme so wichtig ist: Ein Film, dessen Empfindlichkeit im Sichtbaren sich im Bereich des Blauen bewegt und nicht sehr hoch ist, und mit (vergleichsweise) hoher Empfindlichkeit im IR (vgl. Konica IR 750) lässt sich durch ein gewöhnliches Rotfilter schon zu starken IR-Effekten veranlassen, weil das Rotfilter schon all das sichtbare Licht blockiert, auf das der Film reagieren könnte. Bleibt also nur der IR-Anteil. Ein Film hingegen, der panchromatisch reagiert und einen nur wenig ins IR reichenden Empfindlichkeitsbereich hat (vgl. Ilford SFX, MACO IR 750c, CUBE 400c) wird bei einem Rotfilter in etwa reagieren wie ein gewöhnlicher Film, denn das Bild des sichtbaren Lichts ist immer noch viel stärker als das des IR. Bei einem solchen Film erreichen Sie den typischen "IR-Look" erst mit Filtern, die praktisch alles sichtbare Licht blockieren und nur noch IR durchlassen, also ab RG 695/RG 715. Dass der Kodak HIE schon mit verhältnismäßig durchsichtigen Filtern (Rot #29) einen deutlichen IR-Look zeigt, liegt daran, dass er eine wirklich hohe und weit ins IR reichende Sensibilisierung hat. Schon bei Wegfallen des blauen Lichts kann das IR-Bild sich gegenüber dem vom sichtbaren Licht verursachten behaupten.
An einer Serie von Aufnahmen mit zunehmend starken (und damit visuell undurchsichtigeren) Filtern an einer Nikon Coolpix 950 kann ich Ihnen den Effekt veranschaulichen: Der Sensor ist immer derselbe, folglich auch die spektrale Sensibilisierung (die, wie ich von Nikons technischem Support weiß, bis gut über 1000 nm reicht). Die Serie von Fotos wurde mit folgenden Filtern aufgenommen:
Bild 1: Ohne Filter
Bild 2: Mit Filter Rot dunkel 29
Bild 3: Mit IR Filter RG 665
Bild 4: Mit IR-Filter RG 695
Bild 5: Mit IR Filter RG 715
(Achten Sie bitte nicht auf die Kompressionsartefakte (Helligkeitsbänder im Himmel); zur Minimierung der Übertragungszeit sind die Daten sehr stark komprimiert.)
Sie sehen, dass in demselben Maße wie der Anteil des sichtbaren Lichts abnimmt, die IR-Effekte (speziell dunkler Himmel und Wood-Effekt) an Deutlichkeit zunehmen. Wenn Sie also dieses Modell im Kopf behalten, werden Sie von der Darstellung von Motiven auf IR-Film zumindest nicht allzu sehr überrascht werden.
Die Filme im Vergleich
Ich möchte Ihnen nachfolgend die Filme zunächst in Prosa beschreiben. Am Ende des Artikels finden Sie eine Gegenüberstellung, in der die wesentlichen Eigenheiten der Filme gegenübergestellt werden. Aus historischen Gründen werde ich die Filme in der Reihenfolge vorstellen, wie Sie auf den Markt gekommen sind. Eine Wertung im Sinne von bester, zweitbester Film usw. will - und kann - ich nicht abgeben, denn nicht nur die Geschmäcker sind verschieden, sondern auch die Anwendungsbereiche. Meine Aussagen beziehen sich also auf objektive Befunde und allgemeine Hinweise zur Handhabung.
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Warnung: |
Der Vater aller IR-Filme: Kodak HIE (oder Kodak High Speed Infrared)
Über einen langen Zeitraum war dieser Film der IR-Film schlechthin. Das liegt z.T. daran, dass er aufgrund seiner hohen Empfindlichkeit bis weit ins Infrarote hinein und der fehlenden Lichthofschutzschicht einen ausgeprägten IR-Effekt zu erzeugen in der Lage ist. Vieles von dem, was man "IR-Look" nennt, ist geprägt durch das Erscheinungsbild der Bilder auf Kodak HIE.
Der Kodak HIE ist ein schneller Film, dementsprechend auch einer mit sehr ausgeprägtem Korn. Er ist aber auch der IR-Film, mit dem Sie selbst bei Verwendung eines Schwarzfilters (z.B. RG 780 oder #87) oft noch aus der Hand schießen können. (Das geht allerdings, s. auch Hinweise in Teil 1, nur bei Sucherkameras!) Nach meinen Erfahrungen ist man bei Verwendung eines Filters RG 780 bei Messung ohne Filter durch das Objektiv oder mit externem Belichtungsmesser mit einer Empfindlichkeit von ISO 50/18° gut bedient. Wenn Sie eine Belichtungsreihe von +1 bis -1 Blende um diesen Wert schießen, werden Sie in aller Regel einen Treffer dabei haben. (Weitere Hinweise zur Belichtung von IR-Material s. Teil 1.) Verwenden Sie ein dunkelrotes Filter (#29), können Sie bei vielen Kameras bei Messung durch das Filter zu zutreffenden Ergebnissen kommen, wenn Sie eine Empfindlichkeit von ISO 400/27° einstellen.
Die Bereitwilligkeit des Films, IR-typische Bilder zu erzeugen sowie seine hohe Empfindlichkeit erkauft man sich mit Handhabungsnachteilen: Der Film muss in absoluter Dunkelheit, also in der Duka oder im Wechselsack, in die Kamera eingelegt und aus ihr entnommen werden. Kühle Lagerung ist unbedingt erforderlich, tiefgekühlte (***-Fach) noch besser, insbesondere über längere Zeit. Die aufgedruckten Haltbarkeitsdaten dürfen Sie bei Tiefkühllagerung praktisch vergessen. Erfahrungsgemäß hält bei -18 °C (***-Fach) gelagerter HIE Jahre länger als aufgedruckt.
Probleme bereiten Kameras mit IR-LEDs für die Filmzählung und oft das Filminfo-Fenster in der Kamerarückwand. Zu beidem finden Sie nähere Aussagen in Teil 1.
Der Film wird vermutlich vorwiegend für Landschaft verwendet, und er dürfte aufgrund seiner Empfindlichkeit von den IR-Filmen der sein, der sich am besten - wenn nicht allein - für Aufnahmen von bewegten Objekten (z.B. Portrait und Akt) eignet.
Der Filmträger ist glasklar, was eine Umkehrentwicklung zu SW-Dias erlaubt.
Kodak HIE ist in KB-Patronen und als beidseitig perforierte 70-mm-Meterware erhältlich. MF- und GF-Material ist - zumindest für Hobbyanwender - nicht erhältlich oder unbezahlbar.
Der Film ist mit EUR 10 bis 15 je 36er KB-Patrone nicht gerade billig.
Exot mit Seltenheitswert: Konica IR 750
Der Konica IR 750 ist ein (verglichen mit Kodak HIE) langsamer, feinkörniger und steil reagierender, im Prinzip orthochromatischer Film mit IR-Anhang. Er hat einen Empfindlichkeitsbereich im Blauen und einen im IR um 750 nm und nichts dazwischen. Entsprechend reagiert er: Ein Rotfilter #25 oder #29 reicht aus, um die blauen Wellenlängen völlig auszuschalten. Die verbleibenden roten und infraroten Anteile des Spektrums reichen meist schon für einen veritablen IR-Effekt aus. Die nicht so weit ins IR reichende Empfindlichkeit vermisst man daher nicht unbedingt. Man kann mit diesem Film Dank dem ausgeprägten Effekt schon bei "normalen" Rotfiltern mitunter noch aus der Hand schießen. Stellen Sie dazu bei Messung durch ein Rotfilter #25 den Kamerabelichtungsmesser auf ISO 200/24° oder bei Messung ohne Filter oder mit externem Belichtungsmesser auf ISO 25/15° bis ISO 50/18°. Verwenden Sie ein Schwarzfilter, kommen Sie allerdings leicht ins Zögern, das Verhalten des Films mit dem Wort "Empfindlichkeit" zu bezeichnen. Aufnahmen mit einem Schwarzfilter RG 780 habe ich mit diesem Film noch nie gemacht, kann also nur aus zweiter Hand berichten, dass die Empfindlichkeit bei Messung ohne Filter oder mit externem Belichtungsmesser für diese Kombination um ISO 0,75/0°. Für ein Filter RG 715 wird eine Empfindlichkeit von ISO 3/6° bis ISO 6/9° beträgt.
Die Handhabung ist nicht ganz so kritisch wie beim Kodak HIE, aber Einlegen im Dunkeln und kühle bis kalte Lagerung sind empfehlenswert.
Dieser Film wird nur einmal im Jahr gegossen und geliefert. (Ungefähr genau so häufig oder noch häufiger kursieren im Internet Gerüchte, wonach er eingestellt sei.) Wer darauf schwört, sollte im Frühjahr (meist so im Februar) die Kühltruhe leer haben und mit einem ausreichenden Vorrat füllen. Der Film kommt in 24er KB-Patronen und als Rollfilm 120 daher.
Der Preis ist mit dem des Kodak HIE vergleichbar.
Nicht Fisch, nicht Fleisch: Ilford SFX
Der Ilford SFX wurde eingeführt als "Film mit erweiterter Rotempfindlichkeit". M.W. handelte es sich um den missglückten Versuch, an Kodaks Monopol bei Verkehrsüberwachungsfilmen (Sie wissen schon: zu schnell gefahren, Blitz, Geldstrafe und Punkte in Flensburg.) zu rütteln. Der Ilford SFX reagiert weitgehend wie ein panchromatischer Film mit ISO 200/24°. Unter günstigen Bedingungen, d.h. bei Vorhandensein von viel IR-Strahlung (1 bis 2 Stunden nach Sonnenauf- oder vor Sonnenuntergang) und günstigem Motiv (z.B. Bäume mit frischem Laub im Frühjahr) kann man ihm mit einem strengen IR-Filter (RG 695/RG 715 einen "richtigen IR-Look" mit schwarzem Himmel und Wood-Effekt abluchsen, aber für gewöhnlich reagiert er eher als konventioneller Film denn als IR-Film. Das Korn entspricht nach meinem Empfinden dem eines HP5 Plus, also eines Films mit klassischer kubischer Kristalltechnologie oder ist noch etwas grober.
Für die Belichtung können Sie praktisch vorgehen wie bei konventionellen Filmen: Messung mit externem Belichtungsmesser bei ISO 200/24°, Anwenden des Filterfaktors. Bei Messung durch ein Rotfilter kommen Sie vermutlich mit dieser Einstellung ebenfalls gut zurecht.
Die Handhabung ist unproblematisch. Es gelten die Regeln wie bei konventionellen Filmen.
Ilford SFX wird in 36er KB-Patronen zu Preisen zwischen EUR 8 und 10 angeboten.
Neu (wenn auch nicht mehr ganz): MACO IR 820c
Dass die Entwicklungszeiten für diesen Film dieselben sind wie für den MACO UP 100 plus, ist kein Zufall: Der MACO IR 820c basiert auf der Emulsion dieses bewährten Films, hat aber eine IR-Empfindlichkeit bis (Nomen es Omen) über 800 nm hinaus dazu bekommen. Die zugrundeliegende ISO 100/21°-Emulsion sorgt für feines Korn, und die weit ins IR reichende Empfindlichkeit lässt schon bei Verwendung eines wenn auch dunkeln, aber noch deutlich durchsichtigen Filters RG 665 schon deutliche IR-Effekte (schwarzer Himmel und Wood-Effekt) aufkommen, zur Not (aber eher selten) sogar noch gerade aus der Hand. Anders als der Kodak HIE hat aber der MACO IR 820c eine Lichthofschutzschicht, so dass die Neigung zur Überstrahlung geringer ist, aber wegen der mit zunehmender Wellenlänge abnehmenden Wirksamkeit dieser Schicht beim "IR-Bild" (also z.B. dem weißen Blattwerk) doch noch im Ansatz vorhanden ist. ISO 12/12° bis ISO 50/18° bei Messung ohne Filter oder mit externem Belichtungsmesser haben sich bei mir bei Verwendung eines RG 665 als vernünftig erwiesen. Für ein Filter RG 715 empfiehlt MACO bei Messung ohne Filter ISO 25/15°. Beim Filter RG 780 ist ISO 3/6° bis 6/9° angemessen.
Den MACO IR 820c können Sie wegen seiner panchromatischen Basisemulsion auch gut ohne Filter als konventionellen Film verwenden. Das zur Dauerlösung zu erheben würde ich nicht empfehlen, da das wegen der chromatischen Aberration in einer anderen Ebene scharfe IR-Bild, auch wenn es schwach ist, das Bild des sichtbaren Lichts überlagert. (Anregung meinerseits an MACO: Könnte man nicht verfahren wie bei Videokameras, denen zur Verbesserung der Abbildungsqualität ein IR-Sperrfilter eingesetzt ist und ein Filter vorsetzen, dass z.B. ab 715 nm sperrt? Dann hätte man mit Sperrfilter einen tollen panchromatischen Film, mit IR-Filter einen prima IR-Film.)
Für die Handhabung sind dieselben Regeln einzuhalten wie bei Kodak HIE, also Filmwechsel im Dunkeln und kühle bis kalte Lagerung.
Eine Besonderheit dieses Films (im Vergleich zum HIE) ist seine Lichthofschutzschicht. Um sie zu entfernen, sollten Sie den Film vor der Entwicklung 30 s bis 1 Minute in einer Tankfüllung Wasser bei Prozesstemperatur (meist 20 °C, aber bei manchen Entwicklern auch höher) dauernd kippen. Wenn sie das Wasser dann auskippen, sieht es aus wie Tinte. Nach meinen Erfahrungen passiert zumindest bei Einmalentwickler auch nichts Schlimmes, wenn Sie die Vorwässerung mal vergessen, aber MACO empfiehlt sie u.a. auch wegen gleichmäßigerer Entwicklung und besserer Ausnutzung der Empfindlichkeit.
Wie alle MACO-Filme mit dem kleinen "c" im Namen hat auch dieser einen glasklaren (engl. "clear") Träger, was ihn für eine Umkehrentwicklung prädestiniert. Auf der Schachtel steht denn auch "SW-Negativ- und Diafilm".
Der Film ist als KB-Film, RF 120 und als Planfilm bis 8 x10" erhältlich.
Der Preis je 36er KB-Patrone liegt zwischen EUR 8 und 9.
Der zweite nicht mehr ganz frische Neuling: MACO IR 750c
Der "kleine Bruder" des MACO IR 750c entstand aus derselben Basisemulsion, weshalb vieles von dem, was ich oben schrieb, auch hier gilt. Aufgrund der sich weniger ins IR erstreckenden Sensibilisierung ist bei gleicher Filterung das IR-Bild schwächer als beim MACO IR 820c. D.h., dass der MACO IR 750c bei einem Filter IR 665 nicht ganz so bereitwillig einen ausgeprägten IR-Effekt zeigt, es heißt aber auch, dass sich dieser Film besser als die 820er Variante als "Standby"-IR-Film nutzen lässt, also als Film, mit dem man konventionell und im IR fotografiert. Im letzteren Fall ist dann die Empfindlichkeit deutlich geringer als beim MACO IR 820c. Mit einem strengeren IR-Filter (z.B. RG 695/RG 715) bekommen Sie garantiert einen Wood-Effekt und schwarzen Himmel hin, aber ein Filter RG 780 ist für den MACO IR 750c schon fast so undurchsichtig wie ein Objektivdeckel.
Handhabung und Lagerung sind nicht so kritisch wie beim MACO IR 820c. Kühle Lagerung und Filmwechsel in gedämpftem Licht sollten reichen.
Hinsichtlich der Lichthofschutzschicht und des Trägers gilt das beim MACO IR 820c Gesagte.
Der Preis je 36er KB-Patrone liegt zwischen EUR 5 und 6. (Auch das macht die Anwendung als Mehrzweckfilm attraktiver!)
Ganz neu: MACO CUBE 400c
Neu erhältlich und zumindest im Augenblick noch in weißen Schachteln ist der MACO CUBE 400c. Sie werden bemerken, dass diesem Film der Namenszusatz "IR" fehlt. Seine Sensibilisierung erstreckt sich etwas weniger weit in den IR-Bereich als die des MACO IR 750c, dafür ist seine Empfindlichkeit mit ISO 400/27° um zwei Blenden höher. Die Konkurrenz für Kodak? Ja und vielleicht.
Ja, denn nachgewiesenermaßen ist dieser Film die Konkurrenz für Kodaks Verkehrsüberwachungsfilm. Über Jahrzehnte war Kodak der einzige Hersteller, der Filme für diesen Zweck anbot und hatte deshalb z.B. auch die meisten der zuständigen deutschen Behörden fest als Kunden in der Hand. (Kleinere Anteile wurden auch von Agfa, Ilford und nicht so bekannten Marken gehalten.) Die Anforderungen an einen solchen Film sind hart: Er muss in seinem "Starenkasten" eisige Kälte genauso aushalten wie brütende Hitze, und er muss bei Regen und Schnee möglichst nicht nur das Autokennzeichen, sondern auch den Raser selbst identifizierbar abbilden, und das, wo Blende, Zeit und Blitzlichtoutput festgelegt (d.h. nicht einstellbar) sind, wo sich also der Film flexibel zeigen und alle Schwankungen auffangen muss. Dieses Bündel von Anforderungen konnte bis vor Kurzem nur Kodak erfüllen, bot aber seinen entsprechenden Film dem "Normalverbraucher" nicht an. Um so mehr darf man sich freuen, dass MACO diesen Nutzerkreis nicht ausschließt. Warum ich Ihnen das erzähle? Weil einige der Besonderheiten dieses Films in Kenntnis seiner Historie besser verstehbar werden. Zudem darf man damit rechnen, dass in diesem Bereich der SW-Fotografie, wo die Filme extreme Anforderungen erfüllen müssen, weiter an Verbesserungen geforscht wird. Bei der konventionellen SW-Fotografie beobachten wir ja schon seit geraumer Zeit den beklagenswerten Trend zu weniger oder keiner Forschung und zur Einstellung bewährter Produkte.
Entgegen dem üblichen Trend zu immer dünnschichtigeren Filmen ist der CUBE 400c ein Zweischichtenfilm. Nur durch die Paarung dieser zwei Schichten und den weiteren Trick, dass die Lichthofschutzschicht dieses Films zwischen Träger und Emulsion sitzt (so dass Lichthöfe allein noch durch die Streuung in der Emulsion auftreten können), wurde es möglich, dass er unter variierenden Verhältnissen zuverlässig funktioniert. Das hat aber auch Auswirkungen auf die Ergebnisse mit verschiedenen Arten von Entwicklern: In Oberflächenentwicklern (z.B. Ilford ID11/Kodak D76, Ilford Ilfosol, Tetenal Ultrafin, Kodak Xtol oder LP CUBE XS) wird näherungsweise nur die feinkörnige Schicht entwickelt. Folgerichtig erhalten Sie feinkörnige Negative, allerdings auf Kosten der Empfindlichkeitsausnutzung. Bei Schichttiefenentwicklern (z.B. LP Supergrain oder Kodak HC 110 Dil. B) wird die ganze Schicht entwickelt, und die Empfindlichkeit des Films wird voll ausgenutzt. Sie erhalten kräftigere Negative mit scharf gezeichnetem, bildwirksamem Korn.
Der CUBE 400c hat einen sehr robusten, blauen Polyesterträger. Der ist so robust, dass ich Ihnen dringendst empfehle, beim Einspulen des Films in den Tank im Wechselsack eine Schere mit in den Sack zu nehmen, denn Sie bekommen das Filmende kaum von der Spule abgerissen. (Sie können mir glauben: Bei meinem ersten CUBE 400c habe ich ganz schön geschwitzt, weil ich das nicht wusste.) Neben seiner Robustheit zeichnet den Träger eine hohe Archivstabilität (Lebenserwartung mind. 500 Jahre) aus. Auch sollten Sie nie nie nie den Filmtransport Ihrer Kamera gegen unerwartet großen Widerstand zu bewegen versuchen. Der Film reißt nicht. Die Kraft muss also von der Mechanik Ihrer Kamera gehalten werden.
MACO ist es geglückt, mit diesem Film kräftig an Kodaks Monopol bei der Verkehrsüberwachung zu knabbern. Soviel zum "Ja".
Nun zum "vielleicht": Die Sensibilisierung des MACO CUBE 400c reicht nur wenig ins IR, folglich müssen Sie für einen ausgeprägten IR-Effekt strenge Filter, vorzugsweise RG 715 einsetzen. Noch dichtere Filter sollten Sie allerdings nicht nutzen, sonst "blickt" auch der Film nicht mehr durch. Der CUBE 400c ist nominell ein Film mit ISO 400/27°, die er in dem von mir verwendeten LP Supergrain (Tiefenentwickler) auch problemlos erreicht (nach meiner Messung sogar noch ½ bis eine Blendenstufe mehr). Durch seine Flexiblität (zwei Schichten und Sensibilisierung) und die Preisgestaltung ist er aus meiner Sicht wirklich ein schöner Standby-IR-Film. Die Aufnahmen haben ähnlich denen mit Kodak HIE ein ausgeprägtes Korn, neigen aber wegen der nicht so weit reichenden Sensibilisierung und des Vorhandenseins einer Lichthofschutzschicht nicht zur Überstrahlung. Anders als beim Kodak HIE muss man für deutliche IR-Effekte strenge Filter einsetzen und verliert dabei viel Empfindlichkeit. (Nicht das Thema dieses Artikels, aber trotzdem: Ich habe zum Auffüllen einer Testrolle einige Portraits geschossen, deren Tonwertwiedergabe ich einfach toll fand.)
Der Träger dieses Films ist leicht blau und klar (Namenszusatz "c", s.o.). Als Tipp für "nahezu perfekte Dias" empfiehlt MACO das Kontaktkopieren der CUBE-Negative auf Ort 25c, wodurch sich weitere Steuerungsmöglichkeiten durch Belichtung und Entwicklung eröffnen.
Zur Handhabung: Dieser Film kann wie ein konventioneller Film gehandhabt werden. Einlegen in gedämpftem Licht ist sicher eine gute Idee, aber nicht so kritisch. Auf die Eigenheiten des reißfesten Trägers beim Einspulen hatte ich bereits hingewiesen.
Eine KB-Patrone zu 36 Aufnahmen geht beim MACO CUBE 400c für EUR 4 bis 5 über den Tisch. RF 120 ist auch lieferbar, allerdings aus technischen Gründen kein Planfilm.
Die digitale Überholspur: Digitalkameras mit IR-Empfindlichkeit
CCD-Elemente, die "lichtempfindliche Schicht" von Digitalkameras, weisen von sich aus eigentlich eine deutlich ins IR reichende Sensibilisierung auf, die allerdings bei den meisten Kameras durch Filter beschnitten wird, vermutlich um die Abbildungsqualität zu verbessern. Manche Kameras jedoch, und die Coolpix 950 (ein heute schon hoffnungslos veraltetes Modell) ist prima als IR-Kamera zu gebrauchen. Einfach auf SW-Modus schalten, Filter vors Objektiv, und schon können Sie munter im IR drauflosfotografieren, sogar mit dem Vorteil, dass die Belichtungsautomatik und der Autofokus auch im IR einwandfrei funktionieren und Sie die Ergebnisse direkt auf dem Mini-Monitor begutachten können. Und das ohne Filmwechsel im Dunkeln, zusätzliche Gehäuse oder Rückenteile usw. Nur der Bildqualität sind durch den CCD-Chip viel engere Grenzen gesetzt als nasschemischen Filmen (s. dazu auch meinen Artikel des Vormonats zum "digitalen Sündenfall").
Die Nikon Coolpix ist nicht die einzige Digitalkamera, die für IR-Fotografie taugt, aber generelle Aussagen vermag ich nicht zu äußern, den z.T. sind von bestimmten Kameraserien Modelle 1 bis X IR-tauglich, und die Modelle ab X+1 sind IR-"blind". Wenn Sie also an einer Digitalkamera interessiert sind und IR für Sie ein Thema ist, sollten Sie in den Laden gehen, so ein Ding in die Hand nehmen und damit durch ein entsprechendes IR-Filter "schauen". Wenn Sie auf dem Display noch ein Bild sehen, taugt das Modell für IR-Fotografie. Achten Sie auf die angezeigte Belichtung, um die Empfindlichkeit abschätzen zu können.
Zusammenfassende Darstellung der Eigenschaften der verfügbaren Filme
Die spektrale Sensibilisierung habe ich grob schematisch in der unten wiedergegebenen Tabelle skizziert. In der folgenden Übersicht wird der Wood-Effekt als Schlüsselparameter genutzt, um Filme zu charakterisieren.
Kodak HIE
Empfindlichkeit allgemein: |
hoch |
Empfindlichkeit IR |
hoch |
Wood-Effekt ab Filter: |
Rot dunkel (#29) |
Vorteile: |
- deutliche IR-Empfindlichkeit, daher auch mit visuell durchsichtigem Filter schon ausgeprägte Effekte |
Nachteile: |
- starkes Korn- Schärfe eingeschränkt |
Anwendbarkeit: |
Spezialfilm |
Preis: |
hoch |
Konica IR 750
Empfindlichkeit allgemein: |
gering |
Empfindlichkeit IR |
mittel bis gering |
Wood-Effekt ab Filter: |
Rot (#25 oder #29) |
Vorteile: |
- visuelle Empfindlichkeit gering und vorwiegend im Blauen, daher auch mit visuell durchsichtigem Filter schon ausgeprägte Effekte |
Nachteile: |
- geringe Empfindlichkeit |
Anwendbarkeit: |
Spezialfilm |
Preis: |
hoch |
Ilford SFX
Empfindlichkeit allgemein: |
hoch |
Empfindlichkeit IR |
gering |
Wood-Effekt ab Filter: |
RG 715 (unter günstigen Bedingungen) |
Vorteile: |
- "Allround" |
Nachteile: |
- relativ starkes Korn |
Anwendbarkeit: |
konventioneller Film mit verbesserter Darstellung bei Rotfilterung |
Preis: |
mittel |
MACO IR 820c
Empfindlichkeit allgemein: |
mittel |
Empfindlichkeit IR |
mittel bis vergleichsweise hoch |
Wood-Effekt ab Filter: |
RG 665 |
Vorteile: |
- deutliche IR-Empfindlichkeit daher mit visuell noch eben durchsichtigem Filter schon ausgeprägte Effekte |
Nachteile: |
- umständliche Handhabung (Filmwechsel in völliger Dunkelheit erforderlich) |
Anwendbarkeit: |
einsetzbar als IR-Film und eingeschränkt als panchromatischer Film |
Preis: |
mittel bis günstig |
MACO IR 750c
Empfindlichkeit allgemein: |
mittel |
Empfindlichkeit IR |
mittel bis gering |
Wood-Effekt ab Filter: |
RG 665, besser RG 695 |
Vorteile: |
- feines Korn |
Nachteile: |
- vergleichsweise geringe IR-Empfindlichkeit, daher für ausgeprägten IR-Effekt strenge Filter nötig, folgerichtig meist stativgebunden |
Anwendbarkeit: |
einsetzbar als panchromatischer Film und IR-Film |
Preis: |
mittel bis günstig |
MACO CUBE 400c
Empfindlichkeit allgemein: |
hoch |
Empfindlichkeit IR |
gering |
Wood-Effekt ab Filter: |
RG 715 (unter günstigen Bedingungen) |
Vorteile: |
- hochempfindlicher "Allround" |
Nachteile: |
- ausgeprägtes Korn |
Anwendbarkeit: |
einsetzbar als panchromatischer Film und IR-Film |
Preis: |
günstig |
Bezugsquellen
Wichtig bei allen IR-Filmen ist sachgerechte (d.h. insbesondere kühle) Lagerung. Wer IR-Filme kauft, die über längere Zeit nicht gekühlt gelagert wurden, ist selber schuld.
Zu den einzelnen Filmen:
Kodak HIE bieten viele Firmen an (nicht mehr erhältlich).
Konica IR 750 müssen Sie suchen, zumal der Film nur einmal im Jahr gefertigt und ausgeliefert wird (nicht mehr erhältlich).
Der Ilford SFX ist verfügbar.
MACOs IR-Filme bekommen Sie bei vielen Firmen, z.B. bei Monochrom (www.monochrom.de), und auch direkt bei MACO (E-Mail:
Thomas Wollstein
April 2002
Der nicht auch noch! Das werden jetzt vielleicht einige von Ihnen sagen. Noch ein Artikel, der die "guten alten Zeiten" predigt, da ein Tri-X die Spitze der technischen Möglichkeiten definierte und die Welt noch in Ordnung war.
Aber keine Sorge. Ich möchte Ihnen keine Meinung verpassen, sondern Ihnen wertfrei Entscheidungshilfen geben und Sie vor ein paar Fallstricken warnen, wenn Sie sich die entscheidende Frage stellen:
Mache ich's analog oder digital?
Sehen wir es einmal realistisch: Der Trend im Massenmarkt der bunten und vielen Knippsbilder, und auch der Trend in der professionellen, medienorientierten und auf kurzlebige Produkte (ich zögere, sie "Werke" zu nennen) ausgerichteten Fotografie geht ganz klar in Richtung digital. Und das ist auch gut so. Aus meiner Sicht bedeutet das eine deutliche Entlastung der Umwelt von einer Menge problematischer Chemie. Zwar ist ein Profilabor heute durch behördliche Auflagen schon sehr weitgehend im Sinne einer fachgerechten Entsorgung festgelegt, und auch die Erzeugung von Computer-Hardware ist nicht gerade ein "Öko"-Verfahren, aber alles in allem scheint mir die Ökobilanz speziell bei hohen Bildzahlen bei digitaler Be- und Verarbeitung doch günstiger.
Aber das soll uns hier nicht interessieren. Uns geht es hier in ganz egoistischer Weise darum festzustellen, welcher Schuh uns, Ihnen und mir, am besten passt. Und dazu möchte ich Ihnen ein paar Kriterien liefern.
Die Aufnahme: Digitale Kameras
Pixelzahl
Der Markt im Bereich Digitalfotografie entwickelt sich rasant, wie wir es von den Computern seit gut ein bis zwei Jahrzehnten kennen. War vor einem Jahr eine 2,1-Megapixel-Kamera noch etwas Tolles, so ist sie heute schon fast out. 10-Megapixel-Kameras sind im Kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man die Klamotten von heute nur noch mit einem mitleidigen Lächeln betrachtet.
Dabei lassen sich damit schon gute Bilder machen! Wer sowieso nur bis DIN A 5 oder etwa 13x18cm vergrößert, der kann mit einer 2,1-Megapixel-Kamera schon mehr als zufrieden sein. Und auch DIN-A 4-Ausdrucke, oder rund 20x30cm, sehen gar nicht übel aus.
Aber das ist ja auch gar nicht der Punkt bei der digitalen Erneuerungstaktik, oder? Es ist der Spieltrieb! Wie die Kindergartenkinder sind wir stolz auf unsere 4,72 Megapixel, weil Heinz-Rudolf nur 4,65 hat. Dass seine Bilder von unseren in der Qualität gar nicht zu unterscheiden sind, ist da nicht so entscheidend.
Nun ja, nach der Polemik ein paar Fakten, deren Bewertung allerdings teilweise durch meine persönlichen Sehgewohnheiten geprägt ist:
Ich behaupte jetzt einmal, dass Sie bis zum Format 13x18cm (oder DIN A 5) mit einer 2,1-Megapixel-Kamera sehr gute Bilder machen können, auch noch gute bis rund 20x30cm oder DIN A 4.
Wenn Sie das als gegeben akzeptieren, können Sie leicht weiterrechnen: Um die doppelte Bildfläche in gleicher Qualität zu "belichten", brauchen Sie doppelt so viele Pixel, also rund 4 bis 5 Megapixel, usw. usw., immer vorausgesetzt, dass die Qualität des Objektivs entsprechend mit zunimmt oder noch nicht ausgeschöpft ist. Die Pixelzahl ist nämlich bestenfalls die halbe Wahrheit. Eine 10-Megapixel-Kamera mit einem Flaschenboden als Objektiv kann keine tollen Fotos machen, wie auch bei analogen Kameras ein Kodak Technical Pan mit dem absolut unschlagbaren Schärfeentwickler nichts nützt, wenn Sie mit einem minderwertigen Objektiv fotografieren, von den anderen Bedingungen für scharfe Bilder (Verwacklungsfreiheit und korrekte Einstellung) einmal abgesehen, denn die sind für analoge und digitale Bilder gleich oder zumindest ähnlich.
Wenn Sie an die Grenzen der Auflösung vorstoßen wollen, haben derzeit analoge Kameras (zumindest im Amateurbereich) noch die Nase vorn. Die Auflösung hochauflösender Filme wie Kodak Technical Pan oder Agfa Copex Rapid ist für Digitaltechnik unerreichbar.
Vielseitigkeit
In diesem Punkt sind Digitalkameras kaum zu schlagen: Farb- und Schwarzweißaufnahmen, oben drauf noch Infrarot (dafür ist allerdings wie bei konventioneller Technik ein IR-Filter nötig, und auch nicht jede Digitalkamera kann es), Aufnahmen mit ISO 50/18° und mit ISO 6400/39° (diese Bandbreite erreichen auch nur einige Kameras, längst nicht alle!), alles in einem Gehäuse und ohne Filmwechsel, der teilweise sogar noch im Dunkeln (IR) erfolgen muss, einfach durch Auswahl im Menü umschaltbar, das kann Ihnen keine analoge Kamera bieten. Eine Digitalkamera kann das dagegen leicht. Hier gewinnt die Digitaltechnik.
Schlepperei
Man könnte denken, dass nach dem vorangegangenen Abschnitt auch hier die Digitaltechnik "gewinnt", weil man ja mehrere Gehäuse einsparen kann. Das stimmt aber nur bedingt. Die für die Aufnahme mitzuschleppende Ausrüstung wird in der Tat dank der Vielseitigkeit der Digitaltechnik weniger, aber wenn Sie auf eine Reise gehen, auf der Sie viele Bilder aufnehmen werden, reicht Ihnen der Speicher in Ihrer Kamera meist nicht, und Sie brauchen Zusatzspeicher. Sie können viele Speicherkarten mitführen, die dann allerdings auch ihren Preis haben, oder aber Sie nutzen Hilfsmittel wie Notebook oder spezielle Festplattenlaufwerke o.ä., auf denen Sie die in Ihrer Kamera gespeicherten Bilder bis zur weiteren Verarbeitung parken. Hier hat die Digitaltechnik also allenfalls einen geringen Vorteil.
Systemkameras
Nikon, Canon und Konsorten bieten Kameras an, die mit den vorhandenen Zubehörteilen eines Systems kompatibel sein sollen. Man kann also z.B. eine vorhandene Objektivpalette weiter nutzen. Klingt toll, nicht? Einen Schönheitsfehler hat die Sache allerdings: Die CCD-Arrays in den "kompatiblen" Kameras sind i.d.R. nicht so groß wie ein KB-Negativ, sondern ein Stück kleiner. Konsequenz: eine effektive Brennweitenverlängerung. Der Stolz des Landschaftsfotografen, das teuer erstandene 20-mm-Weitwinkel, wird zu irgend etwas zwischen 26 und 34 mm, gar nicht mehr so beeindruckend. Natürlich wird nicht wirklich die Brennweite länger, sondern die Werte geben an, welche Brennweite bei KB dieselbe Bildwirkung haben würde wie Brennweite X bei kleinerem Format. Die Faktoren, mit denen Sie die KB-Brennweite multiplizieren müssen, um das Äquivalent bei der digitalen Systemkamera zu errechnen, reichen bei den gegenwärtig verfügbaren Kameras von 1,3 bis 1,7.
Eine Ausnahme gibt es jetzt: Contax beabsichtigt, diesen Monat die Contax N auf den Markt zu bringen, die ein CCD-Array mit 24x36mm mit gut 6 Megapixeln hat. Bei dieser Kamera bleibt das 20-mm-WW ein 20-mm-WW, allerdings wird sie auch für rund 10000 EURO über den Tresen wandern. Doch wie wir wissen, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis andere Hersteller mit preiswerteren Modellen nachziehen werden, und in ein oder zwei Jahren ist diese Neuheit dann schon gängig.
Schnelligkeit (nach der Aufnahme)
Auch hier gewinnt eindeutig die Digitaltechnik. Mit analoger Technik ist es einfach nicht drin, ein Foto, das ich eben aufgenommen habe, ein paar Minuten nach der Heimkehr auszudrucken oder per Mail an Freunde und Bekannte zu senden. (Polaroids lasse ich einmal außen vor: Die aus den Polaroid-Knipskameras sind von bescheidener Qualität, und jedes Bild ist per se ein Unikat, und die aus Polaroid-Rückenteilen für Großformatkameras spielen in einer anderen Liga.)
Schnelligkeit (bei der Aufnahme)
Das ist eine Domäne, in der die meisten Digitalkameras überhaupt nicht glänzen. Vor kurzem klagte mir ein Bekannter seinen Frust darüber, dass seine neue Digitalkamera, wiewohl die Bilder von der Auflösung her prima wären, immer erst auslöse, wenn seine quirlige Tochter schon aus dem Bild verschwunden sei. Viele Digitalkameras, speziell bei den preiswerteren Modellen, haben endlos anmutende Auslöseverzögerungen und eignen sich daher nicht für Schnappschüsse. Aber wiewohl einem der Verkäufer im Laden gerne einen Haufen Zahlen ("X Megapixel, Y Millionen Farben, usw.) um die Ohren haut, den Kennwert "Auslöseverzögerung" kennt er oft nicht, oder er "vergisst" darauf hinzuweisen. Auch Serienaufnahmen sind noch bei einigen Kameras nur mit geringerer Bildfolgefrequenz möglich als bei motorunterstützten SLRs. Dafür haben sie dann aber Leistungsmerkmale wie "Panoramafunktion" und "kurze Filmsequenzen" (oft mit bescheidener Auflösung), bei denen man sich wirklich fragen sollte, ob man sie braucht oder ob es sich um Spielerei handelt.
Meine analogen Kameras jedenfalls lösen dann aus, wenn ich auf den Auslöser drücke, allenfalls kaum merkbare Bruchteile von Sekunden später, wenn ein dicker Spiegel aus dem Weg geräumt werden muss.
Nie wieder Korn?
Das könnte man denken, denn die Art der Bildaufzeichnung ist eine andere bei Digitalkameras. Die Anzahl der Pixel bleibt ja immer gleich, und da sollte doch auch die "Körnigkeit" immer gleich bleiben, richtig? Falsch! Wenn Sie eine Digitalkamera auf eine höhere Empfindlichkeit einstellen, drehen Sie an einem Verstärker, der das vorhandene schwächere Signal stärker verstärkt, um es durch die nachgeschaltete Elektronik auswertbar zu machen. Es passiert aber dasselbe wie bei einem Radio, wenn Sie bei einem schwachen Sender die Lautstärkeregelung aufdrehen: das Rauschen wird auch verstärkt. Was beim hochempfindlichen Film das Korn, ist bei der digitalen Bildverarbeitung mit hoher Empfindlichkeit das Rauschen. Im Bild sieht es tatsächlich dem Filmkorn oberflächlich ähnlich.
Preis
Was ich zuvor über Qualität sagte, gilt hier verschärft: Was heute an digitaler Technik zu teuer ist, wird einem morgen als veralteter Trödel nachgeschmissen. Das sind gute Nachrichten, wenn Sie digital fotografieren möchten und Ihre Anforderungen stabil sind und sich nicht mit dem Stand der Technik (Stichwort Spieltrieb) fortentwickeln. Warten Sie einfach ab, und Sie können sich morgen die heute unerschwinglichen Top-Geräte leisten. Es sind schlechte Nachrichten, für den der hofft, seine gebrauchten Geräte bei gewachsenen Anforderungen wieder weiterverkaufen zu können: Der Kram wird hoffnungslos veraltet sein. Anders analoge Technik: Die veraltet nicht , sondern wird oft zum "Klassiker". Für ein Nikon FM Gehäuse blättern Sie bei gutem Zustand auch heute, nach immerhin rund 25 Jahren, noch etwa 250 EURO auf den Tresen.
Aber wie sieht es mit dem Preis/Leistungsverhältnis aus, der Bildqualität bei gegebenem Preis? Die Qualität, die Sie mit einer Nikon FM für 250 EURO mit einem gebrauchten Nikkor für vielleicht noch einmal 100 EURO, also alles in allem unter 400 EURO hinbekommen, oder mit einer Minox oder Rollei 35 mit deren legendären Objektiven, bekommen Sie digital in dieser Preisklasse noch lange nicht, heute nicht, und wohl auch nächstes Jahr noch nicht.
Soviel zu einigen praktischen Aspekten und zur Aufnahme. Betrachten wir den Output, das, was man früher Vergrößern und heute neudeutsch immer öfter Printen nennt:
So kommen die Bilder aufs Papier: Drucker usw.
Bildqualität/Auflösung
In letzter Zeit hat sich auch hier die Technik rasant fortentwickelt. Mein alter HP Deskjet 500 C, 300 DPI Auflösung, bei Farbdruck mit einem furchtbar grünstichigen Schwarz (weil man bei Farbdrucken die schwarze Kartusche durch die Farbkartusche ersetzen musste und das Schwarz durch Übereinanderdrucken von Gelb, Magenta und Cyan zustande kam), war anno 1993 sauteuer und ein prima Gerät im Bereich Amateurtechnik, um das mich der eine oder andere Kollege beneidete. Heute bekomme ich für dasselbe Geld drei Drucker mit 5- bis 10facher Auflösung, die wirklich in Fotoqualität drucken. Die zuhause gedruckten Fotos sind noch teurer als die Minilab-Kopien aus dem Drogeriemarkt an der Ecke, aber auch um Längen besser. Was die Drucke teurer sind, spare ich dadurch ein, dass ich nicht, weil ja Erstkopien billiger sind, den ganzen Film erst einmal vergrößern lasse und dann die mistigen Bilder wegwerfe, sondern nur das ausdrucke, was mir wirklich gefällt. (Ich weiß, Sie werden jetzt auf das Rückgaberecht für misslungene Bilder verweisen, aber mal ehrlich: Bin ich wirklich der einzige Mensch, der so wischi-waschi ist, dass er nachher doch mehr Bilder be-zahlt hat als eigentlich gute dabei waren, weil die Kassiererin so böse guckt, wenn man welche zurückgibt oder weil es mir vielleicht peinlich ist, dass mir dieser oder jener Schuss misslungen ist?)
Kurz und gut: Mit einem durchaus nicht mehr so teuren Fotodrucker brauchbarer Qualität können Sie mit wenig Aufwand (und viel mehr Spaß an eigener Leistung) bessere Bilder hinbekommen als alle Läden, bei denen Ihre Bilder unpersönlich und maschinell verarbeitet werden.
Verarbeitung in der eigenen Duka und im Fachlabor sind natürlich etwas ganz anderes. Die Bildqualität hängt sehr von Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten (oder denen des Fachlaboranten) ab, und Sie können exzellente Resultate erzielen, die mit denen eines Minilabs nicht zu vergleichen sind, wohl aber mit denen eines Druckers bei guter digitaler Verarbeitung.
Beständigkeit der Bilder
Bis vor relativ kurzer Zeit hätte ich es mir an dieser Stelle noch einfach machen können. Die meisten Farbdrucker waren für Präsentationen und ähnlich kurzlebige Druckerzeugnisse gedacht, und die Lichtechtheit der Ausdrucke mit dem Wort "bescheiden" zu bezeichnen war noch gestrunzt. Beispielsweise wurde den Ausdrucken eines namhaften Druckerherstellers mit Originaltinten von Wilhelm Imaging, der Autorität bezüglich der Lebensdauer von Bildern aller Art, deutlich sichtbares Verblassen nach nur 6 Monaten attestiert. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten als Hochzeitsfotograf und verkaufen dem glücklichen Paar einen Haufen tolle Bilder für das Familienalbum, und die Bilder fangen nach so kurzer Zeit an zu verblassen! (OK, OK, man könnte angesichts der Dauerhaftigkeit vieler Ehen heute bessere Beispiele ersinnen, aber trotzdem!)
Es gab zwar schon dauerhaftere Druckverfahren (z.B. Iris-Prints), aber die waren für den Amateur unerschwinglich. Epson war m.W. vor etwa ein bis zwei Jahren der Vorreiter mit farbstoffbasierten Tinten für den Heimmarkt, deren Lichtechtheit mit "bis zu 15 Jahren" (geeignetes Papier vorausgesetzt) angegeben wurde. Epson führt auch heute noch den Markt an mit pigmentbasierten Tinten, die (wieder geeignetes Papier vorausgesetzt) für "mindestens 100 bis 200 Jahre lichtecht" bleiben sollen, und diese Zahl ist nicht nur O-Ton Epson, sondern wird von Wilhelm Imaging Research bestätigt.
Dem kommt kaum ein nasschemisch erzeugtes Farbfoto nahe, und auch bei SW-Bildern muss man schon ein bisschen über die Standardverarbeitung hinausgehen, um das zu erreichen. Die Dauerhaftigkeit von SW-Bildern war schon verschiedentlich mein Thema in dieser Kolumne. Sie wird durch Einflussgrößen wie Fixage, Wässerung, Tonung usw. beeinflusst, und man kann leicht eine Menge falsch machen. Kaufen Sie aber z.B. einen Drucker wie den erwähnten von Epson und verwenden die zugehörige Tinte und das richtige Papier, können Sie praktisch nichts falsch machen. Das Papier kann eben nicht durch Schluderei Fixierbadreste oder andere Chemikalien enthalten.
Die Haltbarkeit der Bilder hängt immer von Tinte und Papier ab. Eine Reduzierung der Haltbarkeit auf 20 % des vom Tintenhersteller genannten Wertes durch die Wahl eines ungeeigneten Papiers ist leicht drin.
Bevor Sie jetzt zum nächsten Epson-Vertragshändler laufen und den besagten Epson-Drucker kaufen, muss ich allerdings noch zwei Tropfen Wermut in den Wein gießen:
1. Pigmentbasierte Tinten haben zwangsläufig eine schmalere Farbbandbreite als farbstoffbasierte. Allerdings merkt man das nur, wenn man sehr genau hinschaut. Viele Leute sprechen auch davon, dass Drucke mit den farbstoff- und pigmentbasierten Tinten nebeneinander praktisch ununterscheidbar sind.
2. Ernster ist eine Einschränkung, die SW-Fotografen betrifft: Die pigmentbasierten Tinten neigen verstärkt zu Photometamerismus, was heißt, dass die mit diesen Tinten gefertigten Drucke unter verschiedenen Beleuchtungen Farbstiche aufweisen können. Den SW-Ausdrucken besagten Epson-Druckers wird z.B. nachgesagt, dass sie unter Tageslicht einen deutlichen Grünstich, besonders in den Mitteltönen, aufweisen, der unter Glühlampenbeleuchtung nicht auftritt. Es wird sogar behauptet, diese Tinten seien für SW-Bilder ungeeignet. Ob einen das stört, findet man am besten selbst heraus, indem man sich Probeausdrucke anfertigen lässt.
Gesundheitsschutz
Zur Ökobilanz hatte ich ja oben schon etwas ausgeführt. Ich sehe mich außer Stande, hier eine eindeutige Entscheidung zu treffen. Anders sieht es beim Gesundheitsschutz aus: Eine Duka-Atmosphäre ist nicht gerade gesunde Bergluft. Sie enthält je nach der verwendeten Chemie reizende bis ungesunde Gase (z.B. Schwefeldioxid aus Fixierbädern, Formaldehyd aus Lith-Entwickler, diverse Lösemittel) und Stäube (jedes bisschen verschüttete Suppe, die nicht sofort aufgewischt wird, trocknet ein und wird zu chemisch aktivem Staub!). Darüber hinaus kommt man beim Hantieren mit den Chemikalien immer einmal wieder auch mit diesen in Kontakt.
Anders bei digitaler Technik: Auch hier verdunstet beim Drucken vermutlich der eine oder andere Milliliter Lösemittel aus der Tinte, aber die Exposition dürfte doch deutlich geringer sein als bei konventioneller nasschemischer Verarbeitung. Kontakt mit Chemikalien entfällt völlig. Es häufen sich im Internet Berichte von Leuten, die gegen bestimmte Entwicklersubstanzen oder ihre Dukachemie allgemein allergisch geworden sind und die nun Dank digitaler Technik wieder einen verträglichen Zugang zur Bildbearbeitung gefunden haben. Auch in der Schwangerschaft ist es sicherlich weniger problematisch, wenn man seine Bilder statt mit der Nase über einer Schale mit ungesunder Chemie vor einem (heute natürlich sowieso strahlungsarmen) Monitor bearbeitet.
Verbrauchsmaterialien
Erfreulicherweise ist die Auswahl an Papieren für Drucker inzwischen mindestens ebenso groß wie bei konventionellen Fotopapieren (oder sind es schon mehr?). Vom ultraglänzenden Fotopapier mit um die 200 g/m2 bis zum Aquarellpapier bekommen Sie alles. Computerdrucken sieht man daher ihre Herkunft nicht mehr zwangsläufig an.
Bei den Tinten hatten wir schon die Frage der Lichtbeständigkeit angesprochen. Wenn Sie nicht zu den superbeständigen und trotzdem gegenüber konventionellen Tinten nur rund 10 % teureren (beachten Sie aber, dass der zugehörige Drucker teurer ist als andere!) "Jahrhundert-Tinten" greifen wollen, bekommen Sie für einige der verbreiteteren Druckermodelle auch von Fremdherstellern (z.B. Luminos oder Lyson, um nur zwei zu nennen) Tinten, deren Haltbarkeit wesentlich besser ist als die der Originaltinten. Hier konkrete Zahlen anzugeben ist genau wie bei konventionell erzeugten Bildern nicht möglich, da neben Tinte und Papier auch die Lagerungs- bzw. Ausstellungsbedingungen die Haltbarkeit wesentlich beeinflussen. Z.B. sind viele Tintenstrahldrucke bei Lagerung "an einem dunklen, trockenen und kühlen Ort" viel länger beständig als vom Hersteller angegeben. Die Herstellerangaben für die Lichtechtheit beziehen sich i.d.R. auf "normale Innenraumbeleuchtung", und Licht, Wärme und Feuchte knabbern an silberbasierten Bildern in ähnlicher Weise wie an Tintenstrahldrucken.
Der Preis für einen Tintenstrahldruck (Papier + Tinte) streut ungefähr genauso wie der für ein Foto (Papier + Chemie) und liegt bei beiden in ähnlichen Größenordnungen.
Wenn Sie sich einen Drucker vorrangig unter Ersparnis-Gesichtpunkten aussuchen, sollten Sie eine Vollkostenrechnung anstellen. Lassen Sie sich nicht zu leicht durch Billigmacher-Angebote verleiten: Ich erinnere mich noch an den Frust meines Chefs, der einen sehr preiswert anmutenden Drucker gekauft hatte, aber sehr bald merkte, dass zwei neue Kartuschen für dieses Model so viel kosteten wie der ganze Drucker, während die Tinten bei einem teureren Modell wesentlich günstiger waren und so auf lange Sicht der teurere Drucker der sparsamere war. Ein realistischer Vergleich ist nur möglich, wenn Sie sich Angaben dazu verschaffen, wie viele Drucke Sie über den Daumen aus einer Kartusche herausholen können und was die Kartusche kostet. Wenn der billige Drucker dann noch immer der billigere ist, können Sie ihn kaufen, vorausgesetzt, die technischen Merkmale (darunter auch Haltbarkeit der Drucke) stimmen auch.
Beachten Sie auch, dass Fotodrucker nicht immer auch gute Bürodrucker sind. Mancher Fotodrucker druckt auf "Schreibmaschinen"papier (heute wohl eher Kopiererpapier) hanebüchen schlecht und zudem langsam.
Hybridverarbeitung: Aus Analog wird Digital
Eine gemischte Verarbeitung wird angesichts der noch vorhandenen Nachteile digitaler Kameras (v.a. noch hoher Preis hochauflösender Digitalkameras, Langsamkeit) von vielen Fotografen genutzt. Auch die Weiternutzung vorhandener Ausrüstung ist ein Argument. Zwar nehmen Sie so auch die Nachteile der analogen Fotografie (wie die schwere Ausrüstung) mit in Kauf, aber hinsichtlich des Verhältnisses von Qualität zu Investition ist ein guter Filmscanner in Verbindung mit vorhandener Kameraausrüstung einer neuen Digitalkamera meist deutlich überlegen. Die Möglichkeit, mit einer Kamera SW- und Farbaufnahmen zu machen, haben Sie hier auch, wenn Sie Farbmaterial verwenden. Die Umsetzung in Graustufenbilder ist kein Problem und gibt Ihnen sogar eine Menge Spielraum im Sinne nachträglicher "Filterung".
Bei den Scannern für Amateure sind drei Klassen zu unterscheiden:
1. Flachbettscanner mit Durchlichteinheit sind i.d.R. am preisgünstigsten. Die Auflösungen der Spitzengeräte reichen mit 1200 bis 2400 DPI inzwischen schon recht nahe an die der einfacheren Filmscanner heran oder übertreffen diese sogar. Auch die verwertbaren Dichteumfänge wachsen. Diese beiden Parameter sind die wesentlichsten, auf die Sie beim Kauf eines Scanners achten sollten. Ein mit 1200 DPI gescanntes KB-Negativ entspricht in der Pixelzahl ungefähr dem Bild einer 2,1-Megapixel-Kamera. Zu deren Beschränkungen hatte ich oben bereits etwas gesagt. Beim Dichteumfang gilt "Je mehr, desto besser", insbesondere, wenn Sie mit dem Gedanken spielen, auch Dias zu scannen. Auch einige Flachbettscanner bieten heute schon die Möglichkeit der Bildretusche (Staub und Kratzer entfernen), wobei ich mangels Erfahrung nicht sagen kann, wie wirksam diese Funktion im Vergleich zu der bei einem Filmscanner ist (s.u.). Mit meinem Flachbettscanner habe ich die Erfahrung gemacht, dass er wesentlich staubanfälliger ist als mein Negativscanner. Ich führe das auf das für statische Aufladung empfindlichere Kunststoffgehäuse zurück. (Mein Filmscanner hat ein Metallgehäuse.) Eine weitere, allen Scannern gemeinsame Kenngröße ist die Farbtiefe. Wenn ein Scanner die Bilder mit höherer Farbtiefe scannt und an den Computer übergibt, heißt das, dass die Farben gleichmäßiger abgestuft eingelesen werden. Es heißt auch, dass dasselbe Bild mehr Speicherplatz benötigt. Beachten Sie, dass nicht alle Bildbearbeitungsprogramme Bilder mit beliebig hohen Farbtiefen bearbeiten können oder zumindest nicht mit allen Funktionen.
2. Filmscanner der Einstiegsklasse bieten gegenüber Flachbettscannern als Vorteil oft die Möglichkeit der Batchverarbeitung, d.h. Sie können einen ganzen Streifen von Negativen (je nach Modell 4 bis 36 Aufnahmen, meist aber 6) ohne Benutzereingriff einscannen. Das ist aus meiner Sicht ein sehr nützliches Merkmal.
3. Filmscanner der Mittelklasse bieten neben größerem Dichteumfang und besserer Auflösung noch nützliche Zusatzfunktionen wie Staubretusche, Kornminimierung und Farbrestaurierung verblasster Dias oder Negative. Beachten Sie, dass die Staubretusche i.d.R. nur bei chromogenen Filmen funktioniert, nicht aber bei silberhaltigen Negativen, also wohl bei chromogenen SW-Bildern (wie Ilford XP, Kodak CN und Konsorten), aber nicht bei silberbasierten SW-Negativen oder -Dias. Das liegt am Verfahren: Die Staubretusche basiert darauf, dass zusätzlich zum eigentlichen Scan ein Infrarotscan durchgeführt wird. Die Bildfarbstoffe sind für infrarotes Licht transparent, also praktisch nicht vorhanden. Nicht so der Staub (und das Bildsilber konventioneller SW-Filme). Aus der Differenz der Scans im sichtbaren und infraroten Bereich lässt sich erkennen, was Staub ist und was Bild und so der Staub weitgehend eliminieren. Kornminimierung basiert lt. Nikon-Prospekt auf einer "Glättung des Mikrokontrastes" und kann nach meinem Empfinden den Schärfeeindruck nachteilig beeinflussen. Die Farbrestaurierung konnte ich noch nicht testen, aber ich kann mir vorstellen, dass sie nützlich sein kann.
Es gibt natürlich noch tollere Scanner, z.B. mit 8000 DPI und sagenhaft anmutenden Dichteumfängen, aber die kosten auch eine Kleinigkeit (so um die 10.000 bis 20.000 EURO). Daher werde ich sie hier nicht weiter betrachten.
Umgekehrt geht auch: Aus Digital wird Analog
Liebhaber so genannter alternativer Prozesse wie Cyanotypie, Platindruck und wie sie alle heißen, brauchen ein Negativ, das so groß ist wie das Bild, das sie erzeugen wollen, weil diese Prozesse Kontaktkopierprozesse sind. Nichts leichter als das: Drucken Sie Ihr digital vorliegendes Bild auf Overheadfolie! Es gibt pfiffige Verfahren, die sogar den Nachteil vieler Folien, nämlich die für manche Prozesse mangelhafte erreichbare Maximaldichte, umgehen.
Platz da!
Abschließend noch ein Wort zu den "Systemanforderungen": Wenn Sie die Leistungsmerkmale Ihrer digitalen Ausrüstung zusammenstellen, beachten Sie auch die des dafür benötigten Computers. Man sagt als Faustregel, dass sich dann mit einer Bilddatei einigermaßen komfortabel arbeiten lässt, wenn der Arbeitsspeicher (RAM) des Computers mindestens dreimal so groß ist wie die zu verarbeitende Datei. Ein KB-Farbnegativ oder -dia, mit knapp 3000 DPI gescannt, ergibt bei 8-Bit-Ausgabe an den Rechner eine Datei mit fast 40 MB. Bei den heute üblichen 128 oder 256 MB ist das kein Problem mehr, wohl aber bei älteren Schätzchen. Auch die Festplattenkapazität sollte nicht zu klein sein, wenn Sie nicht allenthalben Bilder auslagern möchten. Planen Sie also einen Ein- oder Umstieg, prüfen Sie auch, welche Kosten für einen neuen Computer evtl. noch auf Sie zukommen.
Die Kreativität
Digital oder Analog? Diese Frage sollte man nicht in dieser Ausschließlichkeit stellen. Beide Techniken haben Ihre Vor- und Nachteile und beide zu nutzen bedeutet, die eigenen kreativen Möglichkeiten zu erweitern.
Digitale Bildverarbeitung hat sicher als ein ganz großes Plus aufzuweisen, dass sie viel leichter erlernbar ist, weil das Ausprobieren mühe- und risikoloser geschieht und die Rückkopplung unmittelbarer ist. Wenn ich ein nasschemisch erzeugtes Bild tone, muss ich den fraglichen Abzug mehrfach anfertigen für den Fall, dass die Tonung mir nicht zusagt, denn rückgängig machen kann ich sie nicht. Tone ich unter Photoshop, drücke ich STRG+Z (Rückgängig machen), und - Simsalabim - ist die "Selentonung" wieder verschwunden. Genau so schnell sind andere Manipulationen ausprobiert, und nicht ein Blatt Papier wird dafür versägt. Dies ermutigt einfach mehr zum Spielen, einer Voraussetzung des Lernens.
Damit Sie kein schiefes Bild kriegen ...
Thomas Wollstein
April 2002
Märchenstunde: Beim Vergrößern muss man stark abblenden, um die optimale Abbildungsleistung des Objektivs zu erzielen
Haben Sie auch schon einmal die Behauptung gehört oder gelesen, die Abbildungsleistung beim Vergrößern sei optimal, wenn man mindestens zwei bis drei Stufen abblende?
Glauben Sie sie nicht!
Oder zumindest nur eingeschränkt.
Der von mir sehr geschätzte Autor Ctein hat durch umfangreiche Messungen bereits vor einigen Jahren gezeigt, dass die beste Abbildungsleistung i.d.R. beim Abblenden um etwa anderthalb Stufen erreicht wird, d.h. bei KB bei Blende 4-5,6, bei MF und GF entsprechend höher. Bei weiterem Abblenden wird die Abbildungsleistung wieder schlechter.
Wieso hält sich diese Behauptung trotzdem so hartnäckig?
Ich vermute es liegt daran, dass verschiedene Dinge in einen Topf geworfen werden. Stoßen wir also zum Kern der Sache vor:
Leichtes Abblenden eliminiert Randlichtabfall und Randunschärfen
Stimmt. Wenn Sie Ihr Objektiv bei voller Öffnung benutzen, haben Sie i.d.R. einen stärker ausgeprägten Randlichtabfall, und auch die Schärfe kann bei manchen Objektiven in den Randbereichen sichtbar nachlassen. Also blenden Sie um eine oder zwei Stufen ab.
Abblenden vergrößert die Schärfentiefe
Stimmt auch. Und hier liegt vermutlich der Hase im Pfeffer. Sie brauchen aber idealerweise gar keine Schärfentiefe, denn Sie bilden ein ebenes Objekt auf eine ebene Fläche ab. Beide haben keine Tiefe, wenn alles in Ordnung ist. Wenn aber Ihr Vergrößerer nicht sauber ausgerichtet ist, ist meist nur ein Teil des projizierten Bildes scharf. Blenden Sie jetzt ab, überdeckt die zusätzliche Schärfentiefe möglicherweise die Auswirkungen der mangelhaften Ausrichtung.
Insofern haben Sie tatsächlich die Abbildungsleistung durch Abblenden erhöht, aber nur durch Überdecken eines Symptoms, und optimale Schärfe haben Sie so nicht. Die bekommen Sie erst, wenn Sie das System sauber ausrichten und die optimale Blende wählen.
Anzeichen mangelhafter Ausrichtung
Mangelhafte Ausrichtung macht sich durch zwei Dinge bemerkbar: Trapezförmige Verzeichnung und partielle Unschärfe des projizierten Bildes.
Verzeichnung
Wenn die Ebenen Ihres optischen Systems nicht parallel sind, sind z.B. obere und untere bzw. linke und recht Kante des Negativs nicht gleich weit vom Grundbrett entfernt, wodurch der Vergrößerungsmaßstab nicht übereinstimmt. Dann ist z.B. die Oberkante des Bildes länger als die Unterkante. Das führt zu einer trapezförmigen Verzeichnung des Negativformats. (Denselben Effekt nutzt man bei der Entzerrung nach Scheimpflug gezielt aus.) Projizieren Sie ein Negativ ohne Beschneidung durch Formatmasken auf das Grundbrett und messen Sie es nach. Wenn die beiden Seitenpaare jeweils gleich lang sind, ist das schon ein Zeichen, dass keine ganz katastrophale Fehlausrichtung vorliegt. Sehr empfindlich ist die Methode allerdings nicht.
Partielle Unschärfe des projizierten Bildes
Aus demselben Grund wie bei der Verzeichnung (unterschiedliche Abstände der verschiedenen Partien des Negativs von der Projektionsebene) ist - zumindest bei offener Blende - keine durchgängige Schärfe zu erzielen. Aus der Anordnung scharfer und unscharfer Ecken und aus dem Verhalten bei Veränderung der Scharfstellung lassen sich Rückschlüsse auf die Ausrichtung ziehen. Stellen Sie sich zur Veranschaulichung die Negativebene vor wie eine Platte, die auf einem Bleistift liegt, der wiederum auf einer anderen Platte liegt. Betrachten Sie Bild 1: Die Rechtecke mit dem Blindtext unter der jeweiligen Prinzipskizze der Seitenansicht von Negativ, Objektiv und Projektionsbild veranschaulichen die Schärfe im Projektionsbild. Es sind teilweise verschiedene Lagen der Schärfeebene relativ zur Projektionsebene eingezeichnet, gekennzeichnet durch verschiedene Farben. Das "Projektionsbild" gehört jeweils zur Schärfeebene mit derselben Farbe.
- Bei sauberer Ausrichtung ist das gesamte Negativ scharf. Alles prima.
- Liegt der fiktive Bleistift parallel zu einer der Bildkanten, d.h. ist die Negativebene längs oder quer gekippt, sieht Ihr Negativ aus wie bei (2) oben oder unten: Es ist ein Streifen scharf, der sich quer oder längs über das Negativ erstreckt. Wenn Sie die Schärfe verstellen, sehen Sie, dass der Streifen durch das Negativ wandert.
- Ist die Negativebene in einer schrägen Achse gekippt (hier gezeichnet für eine Diagonale), gilt im Prinzip dasselbe wie bei (2), nur dass der scharfe Streifen schräg liegt. Wenn Sie Ihn durch Verstellen der Schärfe durch das Bild schieben, wird erst eine Ecke scharf, dann ein Streifen, der durch das Bild wandert, schließlich landen Sie bei der anderen Ecke.
- Dieses Bild gehört eigentlich nicht zur Ausrichtung, da hier das Negativ in einer Ebene gewölbt ist (z.B. wie Film mit einer Tendenz zum Aufrollen). Wichtig ist es aber, weil seine obere Skizze genauso aussieht wie die im Bild (2). Unterscheiden lassen sich die Fälle, wenn man die Scharfstellung einmal "durchfährt": Bei Variante (2) wandert ein scharfer Streifen durchs Bild, bei (4) wird aus dem einen scharfen Streifen in Bildmitte ein Paar von Streifen, die beidseitig nach außen abwandern.
- Der letzte Fall, Bildmitte scharf, alle Ecken unscharf (oder Ecken scharf, Mitte unscharf) ist nicht mehr gezeichnet. Er hat auch nichts mit der Ausrichtung des Vergrößerers zu tun. Jetzt liegt die Bildmitte höher oder tiefer als die Ecken. Das geht nur, wenn Ihr Negativ sich in zwei Ebenen wölbt, wie z.B. wenn es sich unter Wärmeeinwirkung ausdehnt, aber nach keiner Seite Platz hat.
Bild 1
Das Ausrichten des Vergrößerers in der Praxis
Ihr Vergrößerer hat drei Ebenen, die für eine normale Vergrößerung (s.u.) parallel sein müssen:
- Projektionsebene (Grundbrett),
- Negativebene, und
- Objektivebene (wird gern vergessen).
ANMERKUNG: Bei Entzerrungen nach dem Scheimpflug-Verfahren sollen die drei Ebenen natürlich nicht parallel sein, sondern müssen sich in einer Linie schneiden, damit eine über die gesamte Fläche scharfe Abbildung möglich wird. Die Parallelität der drei Ebenen ist davon ein Sonderfall: Wo Nicht-Mathematiker sagen "Zwei Ebenen sind parallel, wenn kein Schnittpunkt existiert.", sagen Mathematiker "Zwei Ebenen sind parallel, wenn sie sich im Unendlichen schneiden."
Gehen wir schrittweise vor und fangen mit den einfachen Dingen an.
1. Grundbrett ausrichten
Das Grundbrett sollte der Einfachheit halber horizontal liegen. Im Prinzip ist es egal, ob es schief ist, wenn die beiden anderen Ebenen nur dieselbe Neigung aufweisen, aber es ist viel einfacher, alle drei Ebenen mit einer Wasserwaage horizontal auszurichten als alle drei gleich schief zu bekommen.
Um festzustellen, ob Ihr Grundbrett horizontal liegt, legen Sie eine Wasserwaage je einmal an die im Bild 2 markierten Linien. Die rot markierten Linien stellen die Mindestanforderung dar. Wenn Sie zusätzlich noch entlang der blau markierten messen, verbessert das die Empfindlichkeit Ihrer Kontrollmessung.
Bild 2
Wenn Ihr Grundbrett nicht waagerecht liegt, gleichen Sie den Schiefstand aus. Wenn Ihr Vergrößerer verstellbare Füße hat, sind Sie fein raus, ansonsten besorgen Sie sich im Baumarkt drei solcher Füße und montieren Sie unter Ihrem Grundbrett. Auch einfaches Unterfüttern hilft natürlich.
ANMERKUNG: Die Empfehlung, drei (und nicht vier) Füße zu erstehen, ist kein Schreibfehler. Drei Füße liegen immer in einer Ebene, stehen also immer alle drei auf der Stellfläche, und der Vergrößerer kippelt nicht, selbst wenn das Grundbrett schief ist. Bei vier Füßen ist das evtl. ein Geduldspiel. Wenn Sie drei Füße anbringen, müssen auch nur zwei davon verstellbar sein. Bringen Sie einen (wenn Sie einen nicht verstellbaren haben, nehmen Sie diesen dazu) mittig auf der von Ihnen abgewandten Seite des Grundbretts an und die beiden anderen an den Ihnen zugewandten Ecken des Bretts. (Siehe Bild 3.) Achten Sie darauf, dass sich die Füßchen nicht ungewollt verstellen.
Bild 3
2. Negativebene ausrichten
Streng genommen müssten Sie auch bei der Negativebene analog zur Vorgehensweise nach Bild 1 auf vier Linien die Ausrichtung der Ebene prüfen. Meist können Sie allerdings froh sein, wenn Sie überhaupt eine vernünftige Anlegemöglichkeit für Ihre Wasserwaage finden. Sie brauchen zwei zueinander rechtwinklige Linien, entlang derer Sie die Wasserwaage anlegen können. Mitunter müssen Sie eine "Verlängerung" anbringen, indem Sie ein Stahllineal o.ä. in die Negativbühne einbringen und auf dem herausragenden Ende die Wasserwaage anlegen. Achten Sie dann aber darauf, dass es gut anliegt und dass Ihre Verlängerung so solide ist, dass sie sich nicht biegt!
Wie Sie die Negativebene bei Ihrem speziellen Vergrößerer ausrichten, entnehmen Sie am besten der Bedienungsanleitung. Hochwertige Geräte haben entsprechende Vorrichtungen, aber es gibt durchaus Geräte, bei denen dieser Schritt nicht vorgesehen ist. In einem solchen Fall müssen Sie improvisieren. Praktisch alle Vergrößerer erlauben Wandprojektion, d.h. ein Kippen des Kopfes in die Horizontale. Das können Sie, auch wenn diese Verstellung nicht sehr fein ist, für die Ausrichtung in einer Achse ausnutzen. Für die zweite müssen Sie dann eine Hilfskonstruktion erfinden, z.B. durch Anbringen von Papp- oder Metallstreifen an der Führung der Negativbühne oder der Negativbühne selbst. Leider kann ich Ihnen hier keine allgemein gültige Lösung empfehlen. Achten Sie auch hier darauf, dass Ihre endgültige Ausrichtung stabil ist, d.h. dass sich die Verkippung des Kopfes nicht verändert und/oder untergeklebte Streifen nicht im Laufe der Zeit dünner werden.
Noch eine schlechte Nachricht: Wenn Ihr Vergrößerer nicht hinreichend stabil gebaut ist, sind möglicherweise bei einer Höhe die beiden Ebenen parallel, bei einer anderen aber nicht mehr. Betrachten Sie Bild 4: In der oberen Einstellung (1), ist wegen des längeren Hebelarms das Drehmoment im Befestigungspunkt der Säule wesentlich größer als in der unteren (2). Der Vergrößerer hat also in Stellung 1 eine wesentlich größere Tendenz, sich nach vorn zu neigen. Sollten Sie Zweifel an der Stabilität Ihres Gerätes haben, überprüfen Sie die Parallelität der Ebenen für verschiedene Einstellungen. Meist sollten zwei (unten, oben) genügen. Wenn sich dazischen keine Abweichung zeigt, ist alles OK. Andernfalls müssen Sie je nach Höhe korrigieren, d.h. bei jeder Einstellung neu.
Bild 4
3. Objektivebene ausrichten
Oft sind die Objektivplatinen versenkt, so dass Sie mit einer Wasserwaage nur schlecht an sie herankommen. Sie kommen allerdings immer gut an die Fassung des Objektivs. Hoffen Sie also, dass diese parallel zur Hauptebene des optischen Systems liegt und legen Sie dort Ihre Wasserwaage an. Leider ist die Länge, über die Sie die Wasserwaage anlegen können, hier recht klein. Achten Sie also darauf, dass die Wasserwaage wirklich präzise anliegt. Führen Sie wieder mindestens zwei Kontrollmessungen auf zueinander senkrechten Linien durch, die entsprechenden Diagonalen ebenfalls zu kontrollieren, ist nicht falsch.
Auch hier muss ich hinsichtlich der Ausrichtung schwammig bleiben, da nicht alle Hersteller eine Korrekturmöglichkeit vorsehen. Fein raus sind Sie, wenn Sie eine Entzerreinrichtung nach Scheimpflug haben. Dann können Sie Ihr Objektiv drehen und neigen, also auch seine Ebene parallel zu den beiden anderen ausrichten. Fehlt diese Vorrichtung, helfen wieder untergelegte Distanzstücke. Unterlegscheiben für Schrauben und Muttern, die Sie auf die Objektivplatine kleben, können hilfreich sein. (Wenn Sie's genau nehmen, sollten Sie diese nach getaner Arbeit noch schwarz mattieren, wenn Sie innerhalb des Balgens liegen, damit sie kein Streulicht erzeugen.) Sie können sich auch in Analogie zu den Verstellfüßchen unter dem Grundbrett an zwei Stellen Feingewinde in die Platine bohren (lassen) und dort Stellschrauben anbringen.
oder: Kommt überall durch
Thomas Wollstein
März 2002
"Kommt überall durch", so lautet die wörtliche Übersetzung von "Passepartout". Der Diener von Phileas Fogg (Jules Verne: In 80 Tagen um die Welt) hieß so, und die mit einem Fenster versehenen Pappen um Bilder heißen auch so, obwohl sie selber nirgends durchkommen.
Das Passepartout erfüllt mehrere Funktionen. Die wichtigste: Es fungiert bei hinter Glas gerahmten Bildern als Distanzhalter zwischen Bildoberfläche und Glas. Wenn die Fotooberfläche am Glas anliegt, kommt es oft zu einem ungewollten und ungleichmäßigen Hochglanzeffekt: Da die Bildoberfläche weich ist und im Verlauf der Zeit fließen kann, nimmt sie dort, wo sie am Glas anliegt, die Oberflächenstruktur des Glases an. Wenn Sie das Bild aus dem Rahmen nehmen möchten, haben Sie im besten Falle eines mit ungleichmäßigem Glanz, im schlechtesten Fall klebt das Bild am Glas und lässt sich ohne Beschädigung gar nicht lösen.
Auch wird ein anliegendes Bild selten gleichmäßig und flächig am Glas anliegen. Die Freude an der Betrachtung wird dann getrübt.
Eine weitere Funktion ist ästhetischer Natur: Das Passepartout schafft einen großzügigen Rahmen, der das Foto aus der Umgebung herauslöst.
Während als Distanzhalter noch ein dünner Rahmen reichen würde, muss ein "richtiges" Passepartout im Sinne des letztgenannten Punktes wesentlich größer sein als das Bild, das es umgibt.
Das brauchen Sie
Das Material
Als Passepartoutkarton sollten Sie im Sinne der Dauerhaftigkeit Ihrer Fotos säurefreien Karton verwenden. Puristen werden sicherlich nur weißen Passepartoutkarton in Betracht ziehen, aber experimentieren Sie ruhig. Je nach Ihren Vorlieben für das Rahmenmaterial (nicht jeder mag nüchterne Metallleisten) sehen andere Farbtöne in Ihren Augen - und die sind es, auf die es ankommt - gefälliger aus. Und selbst Weiß ist nicht gleich Weiß. Sie müssen im Laden entscheiden, welcher Karton am besten zu Ihrem Foto (und dem Rahmen!) passt und dabei im Kopf behalten, dass auch Fotopapiere nicht alle denselben Bildton haben. Um die Dinge vollends zu verkomplizieren, sieht der Farbton des Passepartoutkartons unter der Leuchtstofflampe im Laden möglicherweise auch noch anders aus als unter der Halogenleuchte bei Ihnen daheim.
Das alles sage ich nicht, um Sie zu entmutigen, sondern nur als Warnung, um Sie vor Enttäuschungen zu schützen. Wenn Sie Ihre Passepartouts selber schneiden, haben Sie nicht nur die freie Wahl des Farbtons, sondern auch des Formats. Das Seitenverhältnis und die Größe des Bildfensters bestimmen Sie stufenlos. Sie sind nicht auf die Wahl zwischen preiswerten vorgegebenen Formaten und teuren Einzelanfertigungen festgelegt.
Das Werkzeug
Passepartoutschneidegeräte, im Folgenden oft kurz Cutter genannt, gibt es in verschiedenen Ausführungen von preiswerten Kunststoffgeräten bis zu (meist teuren) Ganzmetallausführungen. Es ist die Präzision der Führung, auf die es primär ankommt. Kunststoffteile verschleißen schneller als Metallteile, speziell wenn der Kunststoff in einer Metallschiene geführt wird. Dennoch brauchen Sie nicht gleich zum teuren Ganzmetallgerät zu greifen. Als ich vor Jahren einen Passpartoutschneider kaufen wollte, wurde mir nur ein relativ preisgünstiges Gerät mit Kunststoff-Klingenhalter angeboten, das ich dann auch kaufte, weil ich ungeduldig war. Ich habe es inzwischen reichlich benutzt, und es funktioniert immer noch zu meiner Zufriedenheit.
Die wirklich wichtigen Merkmale des Passepartoutschneiders sind
- größtes erzielbares Bildfenster und
- Schräg- oder Geradschnitt, ggf. Schnittwinkel (meist 30° und/oder 45°)
Wenn Sie Klingen nachkaufen, beachten Sie, dass Schräg- und Geradschnittklingen sich unterscheiden!
Einen Geradschnittschneider muss man nicht unbedingt haben. Mit ruhiger Hand kann man das auch mit einem Stahllineal und einer scharfen Klinge "einfach so" hinbekommen. Meist ist aber der Geradschnitt in der Grundausstattung enthalten, dann ist er etwas bequemer zu benutzen als die Einfachlösung.
Die eigentliche Existenzberechtigung für den Passepartoutschneider ist der Schrägschnitt. Ob es 30° oder 45° sein sollen, ist eine "geschmäcklerische" Frage. Wenn Sie die Möglichkeit haben, schauen Sie sich beides an. Wenn Sie Passepartoutkarton mit farbiger, grauer oder schwarzer Deckschicht und weißer Zwischenschicht verwenden, wird bei 45° der weiße Rand um das Bild etwas breiter.
Eine Unterlage
Eigentlich ein trivialer Punkt, aber er wird oft vergessen, und er hat seine Tücken. Im Laden wird man Ihnen gerne eine "selbstheilende" Schneidmatte anbieten, die bei großem Format richtig ins Geld geht. Was man Ihnen im Laden möglicherweise nicht sagt, ist, dass diese Schneidmatte aller Wahrscheinlichkeit nach nur für Geradschnitte "selbstheilend" ist. Wenn Sie darauf mit dem Schrägschnittcutter arbeiten, ist sie i. d. R. bald hinüber. Ich weiß nicht, ob es auch für Schrägschnitte "selbstheilende" Matten gibt, aber mir ist noch keine untergekommen.
Statt der Schneidmatte tut es aber auch ein richtig dicker Buchbinderkarton oder eine andere richtig dicke und billige Pappe. (Nur Wellpappe ist wegen der Wellen nicht so toll beim Schneiden.) Einen Bogen von 70 cm ´ 100 cm bekommen Sie für ein paar Euro, und obwohl er nicht selbstheilend ist, können Sie ihn recht lange benutzen.
Sonstiges
Sonstige Hilfsmittel sind
- ein großer Tisch mit gutem Licht,
- ein Bleistift und ggf. Radiergummi,
- ein Lineal (soweit nicht als Bestandteil des Passepartoutschneiders bereits vorhanden),
- ein Geodreieck und
- (nützlich, aber nicht unbedingt erforderlich) ein Zirkel.
Ersatzteile
Die Klingen des Cutters werden mit dem Gebrauch stumpf. Das merken Sie spätestens, wenn Sie einmal einen Karton versaut haben, weil die Klinge nicht mehr sauber geschnitten, sondern den Karton auf der Vorderseite zerrissen hat. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihnen das Schneiden außergewöhnlich schwer fällt, sollten Sie daher im Zweifel die Klinge austauschen, auch wenn die Schnitte noch gut aussehen. Die Klingen kosten nicht die Welt (in meinem Fall gut 0,50 € je Klinge), aber ein Bogen Passepartoutkarton kostet meist eine Stange Geld (50x70 cm z.B. 10 bis 20 €).
Achten Sie beim Klingenkauf darauf, die richtigen Klingen zu kaufen: Klingen für Schrägschnitte sind anders geschliffen als solche für gerade Schnitte. Auf der Packung steht der Anwendungsbereich der Klingen.
Aufziehen: Ja oder Nein?
Hierzu nur ein paar kursorische Überlegungen: Es gibt eine Reihe von Verfahren, Fotos den nötigen "Halt" zu geben, damit Sie auch schön glatt hinter dem Passepartout liegen. Der Klassiker ist die Heißkaschierung, an die sich viele Amateure nicht herantrauen. Mit geringerem Hardwarebedarf kommt eine Kaltkaschierung mit doppelseitig klebender Folie (z.B.von Neschen ) in Frage. Aus konservatorischer Sicht sollten Sie Ihre Fotos aber lieber gar nicht aufziehen. Dem Konservator ist es immer lieber, wenn Sie nur lösbare Verbindungen vorsehen. Dazu schneiden Sie ein Stück Karton, säurefreie Qualität, auf dieselbe Größe wie den Passepartoutkarton. Darauf bringen Sie das Foto mit Fotoecken an. Planen Sie das rechtzeitig ein, damit Ihr Foto so viel Rand hat, dass man die Ecken nicht durch das Fenster sieht!
Zur Sache
Als Erstes bestimmen Sie die Größe des Rahmens, d. h. die Größe der Pappe, aus der Sie das Fenster ausschneiden. Oft ist diese durch die Wahl des Rahmens vorgegeben (wenn Sie den nicht auch selbst fertigen). Aber glauben Sie nicht unbesehen die Formatangabe des Herstellers. Messen Sie!
Als Nächstes brauchen Sie die Größe des Bildfensters. Lassen Sie es dabei nicht an der nötigen Genauigkeit fehlen, denn Passepartoutkarton ist nicht billig, und es ist ärgerlich, wenn Sie "schlecht abschneiden". Es gilt zwar im Prinzip auch hier, dass man immer noch hinterher abschneiden kann, dass aber "dranschneiden" nicht geht, aber es ist nicht ratsam, das Fenster auf Verdacht zu klein zu schneiden, da kleine Korrekturen selten unsichtbar bleiben. Also gleich genau arbeiten!
Überlegen Sie sich an dieser Stelle, ob - und wenn ja, wo - Sie das Foto signieren wollen. Zum Thema "Fotos signieren" gibt es viele kontroverse Ansichten. Es gibt Leute, die meinen, das wirke bei einem Foto im Gegensatz zu einem Gemälde überzogen. Ich persönlich signiere meine gerahmten Fotos. Die Bilder sind Ausdruck meiner Sichtweise, und sie sind ein Stück Handarbeit, auf das ich stolz bin. Überlegen Sie auch, wo Sie signieren. Auf dem Bild selbst signiere ich ungern, da das meist die Komposition stört. Wenn Sie andererseits auf dem Passepartout signieren, kann man Ihre Signatur vom Bild entfernen. In diesem Fall rate ich Ihnen, auf der Rückseite des Fotos zusätzlich Ihre "Duftmarke" zu setzen. Als Kompromiss bliebe noch das Vorsehen eines weißen Randes extra zum Signieren. Diesen müssen Sie dann bei der Bestimmung der Fenstergröße mitberücksichtigen.
Neben der Größe des Bildfensters müssen Sie dessen Lage im Rahmen bestimmen. Das mag Ihnen trivial erscheinen, ist es aber nicht ganz. Es gilt i. Allg. als gute Praxis, unter dem Bildfenster mehr Platz zu lassen als darüber, denn ein in vertikaler Richtung genau mittig gerahmtes Bild sieht aus irgendwelchen Gründen meist so aus, als säße es zu tief. Sie sollten sich daher überlegen, wie Sie den übrig bleibenden Rand verteilen. Sie können dazu Ihr Augenmaß, den goldenen Schnitt oder auch eine Faustformel nutzen. Um eine gewisse Einheitlichkeit aller Ihrer Bilder zu wahren, empfehle ich Ihnen, ein festes Verhältnis zu benutzen. Ein Beispiel:
Rahmengröße: |
40 x 60cm |
Bildfenster: |
20 x 30cm |
Rest: |
20cm oben und unten |
Die 20 cm könnten Sie dann z. B. im Verhältnis 8:5 auf unten und oben verteilen, d. h.
Rand unten: |
20cm geteilt durch 13 (nämlich 8+5) mal 8 = 12,3cm |
Rand oben: |
20cm minus 12,3 cm = 7,7cm |
Ich empfehle Ihnen für den zweiten Schritt die Subtraktion, obwohl Sie natürlich auch hier 5/13 nehmen könnten. Die Fehlermöglichkeiten sind geringer.
Wenn Sie so weit sind, greifen Sie zu Lineal, Bleistift und Messer. Den Passepartoutkarton legen Sie mit der Vorderseite (also der Seite, die Sie später sehen) auf die Schneidunterlage. Achten Sie darauf, dass diese sauber ist und auch keine Buckel aufweist, denn diese könnten sich im Passepartoutkarton abdrücken.
- Auf den Bogen Passepartoutkarton messen Sie entlang der Kanten Länge und Breite des Rahmens ab. Nutzen Sie die vorgegebenen Kanten (wenn Sie noch sauber und unbeschädigt sind), denn sie sind Dank Maschinenschnitt wirklich rechtwinklig. Nutzen Sie das Geodreieck (je größer es ist, desto besser), um rechtwinklig zu einer Kante die Schnittlinie zu markieren.
- Spätestens jetzt sollten Sie in die Gebrauchsanweisung Ihres Passepartoutschneidegerätes schauen: Die Klinge schneidet i.d.R. nicht entlang der Anlegekante des Lineals, sondern parallel dazu (siehe Bild 1). Sie müssen also auf dem Passepartout noch ein kleineres Fenster markieren, nämlich aus den Linien, an denen Sie das Schneidelineal anlegen (Bild 2). Der Abstand zwischen Anlegelinie und Schneidkante sollte in der Gebrauchsweisung Ihres Cutters stehen. Ansonsten messen Sie ihn selbst aus.
Bild 1
Bild 2
3) Wenn Sie so weit sind, schneiden Sie den Passepartoutkarton auf die gewünschte Größe zu.
4) Markieren Sie nun das Bildfenster. Beachten Sie dabei folgende Punkte:
a) Parallelität zu den Kanten,
b) Größe und
c) Lage (horizontal zentriert, vertikal etwas nach oben versetzt, siehe oben).
5) Jetzt geht's ans Messer
Für den Schrägschnittcutter gilt dasselbe wie für den Geradschnittcutter, nur natürlich mit anderen Maßen: Er schneidet auch nicht an der Anlegelinie entlang, sondern ein Stück davor. Sie müssen also wieder ein kleineres Fenster einzeichnen.
Es kommt aber hier eine weitere Komplikation hinzu: Da die Klinge bei Beginn des Schnitts heruntergeklappt wird, fängt sie auch nicht dort an zu schneiden, wo sie aufsetzt, sondern ein Stück dahinter. Am Ende des Schnitts gilt dasselbe: Sie müssen (scheinbar) ein Stück weiter schneiden als bis zum Ende des markierten Fensters. Betrachten Sie Bild 3: Der Cutter hat zwei Markierungen, A und B. Im Falle meines Cutters ist es so, dass ich Markierung A genau 25 mm vor dem geplanten Schnittbeginn ansetzen muss und den Schnitt fortführen muss, bis sie genau 25 mm über das geplante Ende hinaus geführt ist. (Markierung B kommt dann zum Einsatz, wenn das Passepartout so klein ist, dass ich nicht 25 mm über das Fenster hinaus fahren kann. In diesem Falle muss ich 25 mm vor Schnittende auf der Linie eine Markierung anbringen, an der ich mit Markierung B anhalte.
Bild 3
Kurz und gut: Sie müssen an den Ecken des geplanten Fensters Zusatzmarkierungen für Beginn und Ende des Schnitts anbringen. Bei meinem Cutter ist es netterweise so, dass der Abstand zwischen Schnittlinie und Anlegelinie exakt dem Abstand zwischen Schnittbeginn/-ende und Markierung A (oder B) entspricht. Dadurch brauche ich nur um die Ecken meines Fensters mit dem Zirkel Kreise zu ziehen und das Schneidlineal an den Kreisen anzulegen. Auf Bild 4 sehen Sie den Beginn des Schnitts: Markierung A liegt auf dem Kreis in Schnittrichtung vor der Fensterecke, das Lineal liegt am Kreis an.
Bild 4
Schneiden Sie nun Seite 1 und von der Ecke weiter Seite 2. Sobald Sie den zweiten Schnitt geführt haben, heben Sie den Passepartoutkarton an der entsprechenden Ecke vorsichtig an. Wenn Sie richtig geschnitten haben, haben Sie eine saubere Ecke erzeugt. Falls nicht, und der Ausschnitt hängt noch an einem Fitzelchen Karton fest, versuchen Sie dieses mit einem scharfen Skalpell zu trennen. Widerstehen Sie der Versuchung, es durch Drücken zu zerreißen. Das wird oft nur dazu führen, dass sich die Deckschicht des Passepartoutkartons löst und Sie eine unsauber ausgefranste Ecke bekommen.
6) Der Anfang war das Schwierigste. Haben Sie das hinter sich, schneiden Sie die restlichen zwei Seiten, wobei Sie an jeder Ecke vorsichtig prüfen, ob Sie sauber gearbeitet haben.
7) Nach dem vierten Schnitt haben Sie es geschafft: Ihr erstes selbst geschnittenes Passepartout ist fertig!
Der Passepartout-Rechner >>HIER<<
Zonensystem - Nein Danke
Thomas Wollstein
Februar 2002
Mit der Überschrift habe ich mir sicher wieder ein paar mehr Freunde gemacht! Ich weiß, es gibt eine Menge Leute, die auf das Zonensystem schwören, und die auch der Meinung sind, man könne (oder müsse?) es bei KB- und Rollfilm anwenden. Meine Antwort darauf ist eine Adaptierung eines Zitats aus einem Werbefilm eines bekannten Reiseveranstalters: Man kann im Prinzip! - aber man muss nicht!
Dieser Artikel umfasst einen einführenden Teil, in dem ich meine (teilweise) Ablehnung des Zonensystems begründe, und einen praktischen Teil, in dem ich Ihnen verrate, wie Sie Ihre Film/Entwickler-Kombinationen eintesten können. Wenn Sie meine zur Motivation gedachte Vorrede nicht interessiert, lesen Sie bei der Überschrift "Praktisches Eintesten von Film/Entwickler-Kombinationen" weiter.
Das Zonensystem ist heute überflüssig!
Ich habe Ansel Adams nicht persönlich gekannt. (Diesen Nachteil teile ich vermutlich mit den meisten der Autoren, die als Trittbrettfahrer Bücher über das Zonensystem verfasst haben.) Daher kann ich mir meine Meinung nur auf der Basis von Informationen aus zweiter Hand bilden. Die Argumentationskette lautet so:
Das Zonensystem wurde von einer Reihe von Fotografen entwickelt und ist in der heute gepredigten Form mit dem Namen von Ansel Adams (oft auch Sankt Ansel genannt) verknüpft. Es betrifft nicht nur die Belichtung und Entwicklung des Negativs, sondern letztendlich den gesamten Prozess von der Aufnahme bis zum fertigen Bild. Sein Anwendungsbereich war die Großformat-Fotografie, wo man jedes einzelne Negativ individuell entwickelt. Die Möglichkeit, auf einem Film 12 bis 36 Aufnahmen zu haben, die unter teilweise erheblich differierenden Licht- und Kontrastverhältnissen aufgenommen wurden, ist im Zonensystem streng genommen nicht vorgesehen. Es gibt gewisse Kunstgriffe (mehrere Kameragehäuse oder -rückenteile, das Zerschnipseln von Film in Abschnitte mit ähnlichem Kontrast usw.), um dem wieder abzuhelfen, aber das ist aus meiner Sicht nicht unbedingt erforderlich und teilweise nicht praktikabel.
Wo keine Zeichnung im Negativ ist, können auch alle Tricks keine hinzaubern. Die Belichtung eines Negativs wird daher in erster Linie durch die Schatten vorgegeben. Die Lichter liegen dann bei gegebener Beleuchtung da, wo sie eben liegen.
Die zu Ansel Adams' Zeiten verfügbaren Filme hatten nun nur einen recht kurzen linearen Abschnitt in ihrer Schwärzungskurve, was bedeutet, dass bei kontrastreichen Motiven der Kontrast in den Lichtern übermäßig stark abnahm, die Lichter also keine feinen Nuancen mehr zeigten, sondern ab einer Schwelle einfach papierweiß wurden. Das sieht oft nicht toll aus. Die Lichtverhältnisse in der Landschaft konnte (und kann) man nicht beeinflussen, aber man konnte die Lichter bremsen, indem man die Entwicklung anpasste.
Der umgekehrte Fall, dass die Lichter nur wenig über den Schatten lagen, ist nicht ganz so kritisch, da alles auf dem linearen Abschnitt der Schwärzungskurve des Films liegt, aber man kann das Bild optimieren, indem man dann den Lichtern auf die Sprünge hilft, ebenfalls durch Anpassung der Entwicklung.
Die aktuellen Filme sind mit den damaligen kaum noch zu vergleichen. Das betrifft nicht nur das Filmkorn, das viel feiner geworden ist, sondern auch die Schwärzungskurve: In seinem Buch "Das Negativ" schrieb Ansel Adams, dass es schon damals Filme gab, die über den als normal betrachteten Bereich von 10 "Zonen" (= Blendenstufen) hinaus lineare Schwärzungskurven hatten. Heute ist das eher die Regel als die Ausnahme. Aktuelle Filme bilden (je nach Entwickler) weit größere Kontraste linear ab. Meine eigenen Erfahrungen zeigen, dass lineare 13 Zonen nicht einmal selten sind. Dafür reagieren heutige Filme i. d. R. viel empfindlicher auf Änderungen der Entwicklung als frühere.
Es bleibt natürlich dabei, dass Papierbilder nur einen begrenzten Kontrastumfang wiedergeben können, aber es hat sich seit damals auch bei den Papieren einiges getan. Mit den aktuellen kontrastvariablen Materialien lässt sich die Zeichnung in "Zone 13" durch lokale Nachbelichtung mit weicherer Gradation wesentlich einfacher in den Wiedergabeumfang des Papiers packen als ehedem, ohne dass deswegen flaue Schatten entstehen müssen.
"Wenn nach oben soviel Spielraum besteht, kann ich ja ganz locker im Zweifel überbelichten!" Das könnten Sie jetzt denken. ABER: Mit zunehmender Belichtung nimmt das Filmkorn zu und die Auflösung durch Lichthöfe ab. Belichten Sie also immer so wenig wie möglich, aber soviel wie nötig.
Und noch etwas anderes: Nach den Aussagen verschiedener Zeitgenossen Adams' war das Zonensystem in erster Linie als didaktisches Hilfsmittel für die Ausbildung angehender Fotografen gedacht, auf keinen Fall aber als Religion. Als Lernsystem ist es auch eine tolle Sache. Haben Sie es einmal verstanden, ist Belichtung kein großes Problem mehr für Sie. Sie können dieses Ziel aber auch anders - aus meiner Sicht einfacher - erreichen.
Abschließend muss ich noch mit einem Mythos aufräumen: Viele Fotografen verstehen das Zonensystem so, dass jedes Motiv ungeachtet der Lichtverhältnisse in gleicher Weise auf die volle Tonwertskala von Schwarz bis Weiß expandiert oder komprimiert werden müsse, die sich dann auch noch mit Papier der Gradation 2 ohne irgendwelche Manipulationen ergeben müsse. So ein Blödsinn! Das war von Ansel Adams nie gewollt! Das Zonensystem sollte ein Mittel sein, eine gewünschte Bildaussage zu erreichen. Wollte der Fotograf ein Bild, das nur einen Teil der vollen Tonwertskala umfasste, sollte er auch das hinbekommen können. Und wenn Sie "Das Positiv" lesen, werden Sie feststellen, dass kaum eines von Adams' Bildern ohne mehr oder weniger umfangreiche Nachbelichtungen und Abwedeleien entstanden ist.
So, nach dieser umfänglich geratenen Vorrede der kurze praktische Teil dieses Artikels:
Praktisches Eintesten von Film/Entwickler-Kombinationen
Eigentlich müsste ich diese Überschrift erweitern: Sie testen nämlich nicht nur Ihre Film/Entwickler-Kombination, sondern auch Ihr ganzes Vorgehen und auch Ihren Belichtungsmesser mit ein. (Siehe zum Vorgehen beim Entwickeln meinen Artikel "Entwicklungshilfe" ) Wenn Sie also Ihre Filmempfindlichkeit und Entwicklungszeit nach eigenen Tests herausgefunden haben, gelten die Werte zunächst nur für die Kombination von Film,
- Entwickler,
- Entwicklungsmethode (Kippen oder Rotation, Kipprhythmus) und
- Belichtungsmesser.
Anmerkung: Änderungen bei der Hardware (Belichtungsmesser) sind dabei noch am einfachsten zu berücksichtigen: Wenn Sie einen anderen Belichtungsmesser benutzen möchten, verschaffen Sie sich durch Vergleichsmessungen desselben Motivs (z. B. der berühmten Graukarte) einen Überblick darüber, welche systematischen Abweichungen zwischen den Geräten bestehen. Streng genommen sollte zwischen zwei guten Belichtungsmessern über den gesamten Messbereich eine konstante Abweichung bestehen, d. h. wenn bei mittleren Lichtwerten zwischen den Belichtungsmessern A und B eine Abweichung von 1 Blende besteht, sollte diese auch bei hohen und niedrigen Lichtwerten auftreten. De facto liegen aber - besonders am unteren Ende der Skala (d. h. bei wenig Licht) oft signifikante Abweichungen von diesem Verhalten vor. Da müssen Sie dann entweder dem einen oder dem anderen Belichtungsmesser einfach glauben oder zur Sicherheit eine Belichtungsreihe machen.
Um Ihnen ein Gefühl zu geben, mit welchen Abweichungen Sie rechnen müssen: Die Ausgangskontrolle eines bekannten Kameraherstellers verlangt z. B., dass die eingebautem Belichtungsmesser der einzelnen Geräte um nicht mehr als eine Drittelblende von einem Sollwert abweichen. Das kann heißen, dass die zwei gleichen Kameras dieses Herstellers, die Sie verwenden, um bis zu zwei Drittelblenden von einander abweichen können, nämlich die eine um 1/3 nach oben vom Sollwert, die andere um dasselbe nach unten. Den Unterschied kann man schon merken.
Vorbereitung
Sie können die Testerei auf zwei Arten durchführen: Formal, d. h. mit einem Testmotiv, oder "einfach so", d. h. indem Sie einfach Ihre üblichen Aufnahmen machen. Letzteres ist repräsentativer für die Praxis und nicht so trocken. Ich werde mich also an diese Methode halten.
Testmethode "einfach so"
Schritt 1: Bestimmung der Filmempfindlichkeit
Stellen Sie am Belichtungsmesser die Nennempfindlichkeit ein, die der Filmhersteller angibt. Fotografieren Sie Ihre üblichen Motive, nur machen Sie von jedem Motiv zusätzlich eine Aufnahme mit Belichtungskorrektur um +1 Blende und eine mit Korrektur um -1 Blende. Entwickeln Sie den Film nach Herstellerempfehlungen. Vergrößern Sie die Bilder. Sie werden schnell merken, ob Ihnen die Bilder ohne Korrektur oder die über- oder unterbelichteten besser gefallen. Achten Sie besonders darauf, ob die Schatten durchgezeichnet sind.
Gefallen Ihnen z. B. die um 1 Blende gegenüber der Herstellerempfehlung überbelichteten Bilder am besten, stellen Sie beim nächsten Versuch am Belichtungsmesser eine um eine Stufe verringerte Filmempfindlichkeit ein, also z. B. bei einem Ilford Delta 400 statt der Nennempfindlichkeit ISO 400/27° nun ISO 200/24°.
Entsprechend gilt bei der Korrektur um -1 Blende beim nächsten Versuch ISO 800/30° als neue Basis. Sind die unkorrigierten Bilder am besten, ist die Nennempfindlichkeit für Sie die Empfindlichkeit.
Sollte sich kein einheitliches Bild ergeben, d. h. sind die Bilder mit Korrektur um +1 Blende in manchen Fällen besser, in anderen wieder die nicht korrigierten, und in noch anderen die um -1 Blende korrigierten, liegt das daran, dass Sie erst einmal messen lernen müssen. Dazu später noch ein Wort.
Schritt 2: Bestimmung der Entwicklungszeit
Sie belichten nun mit der nach Schritt 1 bestimmten Empfindlichkeit einen Film, und entwickeln ihn wieder mit der bei Schritt 1 verwendeten Zeit. Vergrößern Sie die Bilder. Machen Sie sich dabei akribische Notizen über Gradation und eventuelle Probleme, hier oder dort Durchzeichnung zu erzielen.
Stellen Sie fest, dass Sie recht oft zu sehr weichen Gradationen greifen oder nachbelichten müssen, um die Lichter unter Kontrolle zu halten, ist der Kontrast zu hoch. Sie senken ihn, indem Sie den Film beim nächsten Versuch um rund 15 % kürzer entwickeln.
Merken Sie umgekehrt, dass Sie im Trend eher zu harten Gradationen greifen müssen, ist der Kontrast zu gering. Sie steigern ihn, indem Sie den Film beim nächsten Versuch um rund 10 % länger entwickeln.
Brauchen Sie im Mittel meist Gradation 2 oder 3 und kommen ohne aufwendige Manipulation aus, ist alles in Butter. Sie haben Filmempfindlichkeit und Entwicklungszeit, wie Sie sie brauchen.
Schritt 3 (fakultativ) Feinabstimmung
Netterweise berühren nicht zu große Änderungen der Entwicklungszeit die Filmempfindlichkeit kaum. Die Änderungen bewegen sich meist im Rahmen von 1/3 bis 2/3 Blenden. Wenn Sie es aber genau nehmen wollen, gehen Sie jetzt zurück zu Schritt 1 und beginnen den Test neu mit Ihrer Filmempfindlichkeit und Ihrer Entwicklungszeit. Jetzt sollten die Vergleichsaufnahmen nicht mehr um eine ganze Blende gegenüber der Messung über- und unterbelichtet werden, sondern, da es sich um Feinabstimmung handelt, um eine 1/2 bis 1/3 Blende. Stellen Sie nun fest, dass Sie die Empfindlichkeit korrigieren müssen, korrigieren Sie folgerichtig nur noch um 1/3 bis 1/2 Blende in der nötigen Richtung. Damit sollten Sie mit dem Testen durch sein.
Die Sinnfrage
Wenn Sie mit den Ergebnissen, die Sie derzeit mit Ihrem Material und Ihrer Vorgehensweise erzielen, zufrieden sind, brauchen Sie sich von niemandem dazu überreden lassen, Tests zu machen. Tests sind Mittel zum Auffinden und Lösen von Problemen, nicht Selbstzweck.
Wie bereits angesprochen, kann es sein, dass Sie bei Schritt 1 keinen einheitlichen Trend erkennen. Das zeigt Ihnen Probleme in Ihrer Messpraxis auf. Es macht nur dann Sinn, die Filmempfindlichkeit um Bruchteile von Blendenschritten zu verstellen, wenn Sie auch tatsächlich bei einem Motiv bei zwei Messungen zweimal ungefähr dasselbe messen. Sie müssten sich in einem solchen Fall also kritisch mit Ihrer Messpraxis auseinandersetzen. (Das könnte das Thema eines weiteren Artikels werden.) Der Test war dann trotzdem sinnvoll, denn er hat das Problem lokalisiert.
Kontrastanpassungen in Einzelfällen
Haben Sie tatsächlich einmal einen Film zu entwickeln, auf dem alle Fotos extrem kontrastreiche oder extrem kontrastarme Motive enthalten, lohnt es sich vielleicht doch, diesen Film angepasst zu entwickeln. Dazu können Sie ohne Test einfach ins kalte Wasser springen und z. B.
- zu kontrastreiche Filme um 15 % weniger als normal entwickeln und
- zu kontrastarme Filme um 10 % länger als normal entwickeln.
Optimalerweise sollten Sie in Fall (a) schon bei der Aufnahme eine Drittelblende an Belichtung zugeben (also überbelichten oder die am Belichtungsmesser eingestellte Filmempfindlichkeit um diesen Betrag reduzieren) und in Fall (b) entsprechend knapper belichten.
Sie können natürlich auch diesen Ausnahmefall eintesten, aber meist lohnt das nach meiner Ansicht den Aufwand nicht.
Ach ja, noch eine Ausnahme am Ende: Mit Zweibad-Entwicklern können Sie sich Schritt 2 sparen. Aufgrund ihres Funktionsprinzips lässt sich der Kontrast bei solchen Entwicklern nicht in gewohnter Weise durch Anpassungen der Entwicklungszeit steuern. Hier können Sie Schritt 1 durchführen, um Ihre Filmempfindlichkeit herauszufinden (die typischerweise um 1/2 bis 1 Blendenschritt höher liegen wird als die mit anderen Entwicklern). Zweibad-Entwickler halten hohe Kontraste im Zaum, wirken also ausgleichend, sind aber entsprechend nicht optimal für Negative mit geringem Kontrast.
Damit Sie nicht rot sehen ...
Thomas Wollstein
Januar 2002
Nachdem ich Ihnen im letzten Beitrag die Grundlagen der IR-Fotografie vermittelt, einige sich hartnäckig haltende Märchen als solche identifiziert und versucht habe, Ordnung in den mitunter unüberschaubar anmutenden Wirrwarr der verschiedenen erhältlichen IR-Filter zu bringen, möchte ich Ihnen im vorliegenden Artikel etwas über
- die Hardware, d.h. Kameras und Objektive, und
- einige praktische Aspekte der IR-Fotografie
nahe bringen.
Kameras
Zunächst die gute Nachricht: Sehr viele Kameras sind - manche besser, manche weniger gut - für IR-Fotografie geeignet. Es gibt ein paar Einschränkungen, die ich nachfolgend aufzählen möchte. Bitte gewinnen Sie dadurch nicht den Eindruck, dass IR-Fotografie so furchtbar problematisch wäre, dass Sie es besser gleich bleiben lassen. Probleme treten insgesamt nicht sehr oft auf. Ich liste die möglichen Tücken nur auf, damit Sie ein paar Anhaltspunkte haben, sollten Sie einmal in die Verlegenheit kommen, sich auf Fehlersuche begeben zu müssen. Es wird immer wieder behauptet, Kunststoffkameras und Balgenkameras seien ungeeignet, jedoch stellt sich die Frage, ob das nicht eine Ente ist, die ein Autor vom nächsten abschreibt, weil sie so schön plausibel klingt. Durch Bilder, die Marco Pauck [2] mit einer Horizon 202 Panoramakamera (Gehäuse praktisch ganz aus Kunststoff) aufgenommen und im Internet veröffentlicht hatte, fühlte ich mich ermutigt, selber zu experimentieren. Sowohl meine geliebte Minox 35 [Kunststoff (Makrolon), aus Gewichtsgründen noch dazu dünner] als auch die besagte Horizon sind IR-tauglich. Marco Pauck teilte mir persönlich mit, dass auch ihm kein Fall bekannt sei, wo eine Kunststoffkamera Probleme verursacht hätte.
Mit Balgenkameras entsprechende Experimente durchzuführen hatte ich noch keine Gelegenheit, bin jedoch zuversichtlich, dass auch diese IR-tauglich sein könnten. Sollten Sie bei Experimenten mit einer Balgen- oder Kunststoffkamera auf Probleme stoßen, die darauf hindeuten, dass das Material der fraglichen Kamera nicht IR-dicht ist, müssen Sie nicht gleich aufgeben: Sollte tatsächlich ein Balgen z. B. bei 1 000 nm Wellenlänge so durchlässig sein, dass es zu einer Verschleierung eines Kodak HIE kommt, kann es durchaus sein, dass die fragliche Kamera problemlos mit Filmen verwendet werden kann, deren Sensibilisierung sich nicht so weit ins Langwellige erstreckt, z. B. mit den MACO-Filmen. (Näheres zur Sensibilisierung der verfügbaren Filme in Teil 3 dieses Artikels.)
Probleme verursachen jedoch in manchen modernen Kameras (z. B. in verschiedenen Canon EOS-Modellen) IR-Leuchtdioden (LEDs), die zum Zählen der Bilder verwendet werden. Normaler Film ist für IR nicht empfindlich, so dass statt einer mechanischen Vorrichtung die elegante, berührungsfreie Messung mit einer "Licht"schranke möglich ist, aber bei IR-Film rufen die LEDs Verschleierungen hervor, die aufgrund der fehlenden Lichthofschutzschicht und des klaren Trägers oft leider nicht nur auf dem Filmrand liegen. In schlimmen Fällen wurde von Verschleierungen über einen Bereich von bis zu 6 mm ins Bild hinein berichtet. (Das ist immerhin 1/4 der Negativhöhe.) Wenn Sie Besitzer eines modernen Gehäuses sind und Zweifel haben, ob es verwendbar ist, empfehle ich Ihnen, sich zunächst direkt an den Hersteller zu wenden und gezielt nach IR-LEDs zu fragen. Sollten Sie dort keine hilfreiche Information bekommen (manche Hersteller sind - besonders bei nicht mehr im Verkauf befindlichen Kameramodellen - beim Service arg unterbelichtet), versuchen Sie im Internet, z. B. in IR-Foren oder im PHOTOTEC-Hobbylabor-Forum Hilfe zu finden. Letzte Sicherheit verschafft immer ein eigener Test. Auch dieses Problem betrifft i. d. R. nur den am weitesten ins IR hinein sensibilisierten Kodak HIE.
Manche alte Mittelformatkamera hat kein Bildzählwerk, sondern an dessen Stelle in der Rückwand ein Fensterchen, durch das man die Nummerierung auf dem Schutzpapier des Films sehen kann. Dieses Fensterchen ist typischerweise rot eingefärbt, weil normaler Film - und noch mehr der eher orthochromatisch reagierende Film, der möglicherweise zur Geburtsstunde des alten Schätzchens Stand der Technik war - nicht so empfindlich auf rotes Licht reagiert. Bei IR-Film nützt das rote Fenster wenig. Wenn in einem Internetforum jemand über merkwürdige dunkle Flecken auf seinen Mittelformat-IR-Negativen klagt, wird auch dann und wann wieder der Verdacht geäußert, diese seien möglicherweise auf ein solches Fenster zurückzuführen. Ich habe allerdings noch nie von einem Kamerabesitzer eine Bestätigung dafür gesehen. Es kann sich also auch hier um eine plausibel klingende Ente handeln. Sollten Sie jedoch selber einmal solche Flecken auf Ihren Negativen finden, prüfen Sie, ob sie nach Ihrer Lage auf dem Negativ durch das bewusste Fenster verursacht sein könnten, und wenn sie's sind, lassen Sie es mich bitte wissen.
Gleiches gilt für die immer einmal wieder behauptete IR-Undichtigkeit des Filmsichtfensters in der Rückwand der meisten modernen SLR-Kameras. Angeblich soll der das Fenster als Lichtdichtung umgebende Schaumstoff nicht in allen Fällen IR-dicht sein. Im Gegensatz zu alten Rollfilm-Schätzchen, wo man das Zählfenster braucht, kann man hier leicht prophylaktisch Abhilfe schaffen, indem man mit Klebeband ein Stückchen Alufolie über das Fenster klebt.
Nachteilig für die IR-Fotografie ist eine vollautomatische Kamera. Wenn die Belichtung der Kamera vollautomatisch gesteuert wird, haben Sie (zu) wenige Einflussmöglichkeiten. Wirklich untauglich wird aus meiner Sicht die Kamera für IR aber erst dann, wenn auch keine manuelle Eingabe der Filmempfindlichkeit mehr möglich ist (sondern z. B. nur noch DX-Kodierung) und auch keine manuelle Belichtungskorrektur vorhanden ist. Vollautomatische Belichtung in Verbindung mit Messung durchs Objektiv ist ebenfalls ein Hindernis, wenn Sie die undurchsichtigen Schwarzfilter verwenden möchten.
Prima geeignet für IR-Fotografie sind Kompaktkameras, denn was auch immer vor dem Objektiv hängt, der Blick durch den Sucher bleibt frei. (Das gilt allerdings auch, wenn man den Objektivdeckel vergisst oder die Finger davor hat.) Aus meiner Sicht sehr empfehlenswert sind z. B. Minox- und Rollei-Modelle, oder allgemein Kameras mit mäßigen bis leichten Weitwinkelobjektiven (äquivalent zu 30 bis 40 mm bei Kleinbild). Sollte kein Filtergewinde vorhanden sein, können Sie mit etwas Gefummel Gelatinefilter (z. B. Kodak Wratten) oder improvisierte Filter aus unbelichtetem Diafilm hinter der Optik im Kameragehäuse anbringen oder bei hinreichend breiter Objektivfassung vor der Frontlinse aufkleben. (Bei der Minox 35 bitte nur die Linse mit dem Filter verdecken, nicht den Belichtungsmesser! Siehe Bild 1.) Achten Sie nur darauf, die Folie einigermaßen glatt anzubringen, damit sie den Strahlengang so wenig wie möglich stört.
Bild 1: Minox 35 GL mit aufgeklebtem Gelatinefilter #87. In dem hervorgehobenen Bereich erkennen Sie den lichtempfindlichen Sensor, den Sie nicht überkleben dürfen.
Bei Spiegelreflexkameras schauen Sie durchs Objektiv, und wenn Sie wegen des starken Effekts undurchsichtige Filter verwenden möchten, müssen Sie die Kamera auf ein Stativ setzen, ohne Filter ausrichten und fokussieren und können erst zur Aufnahme das Filter aufsetzen. "Action"-Fotografie scheidet auf diese Weise aus. Abhilfe könnte allerdings auch hier ein hinter dem Objektiv eingebautes Filter schaffen. Selbst habe ich noch nicht mit einer solchen Lösung experimentiert, aber es soll gehen.
Eine weitere Nebenwirkung des Fehlens einer Lichthofschutzschicht - d. h. wir reden wieder über Kodak HIE - besteht darin, dass es bei manchen Kameras zu merkwürdig aussehenden, regelmäßigen Punktmustern auf den Negativen kommt. Es handelt sich dabei um eine Abbildung des Musters auf der Filmandruckplatte. Licht, das durch den Film hindurchtritt, wird zum Teil an dieser Platte reflektiert und kann dann diese Muster erzeugen. Durch denselben Mechanismus (hier allerdings das Fehlen der Reflexion) macht sich mitunter das Einbelichtungsfenster einer Datenrückwand bemerkbar. Abhilfe kann - so habe ich mir berichten lassen - dadurch geschaffen werden, dass man die Filmandruckplatte mit einem Stück Rollfilm-Schutzpapier überklebt. Sie müssen allerdings ausprobieren, ob der Filmtransport dann nicht zu schwergängig wird.
Bild 2: Ausschnitt aus einer Filmandruckplatte einer Datenrückwand. Problemkandidaten sind die Strukturen der Filmandruckplatte, d. h. der Niet (links oben), das Dellenmuster und das Fenster (rechts oben) für die Dateneinbelichtung.
Objektive und Fokussierung
Ein paar Worte sind auch noch über die Objektive zu verlieren. Was mit Licht in einem Objektiv passiert, hängt von der Wellenlänge des Lichts ab. Die Brennweite einer Linse für rotes Licht ist eine andere als für blaues Licht. Bei primitiven optischen Systemen, z. B. Kinderfernrohren oder billigen Lupen können Sie das direkt beobachten: Wenn Sie etwa mit einer Billiglupe einen schwarzen Buchstaben auf weißem Papier betrachten, sehen Sie einen Farbsaum um den Buchstaben. Folgerichtig muss man, wenn man mit rotem oder gar infrarotem Licht fotografiert, ein Objektiv anders fokussieren als für sichtbares Licht. In den guten alten Zeiten vor dem Aufkommen des Autofokus trug praktisch jedes Objektiv eine IR-Markierung. Man fokussiert mit einer solchen Markierung zunächst nach Sicht oder Entfernungsmesser, liest die eingestellte Entfernung ab und verstellt dann das Objektiv so, dass diese Entfernung nicht mehr auf der normalen Scharfstellmarkierung steht, sondern auf der IR-Markierung.
Leider haben viele AF-Objektive diese Markierung nicht mehr. Bei diesen müssen Sie raten, wie Sie Ihr Objektiv einstellen müssen. Generell liegen Sie nicht ganz falsch, wenn Sie es auf eine geringfügig nähere Entfernung einstellen als bei normalen Aufnahmen. Blenden Sie möglichst ab, um Schärfentiefe nutzen zu können.
Angeblich soll bei apochromatisch korrigierten Objektiven keine solche Nachstellung nötig sein. Solche Objektive sollen so korrigiert sein, dass der Farbfehler sehr gering ausfällt. Allerdings gibt es m. W. keine feste Spezifikation für den Wellenlängenbereich, für den diese Korrektion gilt. Es kann also sein, dass ein APO-Objektiv von Zeiss für einen anderen Wellenlängenbereich korrigiert ist als ein solches von Sigma, und ganz große Zweifel habe ich daran, dass sich die APO-Korrektion (gleich ob Zeiss oder Sigma) weit über den sichtbaren Bereich hinaus erstreckt, denn je breiter das zu korrigierende Spektrum, desto größer der Aufwand, und desto größer auch die Abstriche, die man an anderer Stelle hinnehmen muss. Auch hier kann man also nur die Empfehlung wiederholen, möglichst Schärfentiefe zu nutzen.
Eine ganz so exakte Wissenschaft wie die Markierung Sie glauben machen könnte, ist die Fokussiererei im IR eh nicht. Sie verstehen das schnell, wenn Sie sich bewusst machen, dass
- auch für die IR-Markierung (so sie denn vorhanden ist) möglicherweise von Hersteller zu Hersteller andere Kriterien genutzt werden, und dass
- Sie je nach Filter und spektraler Empfindlichkeit des Films mit unterschiedlichen "Mischungen" von sichtbarem und unsichtbarem Licht fotografieren.
Punkt 2 bedeutet aber, dass Sie bei Verwendung eines auch sichtbares Licht durchlassenden Filters auf dem Film ein sichtbares und ein infrarotes Bild haben, die sich überlagern, die aber nicht genau in derselben Ebene fokussiert werden.
So gesehen empfiehlt es sich m. E. bei Verwendung eines noch recht gut durchsichtigen, also zusätzlich zum IR eine Menge sichtbaren Lichtes durchlassenden Rotfilters (z. B. #25 oder #29) nicht, auf die IR-Markierung einzustellen, sondern vielleicht nur eine geringe Korrektur in Richtung dieser Markierung vorzunehmen. Nur wenn Sie ein visuell undurchsichtiges, also nur noch IR durchlassendes Filter verwenden, ist die Benutzung der IR-Markierung sicher empfehlenswert.
Praktische Aspekte
Filmwechsel im Dunkeln?
Infrarotfilme sind mehrheitlich nicht eben handhabungsfreundlich. Schon die Warnung auf der Filmdose "Nur in völliger Dunkelheit in die Kamera einlegen" spricht Bände. Wer unterwegs in der Lage sein möchte, IR-Film zu wechseln, der braucht zwingend einen Wechselsack. Üben Sie vorher ausgiebig, wie Sie ohne Sichtkontakt und in dem eingeschränkten Volumen, das so ein Wechselsack bietet, einen Film in Ihre Kamera einlegen. Bei manchen Kameras (z. B. die besagte Horizon) ist das keine reine Freude. Je nach Kamera lohnt es sich, in einen großvolumigen Wechselsack zu investieren, denn die Kamera muss mit aufgeklappter Rückwand, dem Film und Ihren beiden Händen darin Platz finden.
Beachten Sie auch, dass die Verschlusslamellen vieler moderner Kameras oft aus extrem dünnem - und daher empfindlichen - Metall gefertigt sind, um Masse zu sparen und die rekordverdächtigen Verschlusszeiten wie 1/4000 oder 1/8000 Sekunde erzielen zu können. Diese Verschlusslamellen sollten Sie möglichst nicht berühren, während Sie tastend den Film in die Kamera fummeln, sonst riskieren Sie Schäden.
IR-Filme kommen auf einem klaren Träger daher. Das hat den Vorteil, dass man die Filme problemlos auch für Dias benutzen kann. Ein Nachteil eines nicht eingefärbten klaren Trägers ist aber, dass ein solcher wie ein Lichtleiter wirkt. Licht, das sich entlang der Negativebene im Träger ausbreitet, wird - anders als in einem grau eingefärbten Träger - nur wenig geschwächt und kann daher je nach Film und Lichtintensität die ersten 10 bis 15 Negative verschleiern, wenn Sie die Zunge eines IR-Films dem Licht aussetzen. Ein Beispiel zeigt Bild 3.
Bild 3: Stück eines Films, der mit "heraushängender Zunge" dem Licht ausgesetzt war.
Der Lichtleitereffekt im klaren Träger ist aber nicht der einzige Grund, warum IR-Filme nur im Dunkeln in die Kamera eingelegt werden dürfen. Darauf muss man einmal hinweisen, damit niemand auf den Gedanken kommt, seine IR-Filme im Tageslicht aus der Kamera zu nehmen, nachdem er den Filmanfang beim Zurückspulen in die Patrone gezogen hat. Es ist wohl technisch nicht drin, das Patronenmaul ab einer gewissen Wellenlänge IR-dicht und dennoch durchlässig für den Film zu machen. Die Wellenlängenabhängigkeit der "Undichtigkeit" ist der Grund dafür, dass nicht alle Filme gleichermaßen anfällig sind. Filme mit einer sich nicht gar so weit ins IR erstreckenden Empfindlichkeit, z. B. Maco IR 750 c, können auch in gedämpftem Licht eingelegt werden, Ilford SFX, dessen Empfindlichkeit sich nicht allzu weit ins Rote erstreckt, wie normaler Film, d. h. nicht gerade in praller Sonne, sondern mindestens im Körperschatten, besser noch bei gedämpftem Licht.
Auch hinsichtlich der Entwicklungstanks habe ich schon die Warnung gelesen, dass nur Edelstahltanks zur Entwicklung von IR-Filmen geeignet seien. Ich benutze selber Kunststofftanks von JOBO für meine IR-Filme, und Probleme habe ich noch keine beobachtet. Wer Zweifel hat, ob sein Tank geeignet ist, dem sei empfohlen, nicht direkt unter einer IR-reichen Lichtquelle (Glühlicht) zu entwickeln, sondern lieber unter IR-armem Licht von Leuchtstofflampen. Die Empfehlung, den Tank mit Aluminiumfolie zu verkleiden, die u. a. in [4] gegeben wird, mag praktikabel sein, aber ich frage mich, ob es sich bei der befürchteten Durchlässigkeit nicht auch um eine durch Abschreiben eines Autoren vom nächsten vervielfältigte Legende handelt. Mir jedenfalls ist niemand bekannt, der das Problem selbst erfahren hätte.
Stativbenutzung
Stative braucht man bei der IR-Fotografie nicht nur, weil die Filter mit der eklatantesten Wirkung (Schwarzfilter) auch am meisten Licht wegknabbern und daher die effektive Empfindlichkeit der Filme drastisch reduzieren, sondern bei SLR-Kameras auch, weil sie für das Auge undurchsichtig sind und kein Sucherbild mehr sehen lassen.
Dunkelblitzmethode
Nachdem ich weiter oben versucht hatte, Ihnen klarzumachen, dass man mit IR nicht ohne sichtbares Licht, also im Dunkeln, fotografieren kann, möchte ich jetzt doch noch einen Weg erwähnen, wie Sie es doch können. Der Fotoreporter Weegee ist z. T. für seine etwas voyeuristischen Fotos von Liebespaaren in dunklen Kinos bekannt. Diese Fotos waren Aufnahmen nach der Dunkelblitzmethode. Wie geht das? Eigentlich ganz einfach: Statt das IR-Filter vor das Objektiv zu setzen, filtern Sie die Lichtquelle, also das Blitzgerät. Der dann immer noch entstehende Blitz findet im Infraroten statt, weil das Filter praktisch alles sichtbare Licht schluckt. Sie werden (je nach Blitzgerät) das vertraute "Plopp" der Blitzröhre und das Klicken des Verschlusses hören, aber sehen werden Sie äußerstenfalls ein ganz mattes dunkelrotes Aufblitzen, wenn Sie zufällig gerade in Richtung Blitzgerät schauen. Mit einem solchen Blitzgerät können Sie sogar Laboranten in der Duka fotografieren, wenn diese panchromatische Filme verarbeiten, denn panchromatischer Film ist nicht IR-sensibilisiert (ortho ist gar kein Problem, der verträgt sogar normales Rotlicht in vernünftigen Dosen).
Für das Abkleben des Blitzgerätes empfiehlt sich Filterfolie, am besten eine doppelte Schicht des improvisierten IR-Filters nach [1], weil diese Art Filter am billigsten ist. Blitzgeräte sind nämlich so optimiert, dass sie ein möglichst tageslichtähnliches Spektrum emittieren. D.h. aber, dass das allermeiste Licht, das das Blitzgerät abstrahlt, vom Filter geschluckt werden muss - mit katastrophalen Folgen für das Filter. Was passiert, wenn Material Licht absorbiert? Richtig: Es wird warm, und Farbstoffe bleichen aus. Ich hab's nicht selber ausprobiert, aber berichtet wird, dass Gelatinefilter und andere Filterfolien teilweise schon nach einem Schuss mit einem kräftigen Blitzgerät sichtbar ausgebleicht sind.
Hinsichtlich der Kalibrierung des Blitzgerätes, also der Bestimmung seiner Leitzahl, sind Sie auf Experimente angewiesen. Hinweise gibt z. B. die technische Anleitung zum Kodak HIE. Es sollte hinsichtlich der Leitzahl egal sein, ob das Filter vor dem Objektiv sitzt oder vor dem Blitzgerät. Allerdings müssen Sie sich nach dem oben Gesagten darauf einstellen, das Filter häufiger wechseln zu müssen, wenn es vor dem Blitz sitzt.
Filme
Diesen Teil meines Artikels werde ich aus aktuellem Anlass noch ein wenig hinausschieben, um Ihnen möglichst auch eine erste Beschreibung des bald erscheinenden neuen "Mitbewerbers" auf dem IR-Markt geben zu können. Die Fa. MACO hat angekündigt, im Frühjahr einen neuen IR-Film, genannt CUBE 400c auf den Markt bringen zu wollen. Wenn dieser Film hält, was MACO sich davon verspricht, muss sich Kodak warm anziehen. Noch stehen keine KB-Testexemplare zur Verfügung, und wenn ich denn welche bekomme, möchte ich diese natürlich auch unter IR-günstigen Bedingungen testen können, also nicht bei trübem Schmuddelwetter. Ich denke, das rechtfertigt eine gewisse Verzögerung bei Teil 3 dieses Artikels.
Literatur
[1] Making an Improvised Infrared Transmitting Filter, Andrew Davidhazy, School of Photographic Arts and Sciences, Imaging and Photographic Technology Department, Rochester Institute of Technology,
http://www.rit.edu/%7Eandpph/text-infrared-filter.html
Damit Sie nicht rot sehen ...
Thomas Wollstein
Dezember 2001
Jeder Artikel und jedes Buch über Infrarotfotografie fängt damit an, zu erklären, was denn "Infrarot" (IR) eigentlich ist. Für mich bedeutet Infrarot in erster Linie eine Menge Spaß beim Fotografieren, und ich hoffe, den kann ich Ihnen vermitteln. Aufgrund der Tatsache, dass wir mit Licht fotografieren, dass wir selbst nicht sehen, hat die Infrarotfotografie ein Element des Unvorhersagbaren. (Das gilt zumindest wenn man bei klassischer Fotografie auf Film bleibt. Bei digitaler IR-Fotografie kann man sich das Ergebnis ja direkt anschauen.) Damit die IR-Fotografie für Sie nicht zum Lottospiel wird und Sie nicht enttäuscht werden, möchte ich Ihnen einige theoretische Grundlagen vermitteln.
Ich gliedere diesen Artikel in mehrere Teile:
- Grundlagen und Märchen werden gleich zu Anfang besprochen.
- Die Überleitung zu den Filtern ist fließend, und
- die Belichtung steht auch in engem Zusammenhang damit.
Als weitere wesentliche Aspekte werde ich noch - in mindestens einem weiteren Teil des Artikels - Kameras, praktische Aspekte und - ganz wichtig - die verfügbaren Filme ansprechen. Nachdem lange Jahr(zehnt)e nichts auf diesem Markt passierte, tut sich in letzter Zeit wieder etwas, und ab Januar 2002 soll es gar einen neuen Mitbewerber auf dem IR-Filmmarkt geben.
Grundlagen
Licht ist elektromagnetische Strahlung
So fangen viele Artikel an, und der Witz liegt darin, dass diese Feststellung umgekehrt nicht mehr ganz richtig ist. Licht ist sichtbar, und von der elektromagnetischen (EM) Strahlung ist nur ein kleiner Teil sichtbar. Licht ist also immer EM-Strahlung, aber nicht alle EM-Strahlung ist auch Licht. EM-Strahlung wird für fotografische Zwecke durch ihre Wellenlänge charakterisiert, und sichtbar ist der Bereich von knapp unter 400 nm bis knapp über 700 nm Wellenlänge. Ich will Ihnen gar nicht erklären, was Nanometer (nm) sind, und auch die Zahlen brauchen wir nur für ein paar ungefähre Überlegungen, um zu verstehen, was sich hinter den Angaben der Filmhersteller über ihre Filme verbirgt.
Das Wort "infra" kommt aus dem Latein und heißt "unter". Infrarote Strahlung ist die Strahlung, deren Energiegehalt unter dem der vom Auge als "Rot" gesehenen Strahlung liegt. Das Auge sieht Infrarot"licht" nicht mehr, weswegen man streng genommen nicht von "Licht" reden kann, aber das haben wir jetzt klargestellt, und so kann ich im folgenden doch von IR-"Licht" reden, und Sie werden wissen, was ich meine.
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Anmerkung: |
Die Farben des Lichtes sind im Spektrum so angeordnet, dass man sie sich mit Hilfe des englischen Namens
Roy G. Biv
gut merken kann. Der steht nämlich für
R ot
O range
Y ellow (= Gelb)
G rün
B lau
I ndigo (= Tiefblau)
V iolett
Die Wellenlänge wird von Rot nach Violett immer kürzer, also je kürzer die Wellenlänge, desto blauer das Licht. Rot beginnt bei gut 700 nm Wellenlänge, Violett endet bei knapp 400 nm. Der uns interessierende Bereich liegt zwischen 700 und 1000 nm, also im gerade eben Infraroten, das man auch nahes Infrarot nennt.
Infrarot = Hitzestrahlung?
Das werden Sie, wenn Sie erzählen, dass Sie IR-Fotos machen, oft zu hören bekommen, und es stimmt - ungefähr in demselben Sinne wie Licht eben EM-Strahlung ist. Sogleich werden Ihre Gesprächspartner an Fotos im Dunklen und die Ingenieure unter ihnen vielleicht an Thermografien denken.
Es stimmt, dass heiße Objekte EM-Strahlung aussenden. Je heißer ein Körper ist, desto mehr Energie hat er zur Verfügung, und um so mehr strahlt er als EM-Strahlung ab. Aus Erfahrung wissen wir, dass ein Körper, der so gerade eben sichtbar zu glühen anfängt, zunächst tiefrot strahlt, wenn er heißer wird, immer heller rot, schließlich immer weißlicher. Je heißer also ein Körper, desto mehr verschiebt sich das Spektrum seiner Strahlung vom langwelligen roten zum kurzwelligem blauen Licht hin. Sie können das mit einer Glühbirne und einem Dimmer ausprobieren. Sie werden deren Wendel nicht so heiß bekommen, dass sie blau glühen, aber Sie haben sicher schon bemerkt, dass das Licht einer Halogenlampe mit ihren heißeren Glühfäden weniger rötlich-gelb ist als das von gewöhnlichen Glühlampen. Ganz eklatant wird die Farbverschiebung, wenn Sie bei Glühlampenlicht mit Tageslicht-Farbfilm fotografieren: Die weiße Raufaser-Tapete ist auf dem Foto plötzlich gelblich oder rötlich.
Dennoch: Ein Mensch ist nicht heißblütig genug, als dass man ihn aufgrund der von ihm erzeugten IR-Strahlung auf IR-Film aufnehmen könnte. Auch Thermografien sind mit den uns zur Verfügung stehenden IR-Filmen nicht zu erzielen. Die einer Temperatur von etwa 40°C entsprechende Wellenlänge ist noch ungefähr 10mal zu lang dafür. Sie fällt weit außerhalb des Spektrums, für das der Film noch empfindlich ist.
IR-Licht kommt in Begleitung von reichlich sichtbarem Licht in der Sonnenstrahlung und im Licht von Glühlampen vor. Für die bildmäßige IR-Fotografie mit silberbasierten Filmen gilt also i. d. R., dass sie nur dann möglich ist, wenn zusätzlich zum IR auch reichlich sichtbares Licht vorhanden ist. Die Ausnahme von der Regel ist lediglich die Dunkelblitzmethode à la Weegee, die weiter unten besprochen wird.
Wie "sieht" der Film?
Die Silberhalogenide, aus denen sich die lichtempfindliche Schicht zusammensetzt, sind von sich aus nur in einem engen, relativ kurzwelligen (also bläulichen) Bereich lichtempfindlich. Aus diesem Grund waren die ersten Silberemulsionen vorwiegend blauempfindlich, d. h. sie bildeten (im Positiv) Blaues zu hell und Rotes zu dunkel (oder gar nicht) ab. Erst im Laufe der Jahrzehnte glückte es den Emulsionsherstellern, durch Beimischung von Farbstoffen zur Emulsion auch immer roteres Licht für die Fotografie zugänglich zu machen. Zunächst zielten sie darauf ab, Filme mit tonwertrichtiger Farbwiedergabe zu erzeugen (panchromatisches Material), aber später auch - zunächst für wissenschaftliche und (wie sollte es anders sein) militärische Zwecke - Filme, die im nicht mehr sichtbaren, eben Infraroten empfindlich waren. Immer blieb dabei die primäre Empfindlichkeit der Silberhalogenide für blaues Licht erhalten. Diesen Punkt hebe ich noch einmal hervor, weil er später noch einmal wichtig werden wird.
Jeder IR-Film ist auch für sichtbares Licht empfindlich, meist sogar empfindlicher als für IR.
Wenn Sie also einen IR-Film in Ihre Kamera stecken und damit einfach so drauflos fotografieren, bekommen Sie Fotos, die nicht als IR-Fotos zu erkennen sind, denn das sichtbare Licht ist wesentlich intensiver als das infrarote, und Sie werden auf dem Film hauptsächlich das vom sichtbaren Licht hervorgerufene Bild finden. Um IR-Fotos zu schießen, müssen Sie alles Licht außer dem infraroten ausschließen, und dazu brauchen Sie
Filter
Für die Infrarotfotografie verwendet werden Gelb-, Orange-, Rotfilter sowie Infrarot- und Schwarzfilter. Welches Filter einen wie starken Effekt hat, hängt auch von der Empfindlichkeit des Films ab. Gäbe es einen Film, der nur im IR empfindlich wäre, bräuchten wir kein Filter. Bei einem Film, der ausschließlich im Blauen und Infraroten empfindlich ist (z. B. Konica), kann schon ein Filter, das nur das blaue Licht aussperrt (z. B. Rotfilter #25 oder #29), ausreichen um einen satten IR-Effekt zu erzielen. Bei einem Film aber, der näherungsweise panchromatisch reagiert und zusätzlich eine ins IR erweiterte Empfindlichkeit aufweist, müssen wir, um den typischen IR-Effekt zu erzielen, möglichst alles Licht abschneiden, das unterhalb des IR liegt. In diesem Sinne verstehen Sie die nachfolgenden Aussagen bitte nur als allgemeine Hinweise. Genaueres dazu kommt bei der Besprechung der Filme, der ich einem weiteren Teil dieses Artikels widmen möchte.
Gelb- und Orangefilter sperren blaues Licht weitgehend aus. Dadurch wird blauer Himmel dunkler wiedergegeben, und die Schatten in sonnenbeschienenen Szenerien werden dunkler (da das auf sie auftreffende Licht ja nicht direkt von der Sonne, sondern vom blauen Himmel kommt). Atmosphärischer Dunst bei Fernaufnahmen wird reduziert. Der typische IR-Effekt ist jedoch meist noch recht schwach.
Rotfilter gibt es in den verschiedensten Stärken. Normale Rotfilter (#25) erzielen nur bei den Filmen eine deutliche IR-Wirkung, die wirklich nur für Blau und IR empfindlich sind (s. o.). Bei Filmen mit panchromatischer Empfindlichkeit ist der Effekt eher dem des Orangefilters ähnlich, nur stärker. Ähnlich verhält es sich mit dem Dunkelrotfilter (#29), doch kann hier der IR-Effekt schon ansatzweise sichtbar werden.
Tiefrote Kantenfilter und "Schwarzfilter" sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im sichtbaren Bereich fast kein Licht oder gar kein Licht mehr durchlassen, aber mit diesen Filtern kommen Sie in den Bereich der wirklich dramatischen IR-Aufnahmen. Kantenfilter haben ihren Namen daher, dass ihr Absorptionsspektrum eine so genannte Absorptionskante aufweist, einen fast abrupten Übergang von fast völliger Durchlässigkeit bei einer Wellenlänge zu fast völliger Sperrung bei einer etwas kürzeren. (Gewöhnliche Filter zeichnen sich dem gegenüber durch einen sanften Anstieg "von Null auf Hundert" aus.)
Kantenfilter werden nach der Wellenlänge dieses Sprungs gekennzeichnet. Für die IR-Fotografie sind die Filter RG 665 und RG 695 besonders geeignet. Ich verwende mit Vorliebe das RG 665-Filter (entspricht etwa #70 in der Kodak-Nomenklatur), da es aus meiner Sicht einen idealen Kompromiss bietet: Man kann gerade noch etwas dadurch sehen, also auch eine Spiegelreflexkamera (SLR) noch mit vorgesetztem Filter ausrichten, aber der IR-Effekt ist schon sehr ausgeprägt.
So genannte Schwarzfilter (#87, #87C usw.) sind nur für das Auge schwarz. Der IR-Film kann noch durch sie "sehen". Der IR-Effekt ist dementsprechend noch etwas ausgeprägter als bei Kantenfiltern, aber es ist ein gravierender Nachteil für Benutzer von SLR-Kameras, dass man durch diese Filter nichts mehr sieht. Man muss also zwingend ein Stativ benutzen, die Kamera ohne Filter ausrichten, das Filter aufsetzen und dann fotografieren. Benutzer von Sucherkameras sind da fein raus. Sie schauen nicht durchs Objektiv auf ihr Motiv. Folglich sehen sie auch mit aufgesetztem Schwarzfilter alles bestens durch den Sucher.
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Tipp: |
Nach zunehmender Stärke des Effektes geordnet sind die Filter nachstehend aufgeführt.
Farbe |
Kodak-Nummer |
Kommentar |
gelb dunkel |
(15) |
kein oder nur geringer Wood-Effekt |
orange |
(22) |
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rothell |
(25) |
ab hier abwärts Wood-Effekt bei geeigneten Filmen (Konica) |
rot |
(29) |
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645 nm |
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665 nm |
ab hier abwärts deutlicher Wood-Effekt bei allen IR-Filmen |
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695 nm |
(89B) |
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715 nm |
(88A) |
ab hier abwärts praktisch undurchsichtige Filter |
780 nm |
(87) |
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830 nm |
(87C) |
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850 nm |
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1000 nm |
Beachten Sie, dass auch IR-Filme nur bis zu einer gewissen Grenze sensibilisiert sind. Ein 1000-nm-Filter mit einem Film zu nutzen, der nur bis 800 nm sensibilisiert ist, hat ungefähr dieselbe Auswirkung wie mit aufgesetztem Objektivdeckel zu fotografieren. Recht universell einsetzbar sind die gerade noch durchsichtigen Filter wie RG 665.
Was ist denn eigentlich der besagte "IR-Effekt"?
Unter diesem Stichwort versteht man eine Reihe von typischen Kennzeichen von IR-Bildern, als da wären
1. dunkler bis schwarzer Himmel
Der blaue Himmel bei gutem Wetter erscheint auf IR-Fotos fast oder gar völlig schwarz. Dass der Himmel überhaupt blau ist, liegt daran, dass die Erdatmosphäre kurzwelliges (sprich: blaues) Licht stärker streut als langwelliges (grünes und rotes). Von hier unten auf der Erde schauen wir, wenn wir die Sonne nicht gerade vor uns haben, auf den Himmel (also die Atmosphäre) wie jemand, der vor einer Leinwand sitzt, mit dem Projektor im Rücken. Im Falle des Himmels wird die Leinwand von der Sonne mit weißem Licht beschienen, aber die Leinwand, pardon: der Himmel lässt rotes Licht einfach durch und wirft blaues zurück. Sehen können wird nur das Licht, das zurückgeworfen wird. Konsequenz: Der Himmel ist blau. Da jedoch rotes Licht nicht zurückgeworfen wird, wird er, wenn wir das blaue Licht durch ein Filter ausschalten, völlig schwarz. Schauen wir abends in Richtung Sonne durch die Leinwand (lies: Atmosphäre), sehen wir den entsprechenden Effekt von der anderen Seite der Leinwand: Das blaue Licht wird nicht (eigentlich nur weniger) durchgelassen, und alles scheint rot, auch die Sonne, die bekanntermaßen unabhängig von der Tageszeit weißes Licht abstrahlt.
2. Blattwerk und Gras erscheinen weiß
Diese als Wood-Effekt bekannte Erscheinung ist immer wieder Gegenstand hitziger Diskussionen. Es gibt verschiedene Erklärungen für die Ursache, aber uns soll hier nur interessieren, dass der Wood-Effekt dadurch entsteht, dass Pflanzen IR-Strahlung um so stärker reflektieren, je mehr Chlorophyll (grünen Blattfarbstoff) sie enthalten. Es wird also nicht alles weiß, was im Sichtbaren grün aussieht, sondern nur das, was Chlorophyll enthält.
3. Dunst verschwindet (oder wird doch zumindest sehr gemindert)
Der Grund hierfür ist derselbe wie unter 1. Kleine Teilchen in der Atmosphäre (also Staub, Wassertröpfchen usw.) haben ebenfalls die Tendenz, das blaue Licht stärker zu streuen als das rote. Wenn diese Teilchen also das Licht, das wir an unseren Film lassen, nicht zurückwerfen, kann der Film diese Teilchen nicht sehen, und Dunst und Staub verschwinden.
4. Halos, Überstrahlungen, Auren
Dies ist eigentlich kein IR-Effekt, sondern etwas, das bei allen Filmen vorkommt und das Filmentwickler (nicht die Gebräue, die das Latentbild in ein Silberbild verwandeln, sondern die Leute, die sich die Zusammensetzung der Filme ausdenken) normalerweise bei Filmen zu verhindern suchen. Wenn man eine Emulsion auf einen klaren Träger aufbringt und sonst nichts tut, kommt es automatisch zu so genannten Lichthöfen, zu einer Überstrahlung der stark belichteten Bereiche in angrenzende schwach belichtete Bereiche, denn das auf den Film treffende Licht wird in der Emulsion ein wenig aufgefächert, im klaren Träger nicht geschwächt und an dessen Rückseite aufgefächert wieder zur Emulsion zurück reflektiert. Das zu verhindern ist bei gewöhnlichen Filmen die Aufgabe der Lichthofschutzschicht auf der Filmrückseite. Kodak hat bei der Entwicklung des Kodak HIE aus welchen Gründen auch immer diese Schicht weggelassen. Daher wird diese Überstrahlung nicht verhindert. Sie hat sich (wie in der Kunst so vieles, was anfänglich als Fehler galt) im Laufe der Zeit für viele Fotografen zu einem Leistungsmerkmal entwickelt. Dass es auch bei IR-Filmen ohne Überstrahlung geht, zeigen z. B. die IR-Filme von MACO, die eine Lichthofschutzschicht haben.
Die Ausprägung der Halos lässt sich durch Belichtung und Entwicklung beeinflussen. Überreichliche Belichtung und/oder Entwicklung verstärken den Effekt.
Überstrahlungen können bei bestimmten Motiven sehr gut wirken und ihnen einen romantischen, ätherischen oder auch mystischen Eindruck verleihen (z. B. alte Friedhöfe), bei anderen Motiven, bei denen bei aller Abstraktion durch IR eine sachlichere Atmosphäre gewünscht wird (z. B. moderne Architektur) können sie auch unpassend erscheinen.
5. Körnigkeit
Auch das ist, wie sich durch die Existenz feinkörniger IR-Filme zeigen lässt, kein echter IR-Effekt, aber durch das lange Jahre bestehende Quasi-Monopol von Kodak zu einer Sehgewohnheit geworden. Darüber hinaus ist die Körnigkeit auch ein Effekt, der sich durch Entwicklung und Belichtung (!) in gewissem Rahmen beeinflussen lässt. So habe ich z. B. IR-Negative auf Kodak HIE, die in Tetenal Ultrafin entwickelt wurden und die ich nicht über 18 ´ 24 cm hinaus vergrößern mag, weil das Korn unangenehm auffällig ist. Auf der anderen Seite habe ich solche, die ich in XTOL 1+3 entwickelt habe, und die noch bei 24 ´ 30 cm wenig störendes Korn aufweisen. Auch die Körnigkeit kann manchen Motiven gut bekommen oder zumindest nicht stören, aber für bestimmte Themenbereiche (wieder ist Architektur ein gutes Beispiel) bin ich persönlich froh, dass es auch ohne geht.
6. Samtige Hauttonwiedergabe bei Porträt und Akt
Schon ein Orange- oder Rotfilter steht in dem Ruf, Hautunreinheiten gnädiger darzustellen, was wohl daran liegt, dass diese meist mit Rötungen einhergehen, die durch das Filter aufgehellt werden. Besonders für die Aktfotografie schwören aber einige Fotografen auf die Hauttonwiedergabe des IR-Films.
Es gibt allerdings auch "unerwünschte Nebenwirkungen": Mitunter werden im IR-Porträt sonst unsichtbare, dicht unter Haut liegende Blutgefäße oder auch Bartstoppeln sichtbar.
Belichtung
Wir nähern uns dem dunkelsten Thema der IR-Fotografie. In einem Buch las ich, dass Belichtungsmesser so sähen "wie das menschliche Auge". Das ist Unfug, zumindest aber sehr unpräzise ausgedrückt. Der Autor wollte vermutlich sagen, dass auch ein Belichtungsmesser durch ein 87er Filter nicht mehr messen kann. Leider ist es so, dass nicht alle Belichtungsmesser dieselbe spektrale Empfindlichkeitsverteilung aufweisen. Bei manchen kann man durch aufgesetzte Rot- und Dunkelrotfilter und vielleicht auch noch Kantenfilter messen, andere zeigen gar nichts oder Mondwerte an.
Belichtungsmesser sind in jedem Fall nicht für die Anwendung im IR gedacht. Das sagt praktisch alles. Gehen Sie also ruhig davon aus, dass Sie kein geeignetes Messgerät haben, um IR präzise und reproduzierbar zu messen. Was also tun? Die Hersteller der Filme geben in den Datenblättern oft eine Standardbelichtung für sonnenbeleuchtete Motive an, empfehlen aber, Belichtungsreihen zu schießen. (Kodak rät zu einer Belichtungsreihe über sage und schreibe 5 Blenden!) Sie sind in der Tat gut beraten, dieser Empfehlung zumindest anfänglich zu folgen, denn wenn Ihr Belichtungsmesser in zwei Situationen denselben Lichtwert X anzeigt, heißt das nicht, dass auch beide Male dieselbe Menge IR-Strahlung da ist. Morgens und abends, wenn die Sonne dicht über dem Horizont steht, legt das Sonnenlicht einen langen Weg durch die Erdatomsphäre zurück, auf dem es durch Wechselwirkung mit den Luftmolekülen und luftgetragenem Staub nicht nur geschwächt, sondern auch in seiner spektralen Zusammensetzung verändert wird. Blaues Licht wird, wie oben erwähnt, wesentlich stärker geschwächt als rotes. (Daher die mit tieferem Sonnenstand immer roter werdende Sonne und daher auch die Reduzierung atmosphärischen Dunstes durch Filter, die blaues Licht nicht durchlassen.) Wenn Sie also am Abend mit Ihrem Belichtungsmesser eine bestimmte Menge sichtbares Licht messen, wird gleichzeitig viel mehr IR vorhanden sein als wenn Sie dieselbe Menge Licht mittags angezeigt bekommen.
Auch sollte man beachten, dass ein Motiv, das ein bestimmtes Reflexionsverhalten im sichtbaren Licht aufweist, im IR ganz anders aussehen kann. Bekanntes Beispiel hierfür ist grünes Blattwerk, das im Sichtbaren grün - für Schwarzweiß mittel- bis dunkelgrau - aussieht, im IR jedoch gleißend weiß. Sie tun also besonders bei IR-Aufnahmen gut daran, eine Lichtmessung statt einer Objektmessung vorzunehmen.
In [3] empfiehlt der Autor, man möge bei SLR-Kameras mit aufgesetztem strengem Filter auf die Stellen messen, die im Sucher am hellsten erscheinen. Wenn das - wie der Autor behauptet - gut funktioniert, ist das nach dem oben Gesagten auf ein glückliches Zusammentreffen einer bestimmten Empfindlichkeitsvereilung des Belichtungssensors mit den liebsten Motiven des Autoren zurückzuführen. Allgemeingültig ist diese Aussage keineswegs.
Damit Sie nicht für ewig und alle Zeiten darauf angewiesen sind, für jede Aufnahme 5 bis 6 Negative zu verbrauchen (IR-Film ist schließlich nicht der billigste!), empfehle ich Ihnen, sich bei den ersten Filmen Notizen über die Lichtverhältnisse zu machen. Wenn Sie sich zusammen mit den Kotaktabzügen die Notizen anschauen, können Sie recht schnell erkennen, dass Sie z. B. bei Mittagssonne in südlichen Gefilden trotz für das Auge undurchsichtigen 87er Filters mit einer Empfindlichkeitseinstellung von ISO 50/18° bis ISO 100/21°, teilweise auch ISO 200/24°, gute Ergebnisse erzielen können, während Sie bei bedecktem Himmel eine um mindestens ein bis zwei Blendenstufen geringere Empfindlichkeit ansetzen müssen, um Fotos zu erzeugen, die Ihnen gefallen.
Beachten Sie allerdings eines: Ihre Kalibrierung gilt streng genommen nur für die geographischen Bedingungen, unter denen Sie sie durchgeführt haben. Eine Bekannte berichtete mir von enttäuschenden Erfahrungen mit IR-Film im Hochgebirge. Das scheint mir gut erklärbar: Im Hochgebirge ist der Weg, den die Sonnenstrahlen innerhalb der Atmosphäre zurückgelegt haben, deutlich kürzer. Das bedeutet, dass weniger Licht von der Atmosphäre absorbiert/gestreut wird. Da aber die Atmosphäre blaues Licht beim Durchgang stärker schwächt als rotes, dürfte im Gebirge zwar ungefähr dieselbe Intensität im IR ankommen wie bei gleicher geografischer Breite auf Meeresniveau, aber deutlich mehr blaues Licht. Der Belichtungsmesser misst das sichtbare Licht, lässt sich also durch das reichlicher vorhandene blaue Licht zu überhöhten Anzeigen verleiten.
Noch einmal zur Messtechnik: Am empfehlenswertesten erscheint mir Lichtmessung (entweder direkt mit einem Handbelichtungsmesser oder durch Ersatzmessung des von einem mittelmäßig hellen Objekt (Graukarte, Handfläche o. ä.) reflektierten Lichts. Von der Messung durch ein Filter rate ich ab.
Erfahrung ist alles!
Aus der Tatsache, dass der Belichtungsmesser etwas Anderes sieht als der Film, ergibt sich zwingend, dass Sie Ihrem Belichtungsmesser nicht (blind) trauen können. Nachfolgend ein paar einfache Regeln zur Interpretation der Belichtungsmesseranzeige:
- Der IR-Anteil im Sonnenlicht ist über den Tag nicht konstant.
Aufgrund des unterschiedlichen Verhaltens von blauem und rotem Licht beim Durchgang durch die Atmosphäre ist bei tief stehender Sonne (also langem Weg des Lichts durch die Atmosphäre) der Rot- und IR-Anteil größer. Man sieht das an der tiefroten untergehenden Sonne. Ihr Belichtungsmesser wird also zu wenig messen! Gehen Sie von einer um eine halbe bis eine Blende erhöhten effektiven Empfindlichkeit aus.
- Der IR-Anteil ist abhängig von der geografischen Breite und Jahreszeit.
Je tiefer die Sonne steht, desto länger der Lichtweg durch die Atmosphäre, was wiederum heißt, je mehr IR (immer im Verhältnis zum sichtbaren Licht) liegt vor. Also: Je weiter Sie vom Äquator weg kommen, desto höher wird Ihre effektive Empfindlichkeit.
- Der IR-Anteil ist abhängig von der Wettersituation.
Ein bedeckter Himmel mindert sichtbares und IR-Licht. Der relative IR-Anteil ist daher geringer als bei Sonnenlicht. Setzen Sie eine reduzierte Empfindlichkeit an.
Mitunter sehen Sie übrigens bei IR-Aufnahmen bei für das Auge völlig gleichmäßig bewölkt aussehendem Himmel auf Ihrem IR-Foto doch noch Struktur in den Wolken.
- Glühlampenlicht enthält besonders viel IR.
Es gilt also sinngemäß das für Sonnenuntergang und Abend Gesagte (höhere effektive Empfindlichkeit). [Bei konventionellen Filmen, bei denen die Empfindlichkeit zu langen Wellen hin abnimmt, müssen Sie entsprechend von einer leicht (1/3 Blende) reduzierten Empfindlichkeit bei Glühlicht ausgehen.]
Beispielbilder
Ganz ohne ein paar Beispielbilder möchte ich diesen Artikel doch nicht beschließen. Nachfolgend also einige kommentierte Bilder.
Bild 1: Sonnenbeschienenes Haus mit Wiese, Rouffignac, Südfrankreich
Deutlich zu sehen sind der Wood-Effekt (weißes Grünzeug) und der schwarz wiedergegebene blaue Himmel. Aufnahme auf Kodak HIE durch Filter RG 665, entwickelt in Xtol 1+3.
Bild 2: Gipskopf, Belvès, Südfrankreich
Dieses Foto zeigt die charakteristischen Überstrahlungen (siehe z. B.die Blätter vor der dunklen Mauer) und die tiefen Schatten. Der Bildton - Leser der letzten Kolumne werden es ahnen - ist eine Konsequenz des Lith-Verfahrens. Aufnahme auf Kodak HIE durch Filter RG 665, entwickelt in Xtol 1+3.
Bild 3: Lanterne des Morts (Totenlaterne), Sarlat, Südfrankreich
IR ist nicht nur etwas für Sonnentage. Dieses Foto entstand bei bedecktem Himmel. Bildton wieder durch Lith-Verfahren. Aufnahme auf Kodak HIE durch Filter RG 665, entwickelt in Xtol 1+3.
Alle Bilder © Thomas Wollstein
Literatur
[1] Making an Improvised Infrared Transmitting Filter, Andrew Davidhazy, School of Photographic Arts and Sciences, Imaging and Photographic Technology Department, Rochester Institute of Technology, http://www.rit.edu/%7Eandpph/text-infrared-filter.html (Link geprüft 07.09.01)
[2] Internet-Seiten von Marco Pauck, speziell http://www.pauck.de/marco/photo/infrared/infrared.html (nicht mehr online)
[3] Mark Brandenburgh, Auf anderer Wellenlänge, in Schwarzweiß 27 (November 2000)
[4] Rudolf Hillebrand, Infrarot - Fotografie auf anderer Wellenlänge, Verlag Phtographie 1992, ISBN 3-7231-0019-8
oder: Auch "falscher" Entwickler kann "richtige" Ergebnisse liefern
Thomas Wollstein
November 2001
Die Begriffe "richtig" und "falsch" gibt es in Geschmacksfragen und in Bezug auf künstlerische Ausdrucksformen nicht, oder sie haben zumindest nur eine sehr relative Bedeutung. Gäbe es den besten Entwickler und/oder das "beste" Papier, so würden wir alle damit arbeiten. Das würde zwar manchen Glaubensdisput in Internetforen beenden, wäre auf der anderen Seite aber auch schade, denn unsere kreativen Ausdrucksmöglichkeiten wären stark eingeschränkt. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen eine Technik vorstellen, bei der man die interessanten Ergebnisse gerade durch die Verwendung eines "falschen", d. h. eines für einen anderen Verwendungszweck gedachten Entwicklers erzielt.
Der klassische Lith-Entwickler ist ein höchst aktiver, geradezu aggressiver, kontraststeigernd arbeitender Entwickler auf Hydrochinonbasis, der primär dazu formuliert ist, grafische Filme in Maschinen zu purem Schwarz-Weiß-Kontrast zu entwickeln. Aber ähnlich wie man am Bau einen Schraubenschlüssel als Schlagwerkzeug benutzt, wenn kein Hammer zur Hand ist, lässt sich auch Lith-Entwickler für die bildmäßige Fotografie einsetzen, und zwar nicht nur als Notbehelf, sondern geradezu als ein die Ausdrucksmöglichkeiten monochromer Fotografie fantastisch erweiterndes Werkzeug.
Der Einstieg (in die Sucht?)
Der Einstieg ins Lith-Printing - und damit vielleicht in die Sucht - ist einfach getan. Sie benötigen dazu außer Ihren üblichen Duka-Utensilien nur die folgenden Zutaten:
- geeignetes Papier (eine Liste geeigneter Sorten finden Sie in Tabelle 1 am Ende des Artikels),
- Lith-Entwickler (siehe Tabelle 2) sowie
- etwas Geduld und gute Nerven.
Gibt der Hersteller keine Tipps für das Lith-Verfahren, empfehle ich Ihnen, mit einem gegenüber normaler Anwendung um den Faktor zwei bis vier stärker verdünnten Entwickler anzufangen, also bei Normalverdünnung 1+4 vielleicht mit 1+10.
Ihr erster Lith-Print
Der Weg zu Ihrem ersten Lith-Print beginnt auf ganz konventionelle Weise:
- Bestimmen Sie für das verwendete Papier mittels eines in normalem Entwickler entwickelten Probestreifens durch Belichtungsmessung oder ganz einfach aus Erfahrungswerten die Zeit, bei der die Lichter vernünftig durchgezeichnet sind. Wenn die Schatten dabei absaufen, macht das nichts. Achten Sie auch nicht auf die Gradation, sie spielt keine wesentliche Rolle. Wenn Sie also Gradationswandelpapier verwenden, lassen Sie die Filter weg. Die Belichtungszeiten werden auch ohne sie lange genug, dann
- belichten Sie für das Lith-Bild ein Blatt mit Überbelichtung um 2 bis 3 Blenden (das heißt mit dem 4- bis 8fachen der nach (1) bestimmten Belichtungszeit).
- Schieben Sie das Bild - Schicht nach oben - in den Entwickler und gedulden Sie sich, wobei Sie gelegentlich, z. B. alle 10 s der Entwicklerschale einen leichten Schubs geben oder eine Seite leicht anheben und wieder absetzen, um für die nötige Bewegung zu sorgen. Dabei ist es ganz günstig, wenn Sie nicht immer dieselbe Ecke der Schale anheben, denn eine Vorzugsrichtung bei der Bewegung kann sich in Form eines Musters auf dem fertigen Bild wiederfinden.
- Nach einiger Zeit (wenn Sie hoch verdünnten Entwickler benutzen, haben Sie inzwischen vermutlich in Gedanken alle Fehlermöglichkeiten erwogen, z. B. Rotfilter vergessen, falsche Papierseite belichtet, Entwickler falsch angesetzt usf.) sehen Sie zarteste Spuren eines Bildes entstehen. Während man von frischem konventionellem Entwickler vielleicht eine Bildspurzeit von 30 s bis 1 min gewohnt ist, sind beim Lith-Printing mit stark verdünntem Entwickler (s. u.) Zeiten von 3 bis 8 Minuten - wohlgemerkt Bildspurzeit, nicht Entwicklungszeit - nicht selten. Lassen Sie sich durch die anfänglich langsame Entwicklung nicht täuschen. Das Tempo beschleunigt sich exponenziell und zudem nicht in allen Tonwerten gleichermaßen. Gegen Ende der Entwicklungszeit können je nach Entwicklerverdünnung ein paar Sekunden den Unterschied zwischen Galerie und Mülleimer ausmachen. Widerstehen Sie also auch der Versuchung, während der langweiligen Wartezeit etwas zu tun, das Sie ablenkt. (Siehe aber auch Sicherheitshinweis weiter unten.)
- Während das Bild sich anfänglich langsam, dann aber zunehmend rapide verdichtet, achten Sie besonders auf die Schatten. Wenn diese "richtig" erscheinen, z. B. wenn das erste richtige Schwarz (Schwärzer geht's nimmer) auftaucht, packen Sie das Papier beherzt am Rand, ziehen es schwungvoll aus dem Entwickler und befördern es so schnell wie möglich in das frisch angesetzte Stoppbad. "So schnell wie möglich" beinhaltet hier, dass Sie nicht warten, bis der Entwickler hinreichend abgetropft ist, denn Sie müssen die rapide fortschreitende Entwicklung in den Schatten abbrechen, bevor diese zulaufen. Aus demselben Grund empfiehlt sich frisches Stoppbad, da einerseits der Entwickler stark alkalisch ist, andererseits größere Mengen als sonst verschleppt werden und trotzdem eine schnelle und zuverlässige Wirkung verlangt wird. Sie werden im Laufe der Zeit Erfahrungen sammeln müssen, um den richtigen Zeitpunkt treffsicher zu finden, denn je nach Entwicklerverdünnung schreitet die Entwicklung auch in der kurzen Zeit zwischen dem Herausnehmen aus dem Entwickler und dem Abbruch durch das Stoppbad merkbar fort.
Tipp: Sollte Ihnen einmal ein Bild etwas zu dunkel geraten sein, werfen Sie es nicht gleich weg. Oft können Sie es mit Bleichbad noch retten. Für das Bleichbad können Sie das in meinem Artikel über das Tonen beschriebene, selbst anzusetzende Bleichbad für Schwefeltoner nutzen (siehe [5]) oder solches aus einem Tonerkit. Separates Bleichbad (das aber mit dem Toner-Bleichbad identisch ist) gibt es m. W. nur von Labor Partner (Best.Nr. LPH51A). - Fixieren, wässern und trocknen Sie wie sonst auch.
- Herzlichen Glückwunsch. Sie haben Ihren ersten Lith-Print erzeugt!
Hintergrundinformationen und Beispielbilder
Wenn es Ihnen so geht wie mir, sind Sie jetzt schon "süchtig". Nun also ein paar Informationen zum Verfahren und ein paar Beispielbilder, die den enormen Spielraum des Verfahrens illustrieren sollen.
Für seine eigentliche Anwendung, die Entwicklung grafischer Filme, wird der klassische Lith-Entwickler typischerweise 1+4 verdünnt. Die typischen Effekte des Lith-Printings kommen allerdings erst mit wesentlich höheren Verdünnungen, typischerweise 1+9 bis 1+20 zum Tragen. Die Entwicklungszeiten sind meist recht lange, teilweise 15 min und auch mehr. Es gibt eine Reihe von Gründen, den klassischen Lith-Entwickler so stark zu verdünnen:
- Lith-Entwickler setzen Formaldehyd frei, bei hohen Konzentrationen mehr als bei geringeren. Formaldehyd reizt Schleimhäute und Atemwege und ist hochgradig ungesund!
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Sicherheitshinweis: |
- Bei hohen Konzentrationen schreitet die Entwicklung zum kritischen Zeitpunkt so schnell fort, dass Sie extrem schnell und mit einem "Vorhaltemaß" reagieren müssen, um ein kurzes Fortdauern der Entwicklung im Stoppbad zu berücksichtigen.· Mit der Verdünnung ändert sich der Ton des Bildes, speziell in den Lichtern.
- Bei stärkerer Verdünnung verbrauchen Sie weniger Entwickler.
Die Nachteile der hohen Verdünnung sollen aber auch nicht verschwiegen werden:
- Der stark verdünnte Entwickler hat nur eine kurze Reichweite und arbeitet nicht sehr reproduzierbar (s. u.).
- Die Entwicklungszeiten werden recht lang.
Wenn Sie sich das Herumprobieren mit einem eigentlich für einen anderen Zweck gedachten Entwickler ersparen möchten, kaufen Sie nicht irgendeinen Lith-Entwickler, sondern einen solchen, bei dem der "Missbrauch" schon eingeplant ist, der schon mit dem Lith-Verfahren im Sinn formuliert wurde. Dazu bekommen Sie meist auch eine Anleitung des Herstellers, die Ihnen die geeignete Verdünnung für die ersten Schritte vorgibt. Dies ist auch der Fall bei so genannten Lith-Sets wie z. B. von Moersch oder JOBO. Ein herausragendes Beispiel für einen solchen Entwickler ist LP-Lith (vertrieben durch MACO). Diesem Entwickler widme ich weiter unten noch etwas mehr Text.
Die Lith-Entwicklung ist eine Kettenreaktion, d. h. im Verlauf der ersten Entwicklungsschritte entstehen chemische Zwischenprodukte, die ihrerseits die Entwicklung beschleunigen. Da diese Zwischenprodukte an den Stellen, wo viel Silber zu entwickeln ist, in höherer Konzentration entstehen, beschleunigt sich die Entwicklung in den Schatten mehr als in den Lichtern. Daraus ergibt sich das typische Erscheinungsbild von Lith-Bildern:
hart in den Schatten, weich in den Lichtern
Der Kopierumfang von Lith-Prints wird vom Kopierumfang (oder der Gradation) des verwendeten Papiers (wenn überhaupt) nur gering beeinflusst. Entscheidend ist die Entwicklung. Sie können auf derselben Papiersorte eine Gradation erzielen, die von weit unter 00 bis weit über 5 hinausreicht. Es gelten (mit Einschränkungen, s. u.)
Die goldenen Regeln des Lith-Printings
- Kurz belichten und lange entwickeln ergibt ein hartes und im Trend kalttoniges Bild, lange belichten und kurz entwickeln ergibt ein weiches und warmtoniges Bild.
- Schattenzeichnung wird durch die Entwicklung bestimmt, Lichterzeichnung durch die Belichtung.
Erschöpfend ...
... ist das Verfahren in erster Linie für den Entwickler und das Stoppbad. Frisch angesetzter Lith-Entwickler ist auf Grund seiner hohen Aktivität per se weniger haltbar als konventioneller Entwickler. Das Extrem ist vermutlich der Ur-Lith-Entwickler von Kodak, der eine Standzeit von vielleicht 15 min aufweist. Neuere Entwickler, die schon für das Lith-Verfahren formuliert wurden, weisen meist längere Standzeiten auf, im Extremfall (LP-Lith) praktisch einen ganzen Arbeitstag.
Der Ablauf der chemischen Reaktion bei der Entwicklung (nicht nur beim Lith-Verfahren) wird durch die "Abfallprodukte" der zuvor entwickelten Bilder (in der Hauptsache Bromid und Sulfit) beeinflusst. Wegen der beim Lith-Verfahren üblichen hohen Verdünnungen kommt dieser Einfluss dort aber stärker zum Tragen und der Entwickler "reift" recht schnell. Ich persönlich habe aus einem Liter bei Verdünnung 1+16 eigentlich noch nie mehr als 8 bis 10 akzeptable Bilder im Format 24 ´ 30 cm herausbekommen. Die Reifung und nachfolgende Erschöpfung des Entwicklers können Sie beobachten. Oft sind die ersten ein bis zwei Bilder nicht so ausgeprägt farbig wie die mittleren. Bei den letzten zwei bis drei Bildern merken Sie, wie der Entwickler "in die Knie" geht, und irgendwann werden die Schwärzen nicht mehr richtig schwarz. Eine höhere Konsistenz erreichen Sie durch einen stärker konzentrierten Entwickler und/oder durch Regenerieren.
Aus diesem Grund sind Lith-Bilder auch i. d. R. nicht 100%ig wiederholbar. Wenn Sie das nächste Bild identisch belichten und entwickeln, kann es trotzdem etwas anders aussehen.
Da Sie die Bilder vor dem Eintauchen ins Stoppbad nicht gründlich abtropfen lassen, erschöpft sich auch das Stoppbad schnell. Verwenden Sie für das Lith-Verfahren immer frisches Stoppbad, und entsorgen Sie es nach der Duka-Sitzung (wenn Sie lange an einem Stück arbeiten auch haufiger), denn die Verschleppung von Entwicklersubstanz ins Fixierbad kann zu dichroitischem Schleier führen.
Die Beeinflussung des Bildes durch Entwicklungsprodukte kann man steuernd nutzen, indem man den Entwickler künstlich altert, d. h. z. B. Kaliumbromid als Additiv zusetzt.
Manchmal schießt der Entwickler in seinem Eifer über das Ziel hinaus und fängt an, statistisch zufällig platzierte schwarze Punkte im Bild zu entwickeln. Dieser als Pfefferkorn bekannte Fehler, für den nicht alle Entwickler und Papiere gleich anfällig sind, wird durch den Zusatz von Kaliumbromid gefördert. Tritt es auf, kann es mittels Natriumsulfit als Additiv bekämpft werden. Kaliumbromid und Natriumsulfit sind in diesem Sinne Antagonisten.
Die Lith-Sets von Fotospeed, Moersch und JOBO enthalten Kaliumbromid und Natriumsulfit als Additive sowie ein paar Hinweise zu deren Gebrauch. Für den Anfang werden Sie diese Additive nicht brauchen, und es werden Ihnen vermutlich die Erfahrungen fehlen, um Sie zielgerichtet einsetzen zu können.
Das etwas andere Lith-Verfahren ...
...bieten MACO und Labor-Partner unter dem Namen MLD-Technik (Manousakis Lith Development) an. Wie mir Herr Schröder, der die Fa. Labor Partner gegründet hat, erläuterte, wurde LP-Lith-Entwickler mit dem Ziel entwickelt, die Qualität des lange Zeit als Standard geltenden Kodak-Lith-Entwicklers zu erzielen, ohne dabei dessen Nachteile (extrem kurze Haltbarkeit von 15 min, hohe Formaldehydemission) in Kauf zu nehmen. Herausgekommen ist dabei ein ganz neues Verfahren, dessen Charakteristika sich etwas von denen des von mir als klassisch bezeichneten Verfahrens unterscheiden.
Labor Partner empfiehlt, diesen Entwickler, da er schon für die Lith-Technik gemacht wurde, nicht so stark zu verdünnen. Die beste Verdünnung liegt nach den Erfahrungen von Labor Partner bei 1+6. Folglich werden die Entwicklungszeiten auch nicht so in die Länge gezogen, sondern dauern wie gewohnt zwischen 2 und 4 min.
Die wesentliche Einflussgröße ist beim MLD-Verfahren die Belichtung. Über sie steuern Sie Kontrast und Ton des Bildes.
Leider habe ich selbst - obwohl ich praktisch alle meine Lith-Prints mit LP-Lith, nur eben bei hoher Verdünnung, entwickelt habe - noch nicht die Gelegenheit gehabt, mit dem konzentrierten Entwickler in dem Maß zu experimentieren, daher muss ich an dieser Stelle in meinen Empfehlungen ein wenig schwammig werden und kann sie nicht in gewohntem Maß mit eigenen Erfahrungen untermauern. Die Spanne der möglichen Resultate des MLD-Verfahrens machen Sie sich am deutlichsten bewusst, indem Sie ein Negativ mit einer Belichtungsreihe vergrößern und die einzelnen Bögen nach Sicht entwickeln. Herr Schröder von Labor Partner versicherte mir am Telefon, dass er jedes Ergebnis, dass man nach dem klassischen Verfahren erzielen könne, auch mit der MLD-Technik erzielen könnte. Vielleicht gibt es eine Ausnahme: Das Pfefferkorn zu erzeugen, welches man normalerweise fürchtet wie die Pest, ist mir mit LP-Lith noch nicht gelungen. Der Fairness halber räumte Herr Schröder am Telefon ein, dass auch bei extrem ausgeknautschtem LP-Lith Pfefferkorn in geringem Maße auftreten kann, meist aber wohl erst, wenn die Bilder aufgrund der Entwicklererschöpfung ohnedies nicht mehr optimal sind. Aus diesem Grund sind auch bei LP-Lith Additive wie Sulfit oder Bromid nicht vorgesehen.
Von MACO/Labor Partner gibt es zwei Lith-Schnuppersets, die einschließlich des Papiers alles Nötige für die ersten Schritte enthalten, eines auf Basis von Barytpapier und eines auf Basis von PE-Papier. Da ich persönlich durch ein solches Set zum Lith-Verfahren gekommen bin, ist mir ein solches Set eine Empfehlung wert.
Beispielbilder
Statt vieler Worte zur Theorie möchte ich nachfolgend einige Beispielbilder wiedergeben und kommentieren. Schon jetzt möchte ich anmerken, dass keines der Bilder getont ist. Die teilweise recht ausgeprägte Farbigkeit ist ein Merkmal des Verfahrens.
Den weiten Kopierumfang mag Ihnen Bild 1 verdeutlichen. Das Negativ wurde an einem sonnigen Tag aufgenommen. Entsprechend war der Kontrastumfang. Der Lith-Print entstand ohne jedes Nachbelichten oder Abhalten.
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Bild 1: Bettler im Eingang der Kathedrale von Orléans, aufgenommen auf Ilford Delta 100 mit PC-Nikkor 3,5/28 mm, Print auf Maco Expo RN, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
Das andere Ende der Kontrastskala möge Bild 2 verdeutlichen: In dieser Kathedrale (Metz) durfte ich kein Stativ verwenden, hatte einen viel zu gering empfindlichen Film (Ilford Delta 100) geladen, und für den Riesenraum kam nur das mit seiner Anfangsöffnung nicht besonders lichtstarke PC-Nikkor 3,5/28 mm in Frage. Das resultierende Negativ ist so extrem dünn (weil stark unterbelichtet), dass es konventionell praktisch nicht zu vergrößern ist. Der Lith-Print hingegen - kurz belichtet und lange entwickelt und daher beinhart - hat seine Reize.
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Bild 2: Hauptschiff der Kathedrale von Metz, aufgenommen (und völlig unterbelichtet) auf Ilford Delta 100 mit PC-Nikkor 3,5/28 mm, Print auf Fortezo Museum Weight, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
Lith-Bilder weisen oft interessante Farben auf, die mir z. B. ganz besonders gut bei Fotos von Steinen oder Holz gefallen. Die nachfolgenden Detailaufnahmen mögen das verdeutlichen.
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Bild 3: Detail der Kapelle am Fuß des Rocher Aiguilhe in Le-Puy-en-Velay (Frankreich, Auvergne), aufgenommen auf Ilford Delta 100 mit AF-Zoom-Nikkor 3,5-5,6/35-105 mm, Print auf Maco Expo RN, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
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Bild 4: Eingang des Château de l'Herm, Nähe Rouffignac (Frankreich, Périgord), aufgenommen auf Ilford Delta 100 mit PC-Nikkor 3,5/28 mm, Print auf Maco Expo RN, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
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Bild 5: Detail der Tür im Hauptportal der Kathedrale von Orléans (vgl. auch Bild 1), aufgenommen auf Ilford Delta 100 mit PC-Nikkor 3,5/28 mm, Print auf Maco Expo RN, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
Ganz zuletzt noch zwei Bilder, die zwei meiner Leidenschaften kombinieren, nämlich die Infrarotfotografie mit dem Lith-Verfahren. Die oft träumerische Anmutung von IR-Bildern mit ausgeprägtem Wood-Effekt lässt sich durch die oben beschriebenen Charakteristika des Lith-Verfahrens (Hart in den Schatten, weich in den Lichtern) oft erst so richtig zur Geltung bringen. Tim Rudman bringt dies in [1] zum Ausdruck, wenn er sagt, dass Lith und IR für einander gemacht wurden.
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Bild 6: Glockenturm des Klosters von Lavaudieu (Frankreich, Auvergne), aufgenommen auf Kodak High Speed Infrared mit Filter #29 mit Minolta MC-Rokkor 3,5/28 mm bei teilweise bedecktem Himmel, Print auf Maco Expo RN, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
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Bild 7: Die Säulen der Gerechtigkeit (ein drolliger Name für den schlosseigenen Galgen) des Château de Kerjean (Frankreich, Bretagne), aufgenommen auf Kodak High Speed Infrared mit Filter #87 mit Minolta MC-Rokkor 3,5/28 mm bei sonnigem Wetter, Print auf Maco Expo RN, Gradation 2, entwickelt in LP-Lith 1+16 |
Papiere
Nicht alle Papiere sind für das Lith-Verfahren geeignet. Die nachfolgende Liste gibt ein paar Ausgangspunkte für eigene Experimente. Sie ist in keiner Weise erschöpfend. Aufgrund seines Mechanismus funktioniert das Lith-Verfahren i. d. R. nicht mit Papieren mit eingelagertem Entwickler, da diese die Kettenreaktion abbrechen. Manchmal hilft aber bei solchen Papieren eine Vorwässerung, bei der diese Entwickler ausgewaschen werden. Für das Lith-Verfahren gilt mehr als für andere Verfahren, dass Sie experimentieren müssen. Lith-Bilder sind schon kaum 100%ig wiederholbar, um so weniger sollten Sie davon ausgehen, dass Ihre Bilder denen von irgendjemandem sonst mehr als nur oberflächlich ähneln.
Leider wurden einige der schönsten Papiere wegen ihres Cadmiumgehaltes vom Markt genommen, und man kann davon ausgehen, dass die Nachfolger zumindest immer anders, wenn auch vielleicht nicht weniger schön reagieren. Deswegen führe ich nur wenige Papiere auf, bei denen ich aber halbwegs sicher bin, dass es sie noch gibt. Die Reihenfolge der Nennung beim Barytpapier spiegelt meinen persönlichen Verbrauch wider.
Barytpapiere
• MACO Expo R
• Oriental New Seagull G
• Fortezo Museum Weight
• Forte Polywarmtone Plus FB
• Ilford Multigrade IV FB (nur eingeschränkter Lith-Effekt)
PE-Papier
• MACO Lithpaper RC-F (neu)
• Forte Polywarmtone Plus RC
Entwickler
Am besten verfügbar dürften hierzulande die folgenden sein:
• LP-Lith
• JOBO
• Moersch
• Fotospeed Lith
Weitere Kandidaten sind:
• Kodalith
• Novolith
• Speedibrew Litho-print
Dokulith von Tetenal, der auch die Silbe "-lith" im Namen trägt, ist lt. [1] nicht für das Lith-Verfahren geeignet.
Ist damit alles gesagt?
Nein. Dem Lith-Verfahren in einem einzigen, kurzen Artikel gerecht zu werden ist nicht möglich. Lith-Bilder reagieren z. B. auf ganz eigene Weise auf Tonungen (siehe [1]). Wenn Sie z. B. den Kontrast von Lith-Bildern brauchen, aber deren braunen Bildton nicht, können Sie sie mit Goldtoner hervorragend "umstimmen". Mit Selentoner passieren teilweise spektakuläre Dinge. Interessante Effekte ergeben sich auch, wenn Sie zu dunkle Bilder (konventionell oder Lith-entwickelt) bleichen und in Lith-Entwickler neu entwickeln. Wer nach dem Einstieg neugierig geworden ist, dem sei Tim Rudmans Lith-Bibel [1] ans Herz gelegt.
Dank ...
... schulde ich Herrn Schröder von MACO/Labor Partner, der sich die Zeit genommen hat, mir einige Hintergründe telefonisch zu erläutern.
Lit(h)eratur...
... zum Lith-Verfahren ist m. W. nicht viel vorhanden. Es gibt nur ein wirklich umfassendes Werk, und zwar das von Tim Rudman, das aber leider hinsichtlich der Materialien nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. (Es ist dennoch DAS Buch zum Lith-Printing.) Einzelne Abschnitte in Büchern, wie z. B. in [2], werden dem Verfahren naturgemäß nicht wirklich gerecht.
[1a] Tim Rudman, The Master Photographer's Lith Printing Course, Amphoto Books, New York 1999, ISBN 0-8174-4539-0
[1b] Tim Rudman, The World of Lith Printing: The Best of Traditional Darkroom and Digital Lith Printing Techniques, 2006, ISBN: 978-1902538457
[2] Ray Spence, Tony Worobiec, Workshop Monochrom und andere Kunst-Printing-Techniken, Augustus Verlag, 2000, ISBN: 3-8043-5140-9
[3] Webseiten z. Thema MLD/Lith von Labor Partner, http://www.compard.de (nicht mehr online)
[4] private Webseiten von Marco Pauck unter http://www.pauck.de/marco/photo/lith/lith.html
[5] >>HIER<< ein Rezept für ein Bleichbad
Alle Bilder © Thomas Wollstein
Ergänzung: Siehe auch http://www.moersch-photochemie.de/content/knowhow
oder: Grundlagen der Negativverarbeitung für Anfänger und Fortgeschrittene
Thomas Wollstein
Oktober 2001
Auch zu so etwas Grundlegendem wie Filmentwicklung gibt es immer wieder eine Reihe von Fragen, selbst bei alten Hasen. Daher der scheinbare Widerspruch im Titel zwischen den "Grundlagen" und den "Fortgeschrittenen".
Zunächst eine Warnung: |
Also, nun zum Thema. Ich behandle die einzelnen Schritte in der natürlichen Abfolge.
Wie kommt der Film in die Dose?
Früher habe ich meine Filme mit dem ganzen Oberkörper unter mehrfachen Bettdecken usw. in die Dose gespult. Menschliche Augen sind nach einiger Eingewöhnungszeit im Dunkeln so empfindlich, dass man sich darauf verlassen kann, dass es wirklich dunkel ist, wenn man sich unter der Decke umgesehen hat und wirklich nichts mehr sieht. Allerdings wird die Luft unter der Decke schnell schlecht und sich zu bewegen traut man sich auch nicht, weil ja die Decke verrutschen könnte. Das Verfahren ist daher zwar konkurrenzlos preiswert, hat aber Handhabungsnachteile.
Auf der anderen Seite ist es oft schwierig, einen ganzen Raum so abzudunkeln, dass man guten Gewissens auch mit einem Ilford Delta 3200, Fuji Neopan 1600 oder Kodak T-Max 3200 darin offen herumhantieren kann.
Empfehlenswert ist ein Wechselsack. Wenn Sie noch keinen haben, kaufen Sie sich einen großen. Spätestens wenn Sie einmal einen Tank für vier Filme im Wechselsack haben, wissen Sie warum.
Denken Sie daran, Ihre Armbanduhr mit den Leuchtziffern abzunehmen! (Bei dem Verfahren unter der Bettdecke hätte ich diesen Hinweis nicht geben müssen, da Sie die Uhr gesehen hätten.) Die Ärmel des Wechselsacks sollten schön stramm sitzen. Besonders bei schon oft benutzten Exemplaren lohnt es sich, die Gummis zu überprüfen und ggfs. auszutauschen.
Zum Öffnen der metallenen Filmpatronen gibt es spezielle Werkzeuge zu kaufen, die - weil es sich ja um Fotozubehör handelt - zu Fotozubehörpreisen gehandelt werden. Versuchen Sie es aber ruhig auch einmal mit einem ganz gewöhnlichen Kapselheber (oder auch Flaschenöffner). In meiner Duka versieht seit langem ein Werbegeschenk von Granini zu meiner vollen Zufriedenheit seinen Dienst an Filmpatronen. Manche der Patronen sind übrigens auch ganz leicht ohne jedes Werkzeug zu öffnen.
Das Laden von Spiralen will gelernt sein, und Sie sollten es üben, bis Sie es nicht nur mit verbundenen Augen können (Sie müssen es nämlich sowieso im Dunkeln tun.), sondern wirklich absolut sicher.
Vermeiden Sie es unbedingt, dem Film Gewalt anzutun, denn Knicke im Film führen zur so genannten Knickbelichtung, die eigentlich keine Belichtung ist (sie braucht nämlich kein Licht), sondern nur eine Schwärzung des Films durch Druck. Sichtbar wird Sie im Negativ durch kleine, halbmondförmige dichte Stellen.
Zwei Gründe können die Notwendigkeit, den Film stärker anzuschieben als ihm zuträglich ist, hervorrufen:
- euchtigkeit auf den Spiralen und/oder
- ungünstig angeschnittener Filmrand.
Feuchte Spiralen (besonders solche aus Kunststoff) oder feuchte Hände führen dazu, dass der Film klebrig wird und nicht mehr gut durch die Windungen rutscht. Wenn's Ihnen passiert, haben Sie Pech. Sie müssen durch. Versuchen Sie's mit so wenig Gewalt wie möglich. Lernen Sie draus, und sorgen Sie dafür, dass es nie wieder vorkommt, z. B., indem Sie die Spiralen trockenföhnen, wenn Sie viele Filme kurz hintereinander entwickeln möchten. In diesem Fall sollten Sie sie allerdings vor der Verwendung wieder auf Raumtemperatur abkühlen lassen, denn warme Spiralen sind nach meiner Erfahrung nicht viel besser als feuchte.
Den Filmrand sollten Sie so anschneiden, dass er keine zu große Neigung zum Verhakeln hat, also auf keinen Fall so, dass Sie ein Perforationsloch anschneiden, und möglichst auch nicht in Form einer rechtwinkligen Ecke. Als sehr günstig hat sich bei mir ein Nagelknipser erwiesen, mit dem ich die Ecke abrunde. Ich verfahre (fast) immer so, dass ich den Filmanfang mittels eines Laschenziehers wieder aus der Patrone ziehe, ihn zunächst gerade kappe und dann die Ecken mit dem Nagelknipser abrunde.
ANMERKUNG: Ausnahmen hiervon bilden lediglich IR- und andere Filme, deren Filmanfänge man nicht hellem Licht aussetzen darf. Bei solchen schneide ich die Filmzungen im Wechselsack nach Gefühl ab. Dabei achte ich aber darauf, keine Perforationslöcher (und auch nicht meinen Wechselsack!) anzuschneiden. Wird doch ein Perforationsloch getroffen, schneide ich noch ein Stück Film ab...
Vorwässerung?
Eine Vorwässerung von Filmen vor dem Entwickeln halte ich außer bei den Filmen, bei eine solche aus verarbeitungstechnischen Gründen explizit eine solche empfohlen wird, für unnötig bis schädlich.
Empfohlen wird ein Vorwässerungsschritt z. B. bei MACOs IR-Filmen (MACO IR 820 c und der voraussichtlich im Januar 2002 erscheinende MACO IR 750 c). Hier dient er dazu, die Lichthofschutzschicht zu entfernen, ohne den Entwickler zu kontaminieren. Ich habe allerdings auch schon einmal vergessen, diesen Schritt durchzuführen. Es scheint dem Film nicht geschadet zu haben, und der Entwickler war ein Einmalentwickler.
Ausdrücklich abgeraten wird von der Vorwässerung bei Zweibadentwicklern, denn die Aufnahme des Entwicklers durch die Quellung der Schicht scheint hier bei den angegebenen Zeiten auf einen nicht vorgewässerten Film abgestimmt zu sein.
Entwickler
Einmal- oder Mehrfachentwickler?
Eine Frage, an der sich immer wieder die Geister scheiden! Einmalentwickler hat den entscheidenden Vorteil, dass die Entwicklung damit am reproduzierbarsten wird. Sie füllen nicht einen Entwickler in den Tank, der beim ersten Mal ganz frisch ist, morgen aber schon zwei Filme auf dem Buckel hat und nächste Woche vielleicht schon 10, sondern immer gerade angesetzten, frischen Entwickler.
Zwar wird bei Mehrfachentwicklern die Anzahl der bereits entwickelten Filme in Form eines Korrekturfaktors oder -zuschlags berücksichtigt, z. B. in der Art, dass empfohlen wird, die ersten vier Filme mit x Minuten zu entwickeln, die nächsten vier mit x+1 und die letzten vier mit x+2, aber weiß der Entwickler wirklich, dass er zwischen dem achten und dem neunten Film schlagartig um eine Minute langsamer werden muss, zwischen dem neunten und dem zehnten jedoch nicht?
Eine Ausnahme sind Zweibadentwickler wie Tetenal Emofin. Bei diesen ist aufgrund des speziellen Mechanismus tatsächlich eine sehr gleichbleibende Wirksamkeit und Qualität vom ersten bis zum letzten Film zu erwarten. Die Kehrseite ist, dass diese Entwickler eine Kontraststeuerung nur in eingeschränktem Maße gestatten.
Wie viel Entwickler?
Frage: Was haben
- 1 Rolle KB-Film mit 36 Aufnahmen,
- 1 Rollfilm 120,
- 4 Blätter Planfilm 4 x 5 Zoll,
- 5 Blätter Planfilm 5 x 7 Zoll und
- 1 Blatt Planfilm 8 x 10 Zoll
gemeinsam?
Richtig: Sie alle haben ungefähr dieselbe Fläche und können daher in einer bestimmten Menge Chemie verarbeitet werden. Diese Fläche beträgt ungefähr 500 cm²
Zum einen stehen z. B. auf den JOBO-Tanks Empfehlungen, welche Menge Entwickler für wie viele Filme welchen Formats einzufüllen ist. Das ist nur die halbe Wahrheit, denn wenn man die Empfehlungen auf den Tanks einhält, kann man allenfalls sicher sein, dass der Film gleichmäßig benetzt wird. Dass die Menge Entwickler ausreicht, den Film auch wirklich auszuentwickeln, ist damit nicht sichergestellt. Um dessen sicher zu sein, muss man im Datenblatt zum benutzten Entwickler prüfen, ob auch von dieser Seite her eine Mindestmenge einzuhalten ist.
Die tatsächliche Mindestmenge, die dann beiden Kriterien genügt, ist die größere der beiden Mindestmengen!
Kodak schreibt z. B., dass für einen KB-Film (oder äquivalent) 100 ml unverdünnter D-76-Entwickler ausreichen. Auf meinem Tank steht, dass man für einen KB-Film bei Kippentwicklung 250 ml braucht. Nehmen muss man dann 250 ml, sonst wird nur die in der Spirale unten liegende Hälfte des Films entwickelt.
ANMERKUNG: Steve Anchell und Bill Troop schreiben übrigens in [1], dass nach ihrer Meinung der Film nur dann sicher zu seinem vollen Potenzial ausentwickelt wird, wenn man abweichend von Kodaks Empfehlung wenigstens 250 ml unverdünnten D-76 verwendet.
Allgemein empfehlen sie, folgende Mindestmengen einzuhalten:
Unverdünnte Entwickler, z. B. D-76, Microdol-X, XTOL |
250 ml |
Verdünnte Entwickler, z. B. D-76 1+1, Rodinal 1+25 bis 1:50, HC-110 1+31, Ilfotec HC 1+31 |
500 ml |
Stark verdünnte Entwickler, z. B. D-76 1+3, Rodinal 1+100, HC 110 1+90 |
1l |
Entwickleransatz
Noch drei kurze Anmerkungen zum Entwickleransatz:
- Wasser enthält immer auch Sauerstoff in gelöster Form, der das Entwickleragens oxidiert und den Entwickler auf die Dauer unbrauchbar macht. Das ist der Grund dafür, dass Entwickler langsam an Wirksamkeit zu verlieren beginnt, sobald er angesetzt ist. Entwickler sollte daher so spät wie möglich angesetzt werden, aber so früh wie nötig (siehe auch Punkt 2). In vielen alten Büchern (leider nur noch ganz wenigen neueren) wird empfohlen, Entwickler mit abgekochtem (und dann wieder abgekühltem!) Wasser anzusetzen, denn das Kochen entfernt die meiste gelöste Luft (und auch etwas von der Wasserhärte).
- So früh wie nötig ist bei Pulverentwicklern etwas früher als bei solchen aus Flüssigkonzentrat, denn ungelöst bleibende Kristalle führen zu Flecken (dichten Punkten) im Negativ. Auch hier wurde früher zu Recht empfohlen, Pulverentwickler mindestens 24 Stunden vor Gebrauch anzusetzen.
- Für dickflüssige Konzentrate (z. B. Ilfotec HC) wird vom Hersteller oft empfohlen, zunächst eine dünnflüssige und daher besser zu dosierende Stammlösung herzustellen. Nach dem unter Punkt 1 Gesagten beginnt damit aber die Verfallsuhr des Entwicklers schneller zu ticken. Meine Erfahrung ist, dass man auch recht dickflüssiges Zeug mittels einer Einwegspritze aus der Apotheke sehr gut genau dosieren kann.
Alles ist immer in Bewegung
Aber auf die richtige Bewegung kommt es an! Lt. [1] ist Bewegung noch der am wenigsten verstandene Schritt in der Entwicklung. Sie hat Einfluss auf
- Kontrast,
- Schärfe,
- Empfindlichkeit und
- Entwicklungszeit.
Wenn man z. B. den Bewegungsrhythmus von intermittierender auf dauernde Bewegung umstellt, muss man die Entwicklungszeit um 15 bis 20% verkürzen, um zu vergleichbaren Ergebnissen zu gelangen. Auf der anderen Seite ist nach wie vor die Mehrheit der Fotografen der Meinung, dass kontinuierliche Bewegung die Kantenschärfe verringert, die Entwicklung in den Lichtern auf Kosten der Schatten beschleunigt und in ungünstigen Fällen zu ungleichmäßiger Entwicklung führen kann. Vielfach wird daher für SW-Filme Entwicklung mit dauernder Bewegung nicht empfohlen. (Ausnahmen sind in Grenzen Prozessoren, s.u.)
Schauen wir auf einige Details:
Bewegung und Kantenschärfe
Lange Zeit galt es als erwiesen, dass weniger Bewegung zu mehr Kantenschärfe führt. Die Argumentation war, dass sich dort, wo ein stark geschwärzter, dichter Bereich an einen wenig geschwärzten, dünnen Bereich stößt, der Entwickler im dichten Bereich schneller verbraucht wird und dass von dort die Entwicklung bremsende Reaktionsprodukte (z. B. Bromid) freigesetzt werden. An der Grenze zwischen den beiden Bereichen sollte dann durch Diffusion aus dem dünnen Bereich noch reichlich vorhandener frischer Entwickler in den dichten Bereich wandern, aus dem dichten Bereich reichlich vorhandenes Bromid in den dünnen Bereich. Als Konsequenz sollte die Grenzlinie auf der dichten Seite noch dichter, auf der dünnen Seite noch dünner werden, was den Kontrast am Übergang lokal verstärken würde. Ständige Bewegung würde den Entwickler immer wieder durchmischen und diesen Effekt unterbinden. Allerdings behaupten in letzter Zeit Laboranten, auch bei ständiger Bewegung ausgeprägte Kanteneffekte beobachtet zu haben. Sie sind der Meinung, der Effekt hänge nur von der Film/Entwickler-Kombination ab und gehe auf Diffusion in der Emulsion, nicht in der Lösung, zurück. Die Frage darf also als offen gelten.
ANMERKUNG: Wenn Kantenschärfe immer das Tollste wäre, gäbe es wohl nur solche Entwickler, die diesen Effekt fördern würden. Für viele Zwecke ist Kantenschärfe vorteilhaft, und es scheint auch so zu sein, dass sie die Sehweise unseres Auges nachempfindet, das auch den Kontrast durch Inhibition benachbarter Nervenzellen verstärkt. Dennoch, durch Kantenschärfe leidet die stufenlose Grauwertwiedergabe.
Bewegung und Kontrast
Mit derselben Argumentation wie oben hat man früher pauschal behauptet, ständige Bewegung würde die Entwicklung in den Lichtern fördern. Das stimmt sicher bei verdünntem Entwickler, der sich bei Stillstand in den dichten Bereichen schnell verbraucht und in den dünnen langsamer. Wenn man ihn jetzt durch Mischung, sprich: Bewegung, austauscht, werden die Schatten nicht wesentlich beeinflusst, denn dort war der Entwickler noch ziemlich unverbraucht, aber die Lichter erhalten wieder frischen und legen zu. Bei konzentrierten Entwicklern allerdings stimmt das nicht in demselben Maße.
Bewegung und gleichmäßige Entwicklung
Manche Entwickler lassen sich durch das im Zuge der Entwicklung freigesetzte Bromid außerordentlich stark beeindrucken und verlangsamen ihre Arbeit. Man stelle sich nun vor, was bei einem fiktiven Negativ passiert, das in der Mitte einen dichten Bereich enthält und außen herum eine einheitlich mittelgraue Fläche. Der dichte Bereich setzt Bromid frei, das abgeführt werden muss. Wäscht jetzt der Entwickler immer in derselben Richtung und in schön geordneter, laminarer Strömung über die dichte Stelle, wird das Bromid immer entlang desselben Weges abgeführt, und dort wird die Entwicklung behindert. In einer einheitlich grauen Fläche um den dichten Bereich würde das als "Kondensstreifen" hinter der dichten Fläche auffallen. Das darf nicht passieren. Bewegung muss also so gestaltet werden, dass solche gleichförmigen Muster nicht entstehen.
Solche (und andere) Fehler neigen dazu, während der ersten Zeit aufzutreten und danach im Zuge der weiteren Entwicklung verstärkt zu werden. Daher wird empfohlen [1], während der ersten halben bis ganzen Minute ständig zu bewegen, und zwar während der ersten halben Minute, wenn das Einfüllen des Entwicklers bis zu 5 s dauert und während der ganzen ersten Minute, wenn es mehr als 10 s dauert.
Was die restliche Entwicklung betrifft, lautet die Empfehlung: Bei weniger als 5 Minuten Gesamtzeit alle 30 s für 5 s bewegen, bei mehr als 5 min Gesamtzeit alle 60 s für 10 s bewegen.
Dabei gilt bei Kippentwicklung, dass ein vollständiger Kippzyklus, d. h. Tank auf den Kopf drehen und wieder herumdrehen, ungefähr 2 s dauern sollte. Also immer mit der Ruhe! Für 10 s Bewegung kippen Sie vier Mal, dann setzen Sie den Tank mit einem leichten Stoß auf den Tisch, um evtl. am Film haftende Luftblasen abzulösen.
Um die Einstellung von stationären, d. h. konstant bleibenden Bewegungsmustern mit geordneter Strömung zu verhindern, wird empfohlen, den Tank zwischen den einzelnen Kippvorgängen statistisch zufällig um seine Längsachse zu drehen, so dass aus Sicht des Tanks jeder Kippvorgang in eine andere Richtung erfolgt.
Kommen Sie nicht auf den Gedanken, den mir einmal ein Kollege berichtete, nämlich den Tank herumzudrehen und auf dem Kopf abzustellen! Dafür sind die Tanks i.d.R. nicht gedacht. Es fließt dann Entwickler in den "toten" Bereich unter dem Deckel, in dem kein Film steckt, und der dann oberste Film (der, der bei aufrecht stehendem Tank ganz unten liegt) ist möglicherweise nicht mehr vollständig untergetaucht.
Prozessoren
Viele Fotografen genießen es, sich nicht in Minuten- oder geringeren Abständen schüttelnderweise betätigen zu müssen. Sie nutzen Rotationsprozessoren. Nach dem, was ich oben aus [1] zitiert habe, bezahlt man diesen Luxus möglicherweise mit dem einen oder anderen Nachteil, insbesondere hinsichtlich Kantenschärfe (muss nicht sein, s. o.) und möglicherweise übermäßigem Kontrast durch das Aufsteilen der Lichter. Dennoch haben maschinelle Rotationsprozessoren sicherlich den Vorteil, dass sie gleichmäßiger und reproduzierbarer bewegen als ein Mensch das kann. Die ganzen Sorgen über Strömungsmuster muss sich der Prozessorhersteller machen, und nach der Beliebtheit der Prozessoren zu urteilen, scheint das weitgehend gelungen zu sein.
Um der übermäßigen Entwicklung der Lichter entgegenzuwirken, empfiehlt [1], den Entwickler mit 30% mehr Wasser zu verdünnen als für Kippentwicklung. Beachten Sie allerdings, dass das nicht heißt, dass Sie das Entwicklervolumen konstant halten und weniger Entwicklerkonzentrat einsetzen, sondern, dass Sie dieselbe Menge Konzentrat mit 30% mehr Wasser verdünnen.
Bewegung und Empfindlichkeit
Stillstandsentwicklung führt zu einer Erhöhung der Empfindlichkeit und einer Verringerung des Kontrastes, weil sich der Entwickler in den Schatten, also den dünnen Stellen langsamer verbraucht als in den Lichtern. Gleichermaßen nimmt der Gesamtkontrast ab, weil die Lichter durch schnellen Verbrauch des Entwicklers bei schleppender Nachlieferung benachteiligt werden. Kanteneffekte werden maximiert.
Einfüllen und Auskippen
Das Einfüllen und Auskippen des Entwicklers sollte um die 10 s dauern, nicht wesentlich mehr. Rund 15 ml des Entwicklers werden Sie nicht wiedersehen, weil er im und am Film hängen bleibt.
Sollten Sie einen Tank haben, bei dem das Einfüllen und/oder Auskippen wesentlich länger dauert, können Sie sich helfen, indem Sie zwei Tanks benutzen und nicht kippen, sondern den Film nach 10 s Abtropfzeit vom einen Tank in den anderen transferieren. (Dazu brauchen Sie allerdings einen völlig verdunkelten Raum.)
Stoppbad oder nicht?
Stoppbäder sollen die Entwicklung auf der Stelle und definiert abbrechen. Während beim Vergrößern, speziell auf Barytpapier, kein Weg ums Stoppbad herum führt, rate ich bei Negativen davon ab, denn
- bei Entwicklern, die Soda als Alkali enthalten, kann das Stoppbad in der Schicht CO2 entstehen lassen, das zu Löchern in der Schicht (so genannten Pinholes) führt,
- starke pH-Wert-Änderungen können zu Kornzusammenballungen und Runzelkorn führen,
- die Säure kann zu unzuträglich starker Quellung der Gelatine und damit zu einer Beeinträchtigung der Bildqualität führen.
Auch ganz gewöhnliches Wasser bricht die Entwicklung i.d.R. schnell ab, da der Entwickler schnell verdünnt wird und der pH-Wert auch bei Wasser ohne Säurezusatz für die meisten Entwicklersubstanzen viel zu niedrig ist. Wenn der Entwickler noch ein wenig weiterwirkt, dann schlimmstenfalls (oder bestenfalls?) in den Schatten, denn in den Lichtern verbraucht er sich schnell. Das führt dann zu einer geringen Ausgleichswirkung.
ANMERKUNG: Das ist übrigens die Basis der so genannten Wasserbad-Entwicklung, bei der man immer wieder zwischen Wasserbad und Entwickler hin- und herwechselt, um die Schatten auf Kosten der Lichter anzuheben.
Das Argument "definierter" Abbruch ist auch nicht so ganz stichhaltig, da es in erster Linie auf einen reproduzierbaren Abbruch ankommt. Wenn Sie immer auf dieselbe Weise stoppen, egal ob mit Wasser oder mit Stoppbad, wird die Entwicklung immer auf dieselbe Weise angehalten, und Sie haben gleichbleibende Ergebnisse, auf die Sie sich verlassen können.
Als weiteres Argument für Stoppbäder wird ins Feld geführt, dass das Fixierbad nicht mit Entwickleralkali belastet wird. Stimmt! Aber wenn Sie anständig zwischenwässern, passiert das auch nicht. Meine Empfehlung lautet wie folgt:
- Nach Ausgießen des Entwicklers den Tank mit Wasser bei Prozesstemperatur füllen (meist 20 °C) und sofort 10 s bewegen (z. B. 4 bis 5 Kippvorgänge).
- Wasser wechseln, 10 Kippvorgänge.
- Wasser wechseln, 20 Kippvorgänge.
Wer sich jetzt an die Ilford-Wässerung erinnert fühlt, hat Recht. Diese Wässerungsmethode soll lt. Ilford sicherstellen, dass Filme nach dem Fixieren hinreichend ausgewässert sind. Sie sollte auch mehr als gut genug sein, um sicherzustellen, dass kein Entwickleralkali ins Fixierbad gelangt.
Fixage
Über das Fixieren allein habe ich schon ganze Artikel verbrochen. Ich erspare mir, die Vorzüge der Zweibadfixage zu wiederholen und empfehle Ihnen hier nur noch einmal diese Methode auch für Ihre Negative. Die Vorteile sind
- gründlichere Fixage und
- bessere Badausnutzung.
Wässerungshilfen und Schlusswässerung
Bei Filmen halte ich Wässerungshilfen wie Ilford Washaid, Tetenal Lavaquick oder Kodak Hypo Clearing Agent für nicht erforderlich. Die von Ilford empfohlene Wässerungssequenz sollte ausreichen. Sie lautet:
- Tank und Spirale mit Film abspülen, so dass nirgends mehr Fixierbad anhaftet.
- Tank mit Wasser auf Prozesstemperatur füllen, 5 Mal kippen.
- Wasser wechseln, 10 Mal kippen.
- Wasser wechseln, 20 Mal kippen.
- Fertig.
Wenn Sie mehr tun wollen, fügen Sie eine weitere Wässerungsstufe an, während der Sie 40 Mal kippen.
Nachbehandlung
Bei Negativen scheint - anders als bei Positiven, die Licht und Luft ausgesetzt sind - nach derzeitigem Wissensstand eine Nachbehandlung zur Konservierung nicht unbedingt erforderlich zu sein. Wenn Sie Ihre Negative schützen wollen, bietet sich auch hierfür Agfas Sistan an, da dieses anders als Selentoner den Bildkontrast nicht ändert. (Selentoner tont die dichten Stellen, also im Negativ die Lichter, stärker als die Schatten und wirkt so als Verstärker und kontraststeigernd.)
ANMERKUNG: Sistan gibt es übrigens seit einiger Zeit als Sistan New. Geändert haben sich lt. Agfa nur Packungsgröße und Verdünnung. Es gab bisher zwei Fehler, die man bei Sistan machen konnte, nämlich, dass man
• nach dem Grundsatz verfuhr "Viel hilft viel!" und es überdosierte (dann konnte es zu Flecken durch Kristalle führen, die man angeblich wieder auswässern konnte.) oder dass man
• es wieder auswässerte. Sistan muss im Bild bleiben. Es muss, wenn man es denn verwendet, das allerletzte Bad sein.
Den einen Fehler haben die Leute von Agfa uns nun schwerer gemacht. Das neue Sistan ist verdünnter. Den zweiten können Sie nach wie vor machen.
Netzmittel und Trocknung
Dazu habe ich bereits in meinem Beitrag über Flecken einiges gesagt. Lesen Sie bitte dort nach.
Saubere Finger und saubere Arbeitsumgebung
Die beste Nachbehandlung verliert an Wirksamkeit, wenn man nicht sauber arbeitet. Wenn Sie Chemie verschütten, wischen Sie sie sofort auf, denn alles, was antrocknet, wird im Laufe der Zeit zu Staub, der durch die Luft überall hin getragen wird und daher auch Ihre Negative irgendwann erreicht und kontaminiert.
Eine tolle Schlusswässerung, bei der der Restthiosulfatgehalt auf Rekordwerte gesenkt wird, ist absolut witzlos, wenn Sie im Zuge der Bearbeitung oder der nachfolgenden Reinigung Ihrer Ausrüstung Ihre Hände in Fixierbad gebadet haben und nun mit den kontaminierten Fingern Ihre Negative anfassen. Auch wenn es sicher unbequem ist, habe ich mir deshalb folgenden Ablauf zur Gewohnheit gemacht:
- Film einspulen und Tank verschließen.
- Gummihandschuhe anziehen.
- Chemie vorbereiten.
- Film entwickeln, zwischenwässern, fixieren.
- Tank, Spirale usw. aus- bzw. abspülen.
- Ilford-Wässerungssequenz.
- Chemikalien zurück in ihre Flaschen, Flaschen abspülen (!) und wegpacken.
- Ausrüstung und Arbeitsumgebung (gilt insbesondere auch für die Wasserhähne, die man noch anfassen muss) reinigen und aufräumen.
- Tank und Handschuhe gründlich abspülen.
- Handschuhe aus. Hände waschen.
- Netzmittel ansetzen.
- Tank öffnen, Film entnehmen, nachbehandeln und trocknen.
Ein so akribisches Vorgehen mag Ihnen zunächst albern erscheinen, aber ich mache mir nicht eine Menge Mühe, meine Filme möglichst gut und haltbar zu verarbeiten, um dann im Austausch gegen ein bisschen Bequemlichkeit meine Arbeit in Frage zu stellen. Ein positiver Nebeneffekt der Handschuhe ist übrigens auch, dass ich praktisch nicht mit den Chemikalien in Kontakt komme.
Literaturhinweise
[1] Stephen G. Anchell, Bill Troop: The Film Developing Cookbook, Focal Press, Boston 1998, ISBN 0-240-80277-2
Gewolltes und ungewolltes Licht in der Dunkelkammer
Thomas Wollstein
September 2001
Für Eilige:
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Einen Raum so richtig dunkel zu bekommen, ist gar nicht so einfach, besonders, wenn man darin noch atmen möchte. Vielfach ist die Duka vielleicht auch nur die Sekundärnutzung, und eigentlich ist der fragliche Raum ein Badezimmer mit Fenstern, Lüftungsschlitzen in der Tür, die wegen einer Gastherme nicht verschlossen werden dürfen, usw. Aber selbst wenn Sie die Dunkelkammer wirklich dunkel haben, gibt es darin noch eine Menge - gewolltes und ungewolltes - Licht. Mit diesem Artikel möchte ich Ihnen unnötige Angst nehmen und einige der Mythen umstoßen, die immer wieder in Diskussionsforen auftauchen und dort für Wirbel sorgen. Dabei kann man doch fast alles testen!
Soll ich meinen Vergrößerungsrahmen schwarz pinseln?
Mitunter bekommt man die Empfehlung, die oft sogar mit religiös anmutendem Eifer verfochten wird, man möge die Auflagefläche seines Vergrößerungsrahmens mattschwarz lackieren, damit nicht das durch das Fotopapier durchtretende Licht von der weißen Projektionsfläche reflektiert wird und zu Schleierbildung führt. Nachteil dabei ist, dass Sie zur Projektion des Bildes ein weißes Blatt in den Rahmen legen müssen, da man auf Schwarz kein projiziertes Bild erkennt. Etwas kleinlaut gestehe ich, dass ich auch schon gedacht habe, man müsse diese potenzielle Schleierquelle eliminieren. Allerdings habe ich nicht meinen Vergrößerungsrahmen verunstaltet, sondern beim Vergrößern ein sehr dünnes schwarzes Papier untergelegt. Nichtsdestotrotz, irgendwann war ich dessen überdrüssig und besann mich auf meine Ausbildung als Physiker, und als solcher wollte ich wissen, warum ich mir die Mühe machen sollte. Also: Testen!
Eine einführende Überlegung: Die unerwünschte Belichtung durch Reflexion am Vergrößerungsrahmen müsste dort am stärksten sein, wo am meisten Licht auf das Fotopapier fällt, also dort, wo im Bild die Schatten liegen. Andererseits sind diese im Bild stark geschwärzten Stellen gerade am wenigsten gefährdet, da sie ohnedies viel Licht abbekommen und der minimale Beitrag durch das Streulicht praktisch unbedeutend - weil unsichtbar - ist.
Zum Verständnis: Streulicht dieser Art passiert erst die Emulsion, dann den Träger, wird dann am Vergrößerungsrahmen reflektiert, passiert wieder den Träger und trifft erst dann wieder die Emulsion. Jeder dieser Schritte führt zu einer Schwächung des Lichts, wobei die Reflexion am Vergrößerungsrahmen wohl die geringste Schwächung verursacht. Die größte dürfte die Reflexion am Träger selbst sein, der schließlich i. d. R. darauf ausgelegt ist, möglichst weiß zu wirken. Als ersten Test habe ich daher einen Graukeil im Kontakt belichtet und die obere Hälfte zwischen Graukeil und Fotopapier mit einem unbelichteten und fixierten Blatt PE-Fotopapier abgedeckt. (Das unbelichtete und fixierte Blatt müsste nach meiner Einschätzung im schlimmsten Fall weniger absorbieren als ein frisches, da ich durch die Fixage ja unbelichtetes Silberhalogenid entfernt habe. D. h., dass mein Test im Sinne einer Worst-Case-Analyse auf der sicheren Seite liegt. Barytpapier würde wegen des dickeren Trägers ebenfalls stärker absorbieren.) Das Ergebnis sehen Sie als Bild.
Man sieht in der oberen Hälfte des Bildes den Graukeil noch einmal, aber unscharf und schwächer. Wenn man nun ein beliebiges Feld des oberen Keils ausschneidet und im unteren Keil ein Feld sucht, das dieselbe Dichte hat, kann man erkennen, dass der Durchgang durch das Fotopapier eine Schwächung des Lichts bewirkt , die fünf Feldern des Graukeils entspricht (Feld 1 oben entspricht Feld 6 unten usw.). Da der Graukeil von Feld zu Feld um 0,15 D zulegt, ist die äquivalente Dichte des Blatts also etwa
5 x 0,15 D = 0,75 D.
ANMERKUNG: Wer einen Scanner und Bildbearbeitungssoftware sein Eigen nennt, kann sich damit die Schnippelei mit der Schere ersparen und das Graufeld virtuell ausschneiden und vergleichen. Man kann das Ganze natürlich auch ganz genau mit einem Auflichtdensitometer betreiben, aber erstens wollte ich einen Test, für den man keine besonderen Geräte braucht und zweitens macht auch ein hypergenaues Messgerät einen qualitativen Test nicht genauer.
Allerdings ist das erst die halbe Wahrheit. Um die Schicht schwärzen zu können, muss das Licht noch einmal durch den Träger. Setzen wir im Sinne einer ungünstigen Schätzung an, dass 90 % des Lichts reflektiert werden (die 10 % Verlust können wir erst einmal vernachlässigen) und dass der Papierträger für die drei Viertel der optischen Dichte beim einmaligen Durchgang verantwortlich ist (rund 25 % würden also durch die unbelichtete Emulsion verursacht; ich würde aber annehmen, dass diese viel weniger absorbiert), so kommen wir zu dem Schluss, dass der Lichtverlust beim Durchgang durch das Papier, der Reflexion an der Auflage und erneutem Durchgang durch das Papier, bis das Licht wieder auf die Schicht auftrifft, ungefähr
0,75 D + 0,56 D ≈ 1,3 D
betragen sollte. Das entspricht einem Kontrastumfang (ISO R) von rund 130, den z. B. bei Ilford MG IV RC deluxe Gradation 1 bewältigen würde. D. h. also: Wenn das auf das Papier von oben auffallende Licht stark genug wäre, das Papier bis zur Maximaldichte zu schwärzen, würde das durch das Fotopapier durchgetretene, an der Auflage reflektierte und noch einmal durch den Träger durchgetretene Licht (ich nenne es ab jetzt "Licht von unten") bei Gradation 1 gerade eben am unteren Ende des Kontrastumfangs liegen. Bei den Gradationen 0 (ISO R 160) und 00 (ISO R 180) läge das unerwünschte Licht von unten dann allerdings schon im Bereich kopierfähiger Dichten.
Man muss allerdings bedenken, dass in einem Feld, das durch Licht von oben maximal geschwärzt wird, Licht von unten ankommt, das dasselbe Feld noch einmal minimal schwärzen könnte!
Der Durchgang durch das Fotopapier schwächt aber das Licht nicht nur, sondern er streut es auch, macht also die Grenzen zwischen den Feldern des Graukeils unscharf. Auch das sieht man im Bild ganz deutlich. Wo also eine helle Fläche direkt an eine dunkle angrenzt, könnte es sein, dass das gestreute Licht aus dem stark geschwärzten Bereich in den wenig geschwärzten Bereich übertritt und den Übergang von Hell nach Dunkel verwäscht.
Bei einem weiteren Test habe ich daher den Graukeil bei Gradation 0 (00 steht mir nicht zur Verfügung) im Kontakt belichtet, dieses Mal aber das Fotopapier halb auf weißen Grund gelegt und halb auf schwarzen. Wenn ein Effekt da wäre, müsste er sich durch einen Übergang mitten in den Feldern zeigen. Auch kann man an dem Ende, wo das (im Positiv) weiße Feld des Graukeils liegt, prüfen, ob der Übergang Schwarz nach Weiß sauber bleibt.
Ein empfindlicherer Test wäre die Vergrößerung eines Auflösungs-Testnegativs (aber so etwas hat halt nicht jeder) einmal mit schwarzer Unterlage und einmal ohne. Streulicht von unten sollte sich durch eine verringerte Auflösung zu erkennen geben, weil die Schwarz-Weiß-Übergänge verwaschen würden.
Einen Effekt habe ich bei meinem Primitivtest nicht gesehen. Meine Schlussfolgerung hieraus ist, dass sich das Lackieren der Projektionsfläche des Vergrößerungsrahmens oder das Unterlegen eines schwarzen Blatts beim Vergrößern nicht lohnt!
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Aber Vorsicht: Es gibt Ausnahmen! |
Licht in der sonst dunklen Kammer
Einerseits würde Licht Fotopapier schwärzen oder zumindest verschleiern, andererseits kann man im ganz Dunklen nur schlecht arbeiten. Die Farbenblindheit der Materialien zeigt den Weg aus diesem Dilemma: Wir brauchen Licht, dass unser Auge wahrnimmt, für das das Papier aber blind ist.
Praktisch alle SW-Papiere sind orthochromatisch sensibilisiert, d. h. praktisch völlig rotblind. Ausnahmen sind lediglich die panchromatisch sensibilisierten Materialien wie z. B. Forte Equitone, Kodak Panalure oder Oriental Panchro, auf die man Farbnegative tonwertrichtig vergrößern können soll. Diese Materialien sind in völliger Dunkelheit zu verarbeiten. Wer also ein Rotfilter vor seiner Dukaleuchte hat, ist für praktisch alle konventionellen Materialien gerüstet.
Hier ein Basteltipp: Ich habe mir aus einem Rest eines Kodak Wratten Gelatinefilters Nr. 29 (tiefrot) und einer kleinen Taschenlampe eine Duka-Taschenlampe gebastelt. Funktioniert prima und kostete nicht halb soviel wie eine käufliche Duka-Minileuchte.
Neben Rotfiltern gibt es eine Reihe von anderen Filtern, die jeweils ein eingeschränktes Anwendungsgebiet haben. Da gibt es z. B. für Ilford Multigrade das bernsteinfarbene Filter 902, für Kodak wieder andere Filter mit anderen Bezeichnungen usw. Im Zweifel sollte man den Beipackzettel eines neuen Fotopapiers zu Rate ziehen und seine Dukalampe nach dem Empfehlungen des Papierherstellers filtern oder eben pauschal rot filtern.
Testen Sie Ihre Dukalampe!
Auch bei der Dukalampe gilt: Probieren geht über Studieren. Der nach meinem Empfinden beste Test der Dukabeleuchtung ist in Tim Rudmans Buch "The Master Photographer's Lith Printing Course" [1] beschrieben (denn Lith-Materialien sind wegen der teils recht langen Entwicklungszeiten - bis zu 20 min - dem Dukalicht mitunter sehr lange ausgesetzt) und ist wie folgt durchzuführen:
- Die Dukaleuchte(n) wird (werden) wie üblich positioniert und eingeschaltet.
- Benutzen Sie für den Test Ihr empfindlichstes Papier (das mit den kürzesten Belichtungszeiten, falls Sie vom Hersteller keine Angabe der Papierempfindlichkeit haben).
- Finden Sie mit Hilfe eines Probestreifens heraus, wie lange Sie das Papier bei leerer Bildbühne belichten müssen, um einen hellgrauen Schleier zu erzeugen. Der genaue Ton spielt keine Rolle, solange er nur hellgrau ist. Es ist wichtig, vorbelichtetes Papier für den Test zu verwenden!
- Belichten Sie mit der so ermittelten Zeit ein Blatt Fotopapier und legen Sie es mit der Schichtseite nach oben auf Ihren Nassarbeitsplatz (bzw. an andere Stellen, die Sie testen möchten, weil dort Fotopapier für längere Zeit oder nahe an der Dukalampe offen herumliegt).
- Legen Sie in Längsrichtung ein Lineal oder etwas Ähnliches auf das Blatt, um einen Streifen zu verdecken.
- Starten Sie Ihre Stoppuhr.
- Nach jeweils 1, 2, 4, 8, 16, 32 usw. Minuten decken Sie - ganz wie bei einem Probestreifen - jeweils einen weiteren Streifen des Blatts ab. (Für die üblichen Dukaarbeiten reicht es vermutlich, bis 16 bzw. 32 Minuten zu testen.)
- Entwickeln Sie nun bei abgeschalteter Dukalampe das Blatt voll aus, stoppen, fixieren, wässern und trocknen Sie es normal. Werten Sie immer einen trockenen Streifen aus, denn auf einem nassen ist ein feiner Tonwertunterschied möglicherweise nicht zu sehen!
- Suchen Sie unter gutem Licht den ersten Probestreifenabschnitt, bei dem sich ein Tonwertunterschied zeigt. Der Streifen davor gibt die längste sichere Zeit an.
Bei zu kurzen sicheren Zeiten gibt es mehrere mögliche Lösungen (die Liste ist allerdings nicht erschöpfend):
- Dukalampen weiter weg platzieren, indirekt einsetzen oder teilweise maskieren.
- Filter auf Risse und Ausbleichen prüfen.
- Dukalampengehäuse auf Lecks untersuchen.
- Auf von Außen eindringendes Licht prüfen.
Nach demselben Muster können Sie natürlich auch Ihre gesamte Duka auf Lichtdichte testen oder prüfen, ob das vom Vergrößerer oder von anderen Quellen ausgehende Licht Ihrem Papier gefährlich werden kann. Legen Sie einfach an die Stellen, die Sie testen wollen, einen entsprechend präparierten Teststreifen. Mit dem recht einfachen Test vermeiden Sie es später, sich verrückt zu machen, indem Sie gar nach dem Einlegen der Negative die Bildbühne Ihres Vergrößerers mit Klebeband abdichten wollen. (Kein Scherz, wurde alles schon einmal vorgeschlagen!) Wenn Sie dann die Lüftungsschlitze des Lampengehäuses abkleben (da kommt ja auch Licht heraus), können Sie sicher sein, dass die Lampe bald den Hitzetod stirbt.
Streichen Sie Ihre Duka (ja nicht) schwarz!
Auch so ein Dogma, das immer wieder auftaucht. Wenn Sie eine Dukalampe mit dem richtigen Filter verwenden und sie nicht zu nah über dem Papier aufhängen, kann das Licht dieser Lampe dem Papier innerhalb der als sicher getesteten Zeit nichts anhaben. Eine weiße Wand reflektiert nur das Licht, das auf sie fällt, und das ist bei der Dukalampe schon so gefiltert, dass es für das Papier so gut wie unsichtbar ist. Sie können also getrost weiß streichen, damit die Dukalampe eine möglichst große Reichweite bekommt und Sie nicht an mehreren Stellen Lampen für einzelne Bereiche aufhängen müssen. (Dabei kämen Sie vermutlich eher in die Situation, dass eine der Lampen zu nah am Papier hängt.)
Schwarze Oberflächen oder Paravents sind allenfalls dort angebracht, wo Quellen weißen Lichts stehen, die betrieben werden, während in der Nähe Fotopapier offen herumliegt. Das kann z. B. die Umgebung des Vergrößerers betreffen oder dann gelten, wenn in einer beengten Duka die Entwicklerschale nahe beim Vergrößerer steht. Bevor Sie aber zum Pinsel greifen, sollten Sie auch hier
- überlegen, ob die Lichtquelle überhaupt betrieben wird, solange lichtempfindliches Material herumliegt (im Fall des Vergrößerers also, ob Sie z. B. das nächste Bild scharfstellen oder gar belichten, während das letzte noch im Entwickler liegt) und
- wenn Sie (1) bejahen, testen.
Ich wage auch zu bezweifeln, dass es sich lohnt, die verchromte Säule eines Vergrößerers schwarz zu lackieren, weil sie ja das helle Projektionsbild reflektiert. Zwar zeigt sich bei eingeschaltetem Projektionslicht ein heller Reflex auf der Säule, aber das Licht wird dort divergent reflektiert, wird also nicht auf der Projektionsfläche gebündelt. Das aber heißt, dass dort - wenn überhaupt - nur eine sehr geringe Lichtintensität ankommt. Zudem haben m. W. die meisten - wenn nicht alle - Geräte mit verchromter Säule eine schräge Säule. Da Licht an der spiegelnden Säule nach dem Gesetz "Einfallwinkel gleich Ausfallwinkel" reflektiert wird, können Sie leicht feststellen, dass das dort reflektierte Licht gar nicht auf die Projektionsfläche gelangen kann. Das Licht, das aus dem Vergrößerungsobjektiv austritt, trifft normalerweise die Säule gar nicht, kann also auch von dieser nicht reflektiert werden.
Weitere Streulichtquellen
Ich habe auch schon mehrfach die Empfehlung gelesen, man möge zum Abwedeln und Nachbelichten nur ja keine hellen, sondern schwarze Pappmasken verwenden, und wenn man mit den Händen abwedelt, sei es tunlichst angeraten, schwarze Handschuhe zu tragen. Während es im Prinzip möglich ist, dass das auf die Projektionsebene fallende Licht von dort auf Pappmaske oder Hand und von dieser wieder diffus auf die Projektionsfläche reflektiert wird, halte ich auch diese Maßnahme für überzogen und unpraktisch, und zwar aus zwei Gründen:
- Das Licht, welches von der Projektionsfläche reflektiert wird und die Maske/Hand von unten trifft, ist diffus und schon recht schwach. Typischerweise verwendet man als Maske billige graue Pappe oder eben die Hände, was bedeutet, dass von diesem Licht wiederum nur maximal 20 % diffus reflektiert werden. (Ich reite so auf der diffusen Reflexion herum, weil sie dazu führt, dass das Licht sich vom Reflexionspunkt näherungsweise ungerichtet in alle Richtungen ausbreitet, was aber wieder heißt, dass seine Intensität mit dem Abstand vom Reflexionsort sehr schnell abklingt.)
- Das Abwedeln mit einer schwarzen Maske hat den Nachteil, dass Sie die Projektion des Bildes auf die Maske nicht gut sehen können, was die richtige Positionierung der Maske schwierig machen kann.
Ich habe bewusst nur von dem Licht gesprochen, das zunächst auf die Projektionsfläche und dann auf die Maske fällt, nicht aber von dem, welches von oben auf die Maske fällt und direkt an deren Rändern reflektiert wird. Dieses ist zwar, da es beim Auftreffen gerichtet und noch recht intensiv ist, scheinbar viel gravierender, aber man muss sich vor Augen halten, dass die nach unten, zur Projektionsfläche hin reflektierende Fläche recht klein ist (es ist ja schließlich nur der Innenrand des ausgeschnittenen Lochs), bei der Hand zwar erheblich größer als bei der Pappe, aber insgesamt doch recht gering und dass diese Fläche zudem nur etwa 20 % und die ebenfalls diffus reflektiert.
Summa Summarum ...
Wenn Sie ein Schleierproblem haben und den Eindruck haben, es sei auf Streulicht zurückzuführen (es gibt nämlich auch chemische Verschleierungen), würde ich folgende Rangordnung aufstellen, nach der Sie das Problem relativ schnell lokalisieren können sollten:
Quelle |
Prüfung |
Abhilfe |
Lichtlecks |
nach Dunkeladaption des Auges bei abgeschalteter Dukaleuchte (warten Sie etwa 15 min ab) visuell prüfen |
abdichten; wie Sie das machen, hängt von den Gegebenheiten ab |
Dukaleuchte |
Test wie oben beschrieben |
je nach Ursache: (1) Schäden an Lampe und Filter ausschließen oder beheben (2) richtiges, d. h. vom Hersteller empfohlenes Filter verwenden. Abstand vergrößern (3) von direkter auf indirekte Beleuchtung ausweichen (4) Zeit, während der das Papier dem Licht ausgesetzt ist, minimieren |
Vergrößerer |
visuell prüfen oder analog zur Prüfung der Dukaleuchte |
Trennwand zwischen Nass- und Trockenbereich, Vergrößerer ausschalten, während Bilder im Entwickler schwimmen, größere Lichtlecks abdichten, sofern es sich nicht um Lüftungsöffnungen handelt, im Notfall naheliegende helle Flächen dunkel oder in sicherer Farbe (z. B. rot, orange oder gelb/bernstein) streichen. |
Reflexionen an der Projektionsfläche des Vergrößerungsrahmens |
siehe Text |
beim Belichten schwarzes Papier unterlegen |
Wenn Sie ein Problem haben und dieser Rangordnung folgen, sollten Sie in mindestens 9 von 10 Fällen die Quelle lokalisieren und das Problem beheben können.
Literaturhinweise
[1] Rudman, Tim, The Master Photographer's Lith Printing Course, Amphoto Books, New York 1999, ISBN 0-8174-4539-0
Geht's noch?
oder:
Was passiert eigentlich im Fixierbad, und wie weit können Sie es mit gutem Gewissen ausnutzen?
Thomas Wollstein
Juli/August 2001
Für Eilige:
Im Text sind Rezepte für Tests auf Restsilber im Bild und auf Verbrauchtes Fixierbad enthalten. |
Immer wieder taucht in Foren die Frage auf, wie lange man Fixierbad benutzen kann. Hier also die definitive Antwort: Sie sollten jedes Blatt einzeln in frisch angesetztem Fixierbad fixieren!
Nein, Scherz beiseite. Ganz so schlimm ist es nicht, aber ich werde Ihnen im Folgenden erläutern, was im Fixierbad passiert. Danach müssen Sie die Frage, wieviele Bilder Sie Ihrem Fixierbad oder wieviel Restsilber Sie Ihren Bildern zumuten wollen, selbst beantworten. Die Antwort hängt entscheidend davon ab, welche Haltbarkeit Sie von Ihren Bildern verlangen.
Also zurück zur ersten Frage:
Was ist Fixierbad, und was passiert im Fixierbad?
Das Fixiersalz
Auch die weniger mit Chemiekenntnissen Vorbelasteten unter uns haben wahrscheinlich schon einmal gehört, dass das Fixiersalz im Fixierbad ein Thiosulfat ist. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Salzen, die ebenfalls als Fixiersalze dienen können (z. B. Sulfit, Cyanid oder Rhodanid), aber die heutigen Bäder enthalten m. W. alle nur Thiosulfat. Dabei kann es sich je nach Bad um Natriumthiosulfat (Na2S2O3, konventionelle, langsame Fixierbäder) oder um Ammoniumthiosulfat ((NH4)2S2O3, Schnellfixierbäder) handeln. Darüber hinaus enthält Fixierbad i. d. R. noch eine Reihe von Hilfsstoffen, die zur Einstellung des richtigen Säuregrades (pH-Wertes) und zur Konservierung dienen. Entscheidend für die Haltbarkeit von Bildern ist das Wirken des Thiosulfats, und daher möchte ich den Hilfsstoffen an dieser Stelle nicht zuviel Aufmerksamkeit widmen.
Aufgabe des Fixierbades ist es, alles unentwickelte Silberhalogenid (Chlorid, Bromid und/oder Jodid) aus der Schicht herauszuholen, denn unentwickeltes Silberhalogenid neigt im Laufe der Zeit unter Einfluss von Licht auch ohne einen Entwickler zum Auskopieren, d. h. das Silberhalogenid zerfällt und elementares Silber (in chemischer Schreibweise: Ag) wird freigesetzt. Dieses ergäbe eine unerwünschte Verfärbung. In chemischer Notation schreiben wir das Silberhalogenid als AgX, wenn uns nicht konkret interessiert, um welches Halogenid es sich gerade handelt. Dabei liegt das Silber als positiv geladenes Ion, Ag+ vor, das Halogenid als negatives X-, wobei das X für Cl (Chlor), Br (Brom) oder J (Jod) steht. Das Thiosulfat liegt als S2O32--Ion vor.
Die Reaktionen
Im Folgenden werde ich die Ladungen der Ionen vernachlässigen, da sie für das Verständnis unwesentlich sind. Silber wird also mit Ag abgekürzt, Thiosulfat mit TS.
Wenn das entwickelte Bild (Papier oder Film) ins Fixierbad gelangt, bilden sich Komplexe aus Silber und den Thiosulfationen. Es passiert chemisch Folgendes:
Reaktion 1: Ag + TS " AgTS
Dieser Silberthiosulfatkomplex, Komplex 1, ist nur sehr gering wasserlöslich.
Reaktion 2: AgTS + TS " Ag(TS)2
Dieser Komplex 2 ist wasserlöslich.
Reaktion 3: Ag(TS)2 + TS " Ag(TS)3
Dieser Komplex 3 ist sehr gut wasserlöslich.
Ziel der Fixage ist es nun, den Komplex 3 zu erzeugen, der durch das Fixierbad selbst und durch die anschließende Schlusswässerung leicht ausgewaschen werden kann. Da Komplex 3 drei Thiosulfationen enthält, kann er nur entstehen, wenn viel freies Thiosulfat in der Lösung vorhanden ist, m. a. W. wenn das Bad noch nicht sehr ausgenutzt ist.
Stichwort "Gleichgewichtsreaktion"
Alle chemischen Reaktionen können in zwei Richtungen ablaufen
Man muss sich klarmachen, dass alle drei Reaktionen Gleichgewichtsreaktionen sind, d. h. wenn die Substanzen auf der linken Seite der Reaktionsgleichungen reichlich vorhanden sind, verläuft die Reaktion nach rechts, aber je mehr von den Substanzen auf der rechten Seite in der Lösung existiert, desto mehr bildet sich auch wieder zurück zu denen auf der linken Seite.
Konsequenz: In Fixierbad, mit dem bereits viele Bilder fixiert wurden, das also eine hohe Konzentration von Silberthiosulfatkomplexen enthält, verlaufen die Reaktionen 1 bis 3 nur unwillig in der von uns gewünschten Richtung. Die Fixierzeit verlängert sich, es bleiben größere Mengen der unlöslichen und schlechter löslichen Komplexe 1 und 2 zurück.
Im Bild verbleibendes Thiosulfat zerfällt innerhalb einiger Tage und führt bei hinreichend hoher Konzentration zu Fleckenbildung und/oder Vergilbung durch eine Art unerwünschter Schwefeltonung.
Um die Fixage bis hin zum erwünschten Komplex 3 zu führen, brauchen wir also einen Überschuss an Thiosulfationen. Diesen können wir praktisch auf zwei Wegen erzeugen:
(1) Fixierbad nur gering "ausnutzen".
Werden nur wenige Bilder im Ansatz fixiert, liegt noch viel freies Thiosulfat vor, und die Reaktionskette verläuft bis zum gewünschten Endprodukt. Dieser Ansatz ist im Hinblick auf den Einsatz an Chemikalien verschwenderisch, denn je nach den Anforderungen, die Sie an die Langzeitstabilität Ihrer Bilder stellen, ist das Bad nach 1 bis 7 Bildern im Format 20x25 cm erneuerungsbedürftig.
(2) Zweibad-Fixage.
Hier löst zwar auch Bad 1 einen großen Teil des unbelichteten Silberhalogenids auf, aber es verbleiben inakzeptable Mengen der Komplexe 1 und 2 in der Emulsion. Bad 2 aber enthält wenig Silber und viel freies Thiosulfat, so dass sich hier schnell Komplex 3 bildet. Als Konsequenz kann man Bad 1 wesentlich stärker ausnutzen, bevor man es durch das bis dahin nur wenig ausgenutzte Bad 2 ersetzt. Dieses Verfahren ist ökonomischer: Sie können im ersten Bad zwischen 17 und 50 Blatt Format 20x25 cm fixieren.
ANMERKUNG 1: Diese Zahlenangaben (und die in Tabelle 1) beziehen sich auf konventionelles Natriumthiosulfat-Fixierbad, nicht auf Schnellfixierbäder! Zu diesen wird weiter unten noch etwas gesagt.
ANMERKUNG 2: Es gibt auch durchaus ernst gemeinte Vorschläge, zum Fixieren eine Dreibad-Kaskade zu verwenden!
In dem Stichwort "Gleichgewicht" steckt noch mehr an Interessantem:
Langes Fixieren ist kein Ersatz für frisches Bad!
Eine chemische Reaktion verläuft immer bis zu ihrem Gleichgewichtszustand. Ist von den Stoffen auf der jeweils linken Seite der obigen Reaktionsgleichungen viel da, bilden sich daraus bereitwillig die Stoffe auf der rechten Seite. Umgekehrt gilt aber dasselbe! Im Gleichgewicht reagieren je Zeiteinheit gleich viele Moleküle in der einen wie in der anderen Richtung. Man kann sich das bildlich wie zwei mit einer Röhre verbundene Glasbehälter vorstellen: Zu Beginn der Reaktion eines unfixierten Bildes mit einem frischen Fixierbad sei alle Flüssigkeit in einem der Behälter. Dies ist der Zustand extremen Ungleichgewichts. Er wird im Bild 1 dargestellt.
Bild 1 - Die Ausgangssituation: Alles Silberhalogenid ist noch im Bild.
Nachdem sich das Gleichgewicht eingestellt hat, befinden sich in beiden Behältern bestimmte Mengen von Flüssigkeit. Das wird im Bild 2 dargestellt
Bild 2 - Das Gleichgewicht: Ein Teil des Silberhalogenids verbleibt im Bild, ein Teil im Fixierbad.
An der Verteilung der Flüssigkeit auf die beiden Behälter wird sich nichts ändern, und wenn ich noch Tage warte.
Auch heftige Bewegung ist kein Ersatz für frisches Bad!
Die Argumentation ist dieselbe wie vorher. Heftige Bewegung des Bildes im Fixierbad kann zwar die Einstellung des Gleichgewichts beschleunigen (so wie es eine dickere Verbindungsröhre bei den beiden Behältern tun würde), aber nach Einstellung des Gleichgewichts ist die Verteilung auf die beiden Behälter nicht anders als vorher.
Der Einfluss des Halogenids
Bisher hatten wir dem Halogenid noch keine Aufmerksamkeit geschenkt, aber auch dieses hat einen Einfluss auf die Fixiergeschwindigkeit und den -erfolg: Alle Silberhalogenide sind nur gering wasserlöslich. Wenn sich der Gehalt der Lösung an freien Silber- und Halogenidionen dem Grenzwert nähert, bilden sich in der Lösung Silberhalogenidniederschläge, d. h. das Bad löst nicht länger Silberhalogenid auf. Chlorid ist wesentlich besser löslich als Bromid und Bromid wiederum wesentlich besser als Jodid. Chlorid im Fixierbad macht daher nicht viel, aber Bromid schränkt die Kapazität des Fixierbades schon erheblich ein, Jodid schließlich ist fatal. Jodid ist in Filmen mit spezieller Kristalltechnologie, z. B. T-Max-Filmen, enthalten. Zu den speziellen Problemen mit diesen Filmen kommen wir später noch einmal. Merken Sie sich an dieser Stelle nur, dass es keine gute Idee ist, Fixierbad, das für Filme verwendet wurde, für Papierbilder nutzen zu wollen.
Fixierzeit = doppelte Klärzeit?
Früher galt die Regel "Fixierzeit = doppelte Klärzeit", aber länger zu fixieren machte bei den damals üblichen Natriumthiosulfatbädern auch nicht viel aus. Bis Natriumthiosulfat-Fixierbäder anfangen, das Bild anzubleichen, vergeht einige Zeit, vermutlich mehr als Sie zu warten bereit wären. Aber aufgrund der Verschiedenheit der Trägermaterialien müssen wir Filme und Papierbilder unterscheiden.
Negative
Bei Filmen kann man die Klärzeit ganz einfach bestimmen, indem man ein Stückchen Film in das Fixierbad hängt, es ein wenig bewegt und es beobachtet. Die Zeit vom Eintauchen bis zu dem Zeitpunkt, da der Film keinen sichtbaren Schleier mehr aufweist, ist die Klärzeit. Die in der Überschrift zitierte Faustformel wird für moderne Filme in der Literatur oft dahingehend modifiziert, dass empfohlen wird, die modernen Filme mit ihren Spezialkristallen (heißen sie nun T-Grains oder Core-Shell-Kristalle) für die drei- bis vierfache Klärzeit zu fixieren. Dies hängt vermutlich mit dem in diesen Filmen enthaltenen Jodid zusammen, das den Fixierprozess verlangsamt.
Oft wird im Zusammenhang mit den High-Tech-Filmen berichtet, dass nach dem Fixieren ein purpurfarbener Schleier zurückbleibt, der auf einen Sensibilisierungsfarbstoff zurückzuführen ist. Es wird behauptet, dass dieser Farbstoff keine negativen Auswirkungen auf das Bild und seine Vergrößerbarkeit habe, man muss sich jedoch klarmachen, dass der Farbstoff an den Silberhalogeniden adsorbiert ist. Seine Gegenwart lässt vermuten, dass im Negativ noch ungelöste Silberhalogenide vorhanden sind. In diesem Sinne ist sehr zu empfehlen (was Kodak bei den T-Max-Filmen auch rät), bei Purpurschleier nach dem Fixieren so bald wie möglich mit frischem Fixierbad nachzufixieren. Dass mitunter auch eine Behandlung mit einer Wässerungshilfe wie Hypo Clearing Agent o. ä. hilft, liegt vermutlich daran, dass hierin Sulfit enthalten ist, das seinerseits als Fixieragenz dienen kann.
Noch einmal: Das Problem ist nicht, ob der Purpurschleier die Vergrößerbarkeit stört oder nicht, sondern dass er ein Anzeichen für unzureichende Fixage ist!
Papiere
Auch bei Papieren kann man die "Klärzeit" grob abschätzen: Nehmen Sie ein unentwickeltes und voll belichtetes Blatt (geht ganz einfach, indem Sie im Hellen arbeiten) und schneiden Sie es in Stücke. Diese kennzeichnen Sie und fixieren Sie unterschiedlich, z. B. bei einem normalen (langsamen) Fixierbad für 2, 4, 6, 8 und 10 Minuten. Dann wässern Sie es gründlich und stecken das solchermaßen vorbehandelte Papier in den Entwickler. Die zu kurz fixierten Stücke enthalten noch belichtetes Silberhalogenid, das im Entwickler dunkel wird. Das erste Stück, dass nicht mehr verfärbt ist, zeigt die Klärzeit an. Das Doppelte bis Dreifache davon ist die Fixierzeit.
Der Test ist nicht sehr empfindlich, und bei Schnellfixierbad mit seiner Fixierzeit von 1 Minute werden die Zeiten recht kurz. Besser ist es da schon, nach der Zweibad-Methode zu fixieren und die Ausnutzung der Bäder durch Zählen der fixierten Bilder oder durch Silber-Tests zu prüfen.
Schnellfixierbad
Die Geschwindigkeit der Fixage (und die damit verbundene kürzere Wässerung bei Papieren, (siehe meinen Beitrag von Dezember 2000) ist nur einer der beiden Vorteile von Schnellfixierbad. Der andere ist die erhöhte Kapazität, z. B. 10 bis 15 g/l statt 6 g/l für das erste Bad einer Zweibad-Kaskade für Film.
Erkennung des Ausnutzungsgrades: Wann hat das Bad "die Nase voll"?
Eine Tabelle mit einer Übersicht über die nutzbaren Kapazitäten von Fixierbädern für Papiere und Filme unter verschiedenen Voraussetzungen (Ein- oder Zweibad-Fixage, Strenge der Anforderungen an die Fixage) finden Sie am Ende des Artikels. Sie geht auf den früheren Kodak-Forscher Grant Haist zurück. Leider ist mir aber die genaue Quellenangabe nicht bekannt.
Auszählen der Bilder
Um nun entscheiden zu können, ob Ihr Fixierbad "genug hat" oder nicht, müssen Sie den Silbergehalt abschätzen können. Eine Möglichkeit dies zu tun besteht darin, schlicht über die Fläche der fixierten Bilder Buch zu führen und nach Erreichen der Maximalmenge das Bad zu ersetzen. Die Unsicherheit dieses Verfahrens besteht darin, dass die Menge des von einem Bild ins Bad abgegebenen Silbers von verschiedenen Größen abhängt (z. B. davon, wieviel vom Bild schwarz ist und wieviel weiß, wie hoch der Silbergehalt des Papiers ist), die Sie nicht ins Kalkül einbeziehen können. Eine genauere Möglichkeit sind Fixierbad-Tests.
Teststäbchen
Tetenal bietet Fixierbad-Prüfstäbchen an, die man für kurze Zeit ins Bad eintaucht und von denen man nach 30-sekündiger Wartezeit durch Vergleich mit einer Farbskala (siehe Bild) den ungefähren Silbergehalt und auch den pH-Wert ablesen kann. Das ist ein Vorteil dieser Teststäbchen, denn ist das Fixierbad durch eingeschleppte Entwickleralkalien nicht mehr sauer genug, nützt auch ein geringer Silbergehalt nichts.
ANMERKUNG: Es gibt auch alkalische Fixierbäder. Diese sind jedoch m. W. in Deutschland sehr unüblich. Ich vermute, dass die Teststäbchen für diese nicht empfohlen werden, da die aufgedruckte pH-Skala nur leicht in den alkalischen Bereich reicht. Der Test mit der Prüflösung FT-1 (s. u.) funktioniert bei alkalischen Bädern unverändert.
Prüflösungen
Eine Alternative sind Prüflösungen, die man auch leicht selber herstellen kann. An vielen Stellen, u. a. [1], wird das Rezept für Kodaks Prüflösung FT-1 angegeben:
Wasser (Raumtemperatur) |
75 ml |
Kaliumjodid |
19 g |
Wasser (Raumtemperatur) |
auffüllen auf 100 ml |
Geben Sie mit einer Pipette 5 Tropfen des zu prüfenden Fixierbades zu einer Mischung von 5 Tropfen Wasser und 5 Tropfen der Prüflösung. Bildet sich ein deutlicher gelblich-weißer Niederschlag (eine leichte Milchigkeit dürfen Sie missachten), sollten Sie das Bad austauschen.
ANMERKUNG: Durch Vergleich mit den Teststäbchen zeigt sich, dass dies bei einem Silbergehalt von etwa 2 g/l der Fall ist.
Prüfung fertiger Bilder auf hinreichende Fixage
Tja, wenn's die mal gäbe! Einfach durchzuführen ist ein Test auf im Bild verbliebenes Silberhalogenid. Damit wird aber m. W. bereits teilweise komplexiertes Silber (Komplexe 1 und 2) nicht erfasst, und deren Entfernung ist für eine vollständige Fixage auch wichtig. Sie können diesen Test also allenfalls als Hilfe zur empfindlicheren Bestimmung der Klärzeit oder als eine (grobe) Kontrolle an fertig verarbeiteten Bildern verwenden.
Der Kodak Restsilber-Test ST-1 (Rezept aus [1]) funktioniert wie folgt:
Wasser (Raumtemperatur) |
60 ml |
Natriumsulfid (nicht -sulfit!) |
7.5 g |
Wasser (Raumtemperatur) |
auffüllen auf 100 ml |
Von dieser Lösung (die sich nur etwa 3 Monate hält) geben Sie einen Tropfen auf den weißen Rand des zu untersuchenden Bildes. Im Bild verbliebenes Silber gibt sich durch eine Braunfärbung (Silbersulfid) zu erkennen. Alternativ zu ST-1 können Sie einen Tropfen Kodak Rapid Selenium Toner 1+9 verwenden, der bei Vorhandensein von Restsilber eine Rotfärbung ergibt.
Meine Empfehlungen
Papier
Nutzen Sie nicht nur wegen des Vorteils der kurzen Wässerung (siehe meinen Beitrag von Dezember 2000), sondern auch im Sinne einer möglichst vollständigen Fixage unbedingt das Zweibadverfahren. Dazu setzen Sie zwei frische Bäder an und fixieren in jedem für die Hälfte der vorgeschriebenen Fixierzeit. Das Bild zwischen den beiden Bädern abzuspülen oder 30 s in einer Schale zu wässern ist nicht falsch, bei beengten Platzverhältnissen jedoch nicht unbedingt erforderlich. Sinnvoll erscheint es mir, Schnellfixierbad bei hoher Konzentration (z. B. Ilford Hypam oder AMALOCO X 55 bei der für Filme vorgesehenen Konzentration von 1+4) zu verwenden, so dass sich eine Fixierzeit von insgesamt 1 Minute (30 s je Bad) ergibt (auch hierzu verweise ich auf meinen Beitrag von Dezember 2000).
Sorgen Sie speziell bei Schnellfixierbädern während der gesamten Fixierzeit für ausreichende Bewegung, damit in Schichtnähe immer möglichst geringe Silberkonzentrationen vorliegen.
Testen Sie regelmäßig die Ausnutzung mittels Teststäbchen oder Kodak FT-1. Bei Ausnutzung ersetzen Sie Bad 1 durch Bad 2 und verwenden einen frischen Ansatz für Bad 2.
Filme
Auch bei Filmen ist eine Zweibadfixage nach obigem Muster - wenn sie auch sicher nicht oft praktiziert wird - ratsam. Kontrollieren Sie des öfteren die Klärzeit. Spätestens wenn die Klärzeit das Doppelte der Klärzeit eines frisch angesetzten Bades beträgt, ist es Zeit für einen Austausch des Bades.
Filme mit konventioneller Kristallstruktur fixieren Sie für das Doppelte der Klärzeit, solche mit Spezialkristallen für das Dreifache.
Zeigt sich nach dem Fixieren ein Purpurschleier, ist das ein deutliches Zeichen für unzureichende Fixage. Fixieren Sie - sofort, denn evtl. im Film verbleibende Komplexe zerfallen sonst zu nicht mehr aufzulösenden Verbindungen (s. o.) - noch einmal die Hälfte der Zeit in frischem Bad nach.
Haist-Tabelle zum Ausnutzungsgrad von Fixierbädern
Literaturhinweise
[1] Carson Graves, The Elements of Black-and-White Printing - Goind Beyond Darkroom Basics, second edition, Butterworth-Heinemann 2001, ISBN 0-240-80312-4
Oh Schreck, ein Fleck!
Oder: Trocknen von Filmen und Entstauben von Negativen
Thomas Wollstein
Juni 2001
Auch wenn Sie normalerweise nicht gleich aus einer Mücke einen Elefanten machen, wenn Sie ein Negativ vergrößern, vergrößern Sie auch viele kleine Stäubchen so weit, dass sie gut sichtbar werden. Fusseln sind lichtundurchlässig, zeigen sich also im Negativ als weiße Flecken. Nach einer speziellen Durchführungsvorschrift zu Murphys Gesetz für die Fotografie liegt ein Stäubchen im Negativ auch nie an Stellen maximaler Dichte, die Sie weiß vergrößern, sondern immer mindestens in den Mitteltönen oder in den Schatten, wo der weiße Fleck besonders auffällt.
Neben Staub gibt es aber auch ein paar andere Quellen von ärgerlichen Flecken, die mit der Schlussbehandlung des Films nach der Entwicklung zu tun haben. Ich fange daher diesen Artikel da an, wo die Schlusswässerung aufhört.
Welche Arten von Flecken gibt es?
Ohne dass damit ein Anspruch auf Vollständigkeit gegeben wäre, sind mir bisher die folgenden Arten von Flecken untergekommen:
- Kalkflecken
- Schaumflecken
- Staub
- Kratzer
- Fingerabdrücke
- Newtonringe
Stufe 1: Schlussbehandlung
Voll die Härte: Kalk im Wasser
In meiner Gegend ist das Wasser beinhart, enthält also Unmengen von Kalzium- und Magnesiumsalzen, die nach dem Trocknen des Films als Ränder zurückbleiben. Angeblich sollen Netzmittel dieses Problem lösen, aber so richtig glücklich war ich damit allein nicht.
Viel hilft viel. Nach diesem Grundsatz verfahren auch Fotolaboranten immer wieder, obwohl sie es eigentlich besser wissen sollten. Bei Netzmitteln gilt eigentlich "Wenig hilft viel.", denn es handelt sich um so genannte oberflächenaktive Stoffe, die in winzigsten Konzentrationen wirken. In den Dosierungsempfehlungen von Netzmitteln werden Sie i. d. R. Verdünnungen von 1+200 und größer finden, und selbst die sind oft noch hoch gegriffen. Nach meiner persönlichen Erfahrung würde ich Ihnen empfehlen, es einmal mit 80 % des vom Hersteller empfohlenen Wertes zu versuchen. Meist wird das ebensogut oder besser funktionieren.
Wenn Sie das Netzmittelbad für einen KB-Film ansetzen, müssen Sie bei 250 ml Badvolumen und einer Verdünnung von 1+400 (z. B. Tetenal Mirasol) 0,6 ml abmessen. Dazu eignet sich eine Pipette oder eine 1- oder 2-ml-Einwegspritze aus der Apotheke. Messen Sie das Netzmittel genauso penibel ab wie Ihren Entwickler, denn zuviel Netzmittel führt zu übermäßigem Schaum, der vom Film schlecht abläuft und Trockenflecken ergibt. Sollte Ihnen diese Feindosiererei Kopfzerbrechen bereiten, suchen Sie besser nach einem Netzmittel, dass weniger konzentriert ist und daher weniger verdünnt werden muss (z. B. Agfa Agepon: 1+200).
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WARNUNG: |
Netzmittel sollen dafür sorgen, dass das Wasser von der Oberfläche gleichmäßig abläuft, also keine Tropfen bildet, deren Ränder Sie nach dem Trocknen auf dem Negativ finden. Soweit die Theorie. Bei mir hat das nicht gereicht. Ich hatte bei unserem notorisch harten Wasser immer noch Trockenflecken. Es ist bekannt, dass man in Gegenden mit hartem Wasser bei vielen Waschmitteln mehr Waschmittel braucht. Ich gehe davon aus, dass unter solchen Bedingungen auch Netzmittel einen Teil ihrer Wirksamkeit verlieren.
Sollten Sie doch einmal Kalkflecken auf Ihrem Film haben, verpassen Sie ihm ein Bad in frischem Stoppbad. Das ist leicht sauer und löst den Kalk wieder auf. Danach wässern Sie noch einmal wie gewohnt und versuchen eine andere Schlussbehandlung.
Entmineralisiertes Wasser = wirklich nur Wasser?
Von der Logik her hätte ich erwartet, dass ein Schlussbad in entmineralisiertem Wasser (oder dem, was im Drogeriemarkt als destilliertes Wasser erhältlich ist) ohne jeden Zusatz völlig ausreicht, um Kalkflecken zu vermeiden. In der Tat ist entmineralisiertes Wasser nicht völlig frei von Mineralien, und ohne Netzmittel bildet es Tropfen, die nicht sauber ablaufen und nach dem Trocknen Flecken hinterlassen.
Auch wenn es allein nicht ausreicht, rate ich Ihnen, entmineralisiertes Wasser für die Schlussbehandlung zu verwenden, aber eben mit sparsam dosiertem Netzmittel.
Abstreifer - Nein danke!
Es liegt doch auf der Hand: Gibt es keine Tropfen auf der Filmoberfläche, so gibt es auch keine Trockenflecken. Also muss möglichst viel Oberflächenwasser schon vor dem Aufhängen vom Film entfernt werden. Daher werden immer noch in vielen Büchern Filmabstreifer empfohlen. Ich habe sogar schon Empfehlungen gehört, Wischblätter von Autoscheibenwischern zu benutzen. So sollen z. B. die von einer 70er Baureihe des VW Bulli ganz besonders weich und daher hervorragend geeignet sein. "Tun Sie's nicht!", kann ich Ihnen nur raten. Selbst wenn der Abstreifer frisch und hervorragend in Schuss ist, kann er unterwegs auf dem Film ein Körnchen Staub o. ä. aufsammeln und mitnehmen und damit über die gesamte Filmlänge einen feinen Kratzer erzeugen.
Jetzt geht's rund!
Der Durchbruch war für mich ein Tipp von einem ebenfalls Duka-begeisterten Mitschüler vor mehr als 20 Jahren. (Später fand ich Ihn auch in der Foto-Hobby-Labor in abgewandelter Form.): Nach dem Netzmittelbad schleudere man den Film in einer - kein Scherz - Salatzentrifuge! Die Zentrifugalkraft entfernt das Oberflächenwasser sehr wirksam und ohne jeden mechanischen Kontakt mit der Filmoberfläche. Salatzentrifugen erhalten Sie in Haushaltswarengeschäften zu Preisen ab ein Paar Mark für eine Kunststoffausführung bis zu ... für Edelstahlmodelle von tollen Designern. (Meine Billigzentrifuge versieht seit mehr als 20 Jahren klaglos ihren Dienst.)
Sie machen sich die Arbeit etwas leichter, wenn Sie darauf achten, die Zentrifuge einigermaßen gleichmäßig zu beladen. Wenn sie unwuchtig läuft, ruckelt sie ein wenig, und das Drehen fällt schwerer. Wenn Sie also nur einen Film schleudern wollen, legen Sie ihm gegenüber in die Zentrifuge ein Gegengewicht, z. B. eine weitere Filmspirale oder etwas anderes mit ähnlicher Masse. Allzu genau kommt es allerdings nicht darauf an.
Vor 20 Jahren waren Wäscheschleudern noch häufiger anzutreffen als heute, und tatsächlich kam damals ein findiger Buchautor auf die Idee, eine solche in einem Buch als Trockenhilfe für Film zu empfehlen. Da ich von Natur aus auch bequem bin und mir die Kurbelei an der Salatschleuder unbequem war, habe ich es ausprobiert - Gott sei Dank war's nur ein Probefilm, denn er hat die dabei auftretenden Zentrifugalkräfte nicht überstanden.
Stufe 2: Trocknung, damit Sie nicht am Fliegenfänger hängen
Besonders anfällig ist der Film, wenn er, frisch aus dem Tank, noch nass zum Trocknen irgendwo herumhängt. Jedes Staubkorn, das die nasse Oberfläche trifft, bleibt dank der Nässe daran haften und ist meist auch nicht mit sanften Mitteln wieder wegzubekommen. Dieses Risiko lässt sich auf zweierlei Art vermeiden:
• durch Trocknung an einem staubfreien Ort oder durch
• Schnelltrocknung
Trocknung am staubfreien Ort
Staubfrei werden wir einen von Menschen begangenen Ort wohl nicht bekommen. Hier kommt es also darauf an, einen Raum zu finden, der einerseits möglichst staubarm ist und in dem andererseits nur möglichst wenig Luftbewegung herrscht, damit der unvermeidlich vorhandene Staub sich nicht auf den Weg zum Film macht.
Als armer Hobbylaborant, der im Badezimmer entwickelt und vergrößert, habe ich für mich folgendes Verfahren entwickelt, das sich sehr bewährt hat: Nach dem Verarbeiten des Films, schon während der Schlusswässerung (nämlich in den Pausen zwischen den einzelnen Schritten der Ilfordschen Schnellwässerung), spüle ich den Tank und die anderen Geräte. Wenn das getan ist, putze ich das Badezimmer. Das hat nicht nur den Vorteil, dass eventuelle Spritzer von Entwickler und Fixierbad sofort wieder entfernt werden, sondern erhöht auch die Toleranz meiner Familie gegenüber meiner Zweckentfremdung des Bades. Direkt nach dem Putzen ist der Boden noch leicht feucht und hält daher Staub ähnlich gut fest wie der feuchte Film. Nur nimmt der Boden viel mehr Fläche ein und hat daher viel mehr Chancen, den vorhandenen Staub einzufangen. Erst dann hänge ich den Film auf, und zwar in der Duschkabine. Da kann er bis zum nächsten Morgen bleiben.
Trocknung im Durchzug? Keine gute Idee!
Eine Trocknung in bewegter Luft (im Durchzug, vor der Heizung oder mittels eines Haartrockners), bei Wäsche wegen des schnelleren Luftaustauschs eine gute Idee, richtet bei Filmen i. allg. mehr Schaden an als sie Nutzen bringt. Zwar wird der Film (besonders mit dem Haartrockner) schneller trocken und sollte daher weniger Chancen haben, Staub zu sammeln, aber der Luftstrom wirbelt Staub auf, und es wird mit jedem bisschen mehr Luft, das am Film vorbeigepustet wird, auch mehr Staub am Film vorbei- oder eben auf diesen draufgepustet.
Luxustrocknung im Trockenschrank
Ein Filmtrockenschrank mit eigenem Heizgebläse ist der pure Luxus. Dabei wird dem Film partikelgefilterte warme Luft um die Ohren geblasen. Er trocknet schnell (weil warm und mit immer neuer trockener Luft) und hoffentlich staubfrei (weil gefiltert). Ich habe zwar selbst noch kein solches Gerät benutzt, weiß allerdings aus dem beruflichen Umfeld (Reinraumtechnik), dass Partikelfilter i. d. R. nur dann auf Dauer wirksam bleiben, wenn man sie ab und an ersetzt bzw. reinigt.
Chemische Schnelltrocknung
Ein anderer Weg zum schnell trocknenden Film besteht darin, das im und am Film vorhandene Wasser durch eine schnell verdampfende Chemikalie zu ersetzen. Diesen Weg geht Tetenals Drysonal. Schon lange vor Drysonal wurde zu diesem Zweck Spiritus oder Alkohol verwendet. Meine eigenen Erfahrungen mit Drysonal waren eher ernüchternd. Staubfitzelchen hatte ich trotzdem auf dem Film. Auch Steve Anchell rät in seinem Film Developing Cookbook ausdrücklich von solchen Mitteln ab, da offenbar nicht klar ist, ob und inwieweit sie die Beständigkeit des Film nachteilig beeinflussen können.
Mein Verfahren für Schlussbad und Trocknung
Meine mittlerweile über gut 20 Jahre mit gutem Erfolg praktizierte Vorgehensweise ist folgende:
Nach der Ilford-Schnellwässerung:
1. 1 bis 2 min in entmineralisiertem Wasser mit Netzmittel (80 % der Herstellerempfehlung),
2. etwa 1 min Karussel in der Salatzentrifuge,
3. eine Nacht Abhängen in der Duschkabine im frisch geputzten Bad.
Ich betone es noch einmal: Kein Abstreifer, kein künstlich erzeugter Luftzug.
Und dann?
So staubfrei Sie Ihren Film trocknen, wenn Sie ans Vergrößern gehen, werden Sie sehen, dass doch wieder Fusseln drauf sind. Diese gilt es nun ohne Schaden für den Film zu entfernen.
Damit Ihnen die Puste nicht ausgeht
Das beste Mittel zum Entstauben ohne mechanischen Kontakt ist m. E. auch das einfachste: ein Pusteball. (Kommen Sie nicht in Versuchung Ihre eigene Puste zu erzeugen. Die meisten von uns pusten entschieden zu viele Tröpfchen mit!) Kaufen Sie aber nicht diese winzigen Pustbälle in der Größe einer Pflaume mit einem Pinsel unten dran. Die helfen gar nichts. Sie brauchen einen Pusteball, der Ihre Hand gut füllt, damit Sie einen ordentlichen, d. h. festen und etwas andauernden Luftstrom erzeugen können. Der Pinsel am Luftaustritt hat auch nur eine Wirkung: Er bremst die Strömung und macht sie damit unwirksam. Zudem wird er im Laufe der Zeit zum Drecksammler und führt, sollten Sie tatsächlich einmal damit über Ihr Negativ pinseln, zum Gegenteil dessen, was Sie erreichen möchten. Von Hama gibt es einen nach meinen Erfahrungen ganz gut geeigneten Ball mit großem Volumen und enger, glatter Düse. Damit können Sie einen wirklich beachtlich festen Luftstoß erzeugen. Hilfsweise können Sie übrigens auch einen geeigneten Pusteball mit Pinsel mittels einer Kugelschreiberspitze "umrüsten".
Luft in Dosen?
Pressluft aus einem gewöhnlichen Kompressor enthält mitunter Ölreste, ist also nicht empfehlenswert, wenn man nicht (z. B. aus der Gerätespezifikation) weiß, dass sie ölfrei ist. Luft in Dosen halte ich für unnötig teuer. Der Pusteball tut's genausogut und erzeugt keinen Abfall. Er wird ganz und gar mit erneuerbarer Energie angetrieben (nämlich mit der Ihrer Unterarmmuskeln). Nur wenn Sie aus irgendwelchen Gründen mit dem festen Zusammendrücken Probleme haben, sollten Sie daher zu der teureren Pressluft in Dosen greifen.
Fatal Attraction
Das Problem des Staubs wird durch elektrostatische Anziehung erst richtig zum Problem. Lädt sich der Film auf, wird er zum Staubmagneten, und Sie können den Staub gar nicht so schnell wegpusten wie sich wieder neuer auf dem Film niederlässt.
Statische Aufladung entsteht durch das Reiben von unterschiedlichen Materialien aneinander. Vielleicht erinnern sich einige an den Schulversuch im Physikunterricht, bei dem ein Kunststoffstab mit einem geeigneten Läppchen gerieben wird und danach zum Magneten für Papierschnipsel wird. Ähnlich verhält es sich mit Film. Ich verwende selbst Pergamin-Ablageblätter und habe noch nie derartige Probleme gehabt, vermute jedoch nach Berichten in Foren, dass auch Filmablageblätter aus bestimmten Kunststoffen zu einer statischen Aufladung der Negativstreifen führen können. Wenn Sie also statische Aufladung als Ursache von Staubproblemen vermuten, testen Sie auch einmal Negativ-Ablageblätter aus anderen Materialien.
Darüber hinaus sind vermutlich auch bestimmte Textilien und Fußbodenmaterialien in der Duka ungünstig, aber es gibt bisher wenig Material zu diesem Thema, so dass ich Ihnen keine konkrete Empfehlung geben kann, sondern nur die, die Augen offen zu halten und das Problem ggf. auch dort zu suchen. Generell ist Kleidung aus Kunstfaser und Wolle nach meinen Erfahrungen ungünstiger als z. B. Baumwolle, beim Fußboden sind (auch wegen ihrer glatten Oberfläche, die sich leichter entstauben lässt) Fliesen günstiger als textile Beläge oder Kunststoffbeläge.
Elektrostatische Aufladung hat eigentlich die Tendenz, sich auch ohne menschliches Zutun wieder abzubauen. Typischerweise fällt ihr das allerdings schwer, wenn die Luft kalt und trocken ist. Da man im Fotolabor die Luft nicht gerne feucht hat, werden im Handel Ionisatoren angeboten, die in einem elektrischen Feld künstlich Ionen erzeugen, um vorhandene elektrostatische Ladungen schnell zu neutralisieren. Bei hartnäckigen Problemen können solche Geräte empfehlenswert sein. Allerdings würde ich kein Gerät empfehlen, dass im Sinne eines "Raumluftverbesserers" im Dauerbetrieb arbeitet, sondern ausschließlich Ionen-"Pistolen", mit denen der Filmstreifen überstrichen wird oder bei denen er durchgezogen wird. M. W. produzieren diese Geräte als Nebenprodukt auch Ozon, ein Gas, das schon in geringen Konzentrationen zu Reizungen der Schleimhäute und Atemwege führen kann und das stark oxidierend wirkt. Daher ist eine gute Belüftung empfehlenswert.
Wirksam gegen Aufladung und Staub können auch Karbonfaserbürstchen und Pinsel sein, wie sie früher zum Reinigen von Schallplatten verwendet wurden.
Antistatik in der Dose
Es gibt auch die chemische Keule gegen statische Aufladung. Ich zögere allerdings, Ihnen Sprays u. dgl. zu empfehlen, bei denen man nie genau weiß, wie sie sich hinsichtlich der Langzeitstabilität auswirken.
Mit einem Wisch ist alles weg
Wenn sich ein Fussel einmal ganz und gar weigert, sich wegpusten zu lassen, bleibt einem die Wahl: drauflassen, mitvergrößern und retuschieren oder vorsichtig wischen. Negative sind zwar empfindlich, aber vielleicht nicht ganz so empfindlich wie manchmal behauptet wird. Mit einem alten, schon oft gewaschenen und daher weichen Baumwolltaschentuch oder dem Zipfel eines Flanellhemdes können Sie es wagen, ganz vorsichtig den Fussel wegzuputzen. Dabei müssen Sie auf der Schichtseite noch vorsichtiger sein als auf der Filmrückseite. Kümmern Sie sich zunächst nicht darum, dass das Tuch noch mehr neue Fusseln erzeugt als es wegwischt. Die haften nicht am Film und können nachher leicht weggepustet werden. Wenn der eine festhängende Fussel weg ist und kein Kratzer entstanden ist, haben Sie gewonnen.
Überhaupt nicht geeignet zur Reinigung von Negativen sind alle Arten von Tüchern, die Reinigungslösungen u. dgl. (z. B. Brillenputztücher) enthalten. Diese mögen zwar helfen, Fingerabdrücke von Brillen zu putzen, aber die Chancen sind gut, dass Sie bei Negativen dazu führen, dass anstelle eines an sich harmlosen Staubfussels nachher ein schwer zu entfernender Schmier auf dem Negativ haftet oder das Lösungsmittel den Film beschädigt.
Hinterlassen Sie keine Fingerabdrücke!
Diese Aufforderung hat für Sie als Duka-Amateur besondere Bedeutung, auch wenn Sie sich ganz und gar im Rahmen des Gesetzes bewegen. Fingerabdrücke auf Negativen bestehen aus Fett und sind schwer zu entfernen. Auf der (glänzenden) Filmrückseite hilft meist noch der o. g. weiche Lappen, aber das Risiko einer Beschädigung des Negativs ist ungleich höher als bei der Entfernung eines Fussels. Auf der Schichtseite ... (ganz ganz vorsichtig!)
Wenn einem keine andere Wahl bleibt, kann man Fingerabdrücke mit einem Lösungsmittel zu entfernen versuchen. Es kommt allerdings darauf ein, ein solches zu finden, das dem Film nichts tut und das rückstandsfrei wieder verdunstet. Tetenal bot früher einen Lack (s. u.) an, um Kratzer u. dgl. im Filmträger zu füllen. Dessen Verdünner (Repolisan Lösungsmittel) bestand m. W. zu großen Teilen oder ganz aus Toluol oder Xylol. Diese beiden Lösungsmittel wären daher einen Versuch Wert. Probieren Sie es allerdings zuerst an einem unwichtigen Filmstück. Außerdem rate ich Ihnen, mit diesen Lösungsmitteln nur im Freien oder bei guter Lüftung zu arbeiten, da Sie nicht ungiftig sind.
Kratzer
Wenn's denn doch einmal passiert ist und ein Negativ einen Kratzer hat, ist guter Rat teuer. Wo im Negativ die Schicht weg ist, wird im Positiv ein schwarzer Streifen zu sehen sein, dem Sie zunächst mit Pinsel und Bleiche und danach mit Pinsel und Retuschefarbe zu Leibe rücken müssen. Alternativ können Sie versuchen, den Kratzer im Negativ mit Abdecklack zu tarnen, so dass er im Positiv einen weißen Strich ergibt. Dieser ist meist leichter mit Retuschefarbe zu bearbeiten als ein schwarzer mit Bleiche.
Kratzer auf der Filmrückseite machen sich witzigerweise (das liegt an der Brechung des Lichtes) als weiße Striche im Positiv bemerkbar. Sie können Sie zu retuschieren versuchen.
Aber es gibt auch ein orginelles Hausmittel: Auf Englisch Nose Grease, zu Deutsch Nasenschmiere oder Nasenfett!
Ja, Sie haben richtig gehört! Ich hab's auch fast nicht ernst genommen, als ich den Tipp zuerst in einem US-Forum las, aber es scheint wirklich etwas dran zu sein. Dennoch: Fangen Sie jetzt nicht an, Popel auf Ihre Negative zu schmieren. Gemeint ist Hautfett. (Wenn Sie trockene Haut haben, steht Ihnen dieses Hilfsmittel evtl. nicht zur Verfügung.) Rubbeln Sie mit dem Finger Ihre Nase und reiben Sie den Finger dann über den Kratzer. Mit etwas Glück wird er dann im Positiv wesentlich dezenter hervortreten als vorher.
Früher gab es auch einen Lack (Tetenal Repolisan), mit dem man versuchen konnte, den Kratzer aufzufüllen, aber ich habe mir sagen lassen, dass Tetenal dessen Produktion eingestellt hat. Man muss auch gestehen, dass die Anwendung dieses Lacks nicht einfach war. Oft genug erzeugte man ungleichmäßige Lackschichten, die schlimmer waren als das eigentliche Problem. Dann konnte man den Lack wieder auflösen und von vorne anfangen oder aufgeben. Das liegt natürlich nur an ungeschickter Arbeitsweise, aber wer möchte schon gerne hinreichend oft seine Negative verkratzen, um ein Meister im Kratzer füllen zu werden?
Die Wirkungsweise des Hautfetts wie des Repolisans besteht darin, dass der Kratzer im Filmträger mit einem Material aufgefüllt wird, dass ungefähr denselben Brechungsindex hat wie das Trägermaterial selbst. Dadurch wird der Träger wieder optisch homogen und unsichtbar.
Mit Adleraugen
Um den Staub vom Negativ entfernen zu können, ist es hilfreich, wenn man ihn sehen kann. Das sagt sich einfacher als es ist. Im Durchlicht sehen Sie wirklich nur das Gröbste. Besser ist da schon Streiflicht. Halten Sie Ihr Negativ so, dass Sie seine Oberfläche im streifend einfallenden Gegenlicht vor einem dunklen Hintergrund sehen. Wie Staubkörnchen im Zimmer in einem Sonnenstrahl aufleuchten, tun sie es auch auf der Negativoberfläche. Diese umständliche Beschreibung wird durch das Bild veranschaulicht.
Sie können auch den Vergrößerer zum Vergrößern des Staubs benutzen und im projizierten Bild nach verräterischen schwarzen Punkten und Strichen suchen. Dazu brauchen Sie eine rein weiße Projektionsfläche, z. B. ein sauberes Blatt Schreibpapier oder ein unbelichtetes und fixiertes Blatt Fotopapier. Allerdings ist es ungleich schwieriger, den Staub in der Projektion zu sehen als im fertigen Bild.
Obwohl ich mir einbilde, ganz gute Augen mein Eigen zu nennen, fand ich eine Kopflupe, wie sie Feinmechaniker benutzen, als gute Hilfe bei der Staubbekämpfung. Die Fusseln sind letztendlich im Original doch viel kleiner als ihre störenden Abbilder im Bild.
Wer im Glaushaus sitzt, ...
... der sollte bekanntermaßen nicht mit Steinen werfen. Auch immer wieder ein Thema im Hinblick auf Staubflecken sind Glasbildbühnen. Natürlich nimmt rein statistisch die Wahrscheinlichkeit, ein Fusselchen zu übersehen, zu, wenn man statt zwei Flächen - Negativ-Ober- und Unterseite - deren vier oder sechs - noch zwei je Glas - sauber halten muss. Dennoch finde ich, Glasbildbühnen sind nicht so problematisch: Man kann sie nämlich - anders als das Negativ - fast nach Belieben mechanisch putzen und mit Lösungsmitteln behandeln. Ich reinige meine Glasbildbühne mit einem alten, schon oft gewaschenen Taschentuch, um eventuelle Fingerabdrücke oder andere Beläge zu entfernen. Den Fusseln, die das Tuch hinterlässt, lässt sich leicht mit dem Pusteball beikommen. Das Abpusten empfiehlt sich bei jedem Negativ.
Glasbildbühnen können allerdings noch eine andere unliebsame Erscheinung hervorrufen, die mit Putzen nicht zu beseitigen ist, nämlich Newtonringe. Diese treten insbesondere in gleichmäßig hellen Flächen des Fotos (z. B. Himmel) störend als abwechselnd helle und dunkle, meist nicht ganz kreisförmige Ringe hervor. Sie entstehen durch mehrfache Reflexionen und Interferenz des Lichts an den Grenzflächen des Luftkeils, der sich ausbildet, wenn das Negativ nicht flächig an einem der Gläser anliegt.
Zum einen gibt es als Abhilfe so genannte Antinewtongläser, Gläser, deren Oberflächen angeätzt wurden, um sie aufzurauhen und damit die Ausbildung des Luftkeils und der Merhfachreflexionen zu unterbinden. Ich habe ein solches Glas aus einem Antinewton-Diarähmchen schon mit Erfolg als leichten Weichzeichner verwendet. Ich vermute daher, dass es der Schärfe nicht unbedingt zuträglich ist.
Auch gegen Newtonringe gibt Hilfe aus der chemischen Industrie, nämlich ein Anti-Newton-Spray, mit dem man Gläser und auch Negative behandeln können soll. Dieses Spray ist im Prinzip ein Lack, der in Form eines "Pickelmusters" auftrocknet. Damit ist keine glatte Fläche mehr vorhanden, und es kann sich kein Luftkeil ausbilden. Ich halte nicht viel davon, da ich ungern meine Negative mit Chemie behandle, bei deren Entwicklung die Archiveigenschaften vermutlich nicht berücksichtigt wurden. Darüber hinaus weiß ich nicht, ob nicht auch das von diesen Sprays hervorgerufene Pickelmuster die Schärfe nachteilig beeinflusst.
Aber Newtonringen ist mit einem ganz einfachen Mittel abzuhelfen, das m. W. keine unerwarteten Nebenwirkungen hat, nämlich einer Pappmaske: Schneiden Sie aus nicht zu dicker Pappe ein Rechteck, das Sie in Ihre Bildbühne einlegen können. Schneiden Sie ein Fenster aus, das etwas größer ist als Ihr Negativ, z. B. auf jeder Seite 1 mm. Wenn Sie diese Maske zusammen mit dem Negativ in die Bildbühne einlegen, und zwar die Maske auf der (glänzenden) Trägerseite des Negativs, wird die Planlage des Negativs nach meiner Erfahrung nicht nachteilig beeinflusst, aber Newtonringe gehören der Vergangenheit an.
Ende
Gott sei Dank geht das Entstauben eines Negativs in der Regel erheblich schneller vonstatten als die Lektüre dieses Artikels. Ich benötige i. d. R. je Negativ nicht mehr als eine Minute dazu.
oder: Optimierung von Schärfentiefe und Auflösung bei Landschaftsaufnahmen
Thomas Wollstein
Mai 2001
Zusammenfassung: |
Ich möchte Ihnen die Gründe dafür aufzeigen, dass das Einstellen nach Schärfentiefenskala nicht immer die bestmöglichen Ergebnisse liefert, speziell, wenn es darum geht, auch im Unendlichen eine hohe Auflösung zu erzielen. Die allgemeine Vorrede darüber, wie es zur Schärfentiefe kommt und warum der Bereich größer ist, je stärker man abblendet, möchte ich mir ersparen. Ich gehe davon aus, dass das die meisten Leser nur langweilen würde.
Die in diesem Beitrag verfolgte Argumentationskette geht zurück auf eine Reihe von Artikeln von Harold Merklinger in Shutterbug. Unter den Literaturhinweisen am Ende finden Sie den Hinweis auf URLs, unter denen Sie die Artikel - allerdings in Englisch - online lesen können, wenn Sie gerne noch detaillierter in die Materie einsteigen möchten.
Wenn wir auf eine bestimmte Entfernung scharf stellen, werden streng genommen nur solche Objekte scharf abgebildet, die sich in genau dieser Entfernung befinden. Alles davor oder dahinter wird mehr oder weniger unscharf abgebildet, und zwar je weiter es von der Einstellentfernung abweicht, desto unschärfer. Das stellt Bild 1 dar: Der scharfe Punkt in der Filmebene ergibt ein konvergentes Strahlenbündel, das ab dem Objektiv bis zu einer bestimmten Entfernung konvergiert und sich wieder zu einem Punkt vereinigt, dahinter aber wieder divergiert.
Bild 1: Strahlengang bei Scharfstellung auf eine bestimmte Entfernung
Bei stärkerem Abblenden wird das Strahlenbündel insgesamt schmaler und damit auch "spitzer". D. h. es läuft vor und hinter der Einstellentfernung nicht so schnell auseinander. Dadurch wird der Bereich der Schärfentiefe größer. Das wird durch das grün eingezeichnete Bündel veranschaulicht.
Wenn wir auf Unendlich scharfstellen, "konvergiert" das Strahlenbündel im Unendlichen, was heißt, dass es ein Parallelbündel ist. Das stellt Bild 2 dar.
Bild 2: Strahlengang bei Scharfstellung auf Unendlich
Hier führt stärkeres Abblenden zu einem dünneren, aber nach wie vor parallelen (ebenfalls grün eingezeichneten) Bündel. Der Durchmesser des Parallelbündels ist der Durchmesser der Blendenöffnung. Darauf kommen wir später noch zurück.
In diesen beiden Abbildungen steckt der Schlüssel zur Schärfeoptimierung!
Wenn Sie die Schärfentiefeskala an Ihrem Objektiv oder die so genannte hyperfokale Entfernung benutzen, stellen Sie eine feste Entfernung ein und sorgen durch Abblenden - also durch Zusammenziehen des Strahlenbündels - dafür, dass sich der scharf erscheinende Bereich so weit nach vorne und hinten erstreckt, wie es Ihrer Bildvorstellung entspricht. Bei Anwendung dieser Methode ist es üblich, die Unendlichmarkierung auf der Schärfentiefeskala auf die jeweilige Blendenzahl einzustellen, damit sich der Schärfebereich bis möglichst nah an die Kamera heran erstreckt.
Damit scheint zunächst alles in Butter. Von einem Nahpunkt bis ins Unendliche scheint alles scharf. Wenn Sie jedoch auf Bild 1 schauen, werden Sie sehen, wo sich Probleme ergeben könnten: Hinter der Einstellentfernung läuft das Bündel wieder auseinander.
Was bedeutet das in der Praxis? Ein Gegenstand wird dann im Foto aufgelöst, wenn der Durchmesser des Strahlenbündels in der Entfernung, in der er sich befindet, nicht größer ist als seine kleinste Abmessung. Eine Antenne auf einem weit entfernten Haus würde z. B. aufgelöst, wenn der Durchmesser des Strahlenbündels in der bewussten Entfernung nicht größer ist als die Dicke des Antennenmastes. Wenn das Strahlenbündel nur ein bisschen divergent ist, ist es nur eine Frage der Entfernung, wann es dicker ist als der Antennenmast. Bei 20 m Abstand mag der Mast noch erkennbar sein, aber bei 50 m oder 100 m ist er es vielleicht dann nicht mehr. Sehen Sie, worauf ich hinauswill?
Im Fall der Unendlich-Fokussierung erzeugen Sie ein Parallelbündel, dessen Durchmesser Sie direkt über den Durchmesser der Blendenöffnung festlegen. Das Parallelbündel hat (per Definition) in jeder Entfernung von der Kamera denselben Durchmesser. Das aber heißt: Die Auflösung ist unabhängig von der Entfernung und konstant! Ein Mast, der bei 20 m Abstand aufgelöst wird, wird dies auch bei 50 m und bei 100 m 1).
Einen Punkt muss man allerdings noch hervorheben: Dass ein Motivelement aufgelöst wird, heißt nicht, dass es im Bild auch scharf wiedergegeben wird. Bild 3 verdeutlicht diesen Unterschied: Beide Linienraster sind einwandfrei aufgelöst, aber ganz offensichtlich ist das untere nicht scharf.
Bild 3: Aufgelöst ist nicht dasselbe wie scharf
Unter den für die Schärfentiefeskala zugrunde gelegten Randbedingungen 2) hinsichtlich des Betrachtungsabstandes vom vollformatig vergrößerten Bild wird all das im Bild "scharf" dargestellt, was zwischen Nahpunkt und Fernpunkt liegt. Das gilt in jedem Fall. Man überlegt sich leicht (zur Not mit einer Kamera in der Hand und mit der Entfernungseinstellung spielend), welche Konsequenzen das bei den beiden Varianten hat:
Nehmen wir an, ich fotografiere mit Blende 8 und einer Brennweite von 35 mm. Bei Einstellung der Unendlichmarkierung auf die Markierung für Blende 8 auf der Tiefenschärfeskala meiner Minox 35, was einer Einstellung auf etwa 7 m entspricht, sehe ich, dass sich der Schärfebereich von etwa 3 m bis Unendlich erstrecken wird.
Bei Einstellung auf Unendlich "verschenke" ich die Hälfte des Schärfentiefebereiches. Jetzt entnehme ich der Skala, dass nur noch der Bereich von etwa 7 m bis Unendlich scharf wiedergegeben wird. Aber: Die Auflösung bei weit entfernten Gegenständen ist besser! Der Durchmesser des Parallelbündels ist leicht auszurechnen, nämlich
Bündeldurchmesser bei Einstellung auf Unendlich = Brennweite geteilt durch Blendenzahl
hier also konkret bei 35 mm Brennweite und Blende 8 etwa 4,5 mm, unabhängig von der Entfernung.
Sie haben bei vorgegebener Blende also die Wahl:
- Größtmögliche Tiefenschärfe zur Kamera hin erhalten Sie auf Kosten der Auflösung im Unendlichen.
- Größtmögliche Auflösung (und Schärfe) im Unendlichen erhalten Sie auf Kosten der Nahgrenze des Schärfebereichs.
Legende
d Durchmesser der Blende
D Abstand Blende - Objekt
(Bei Landschaft praktisch Abstand Kamera - Objekt)
E Abstand von der Einstellentfernung
s Streukreisdurchmesser
Bild 4: Zur Berechnung der Größe des kleinsten auflösbaren Objektes
Bild 1 und Bild 2 enthalten schon alles Wesentliche, um überlegen zu können, welche Einstellung man wählt. Im Bild 4 sind die entsprechenden Symbole und eine Formel eingetragen. Aber auch ohne Formel ist die Überlegung fast trivial:
Ein Objekt, das von der Einstellentfernung D aus um 1/10 D näher zu Ihnen hin liegt, wird genau dann aufgelöst, wenn seine Größe mindestens 1/10 des Blendendurchmessers beträgt. Analoges gilt, wenn es weiter weg liegt.
Bei Einstellung auf Unendlich wird's noch einfacher: Ungeachtet seines Abstandes wird jedes Objekt aufgelöst, das größer ist als der Blendendurchmesser.
Betrachten wir das am Beispiel eines Landschaftsfotos mit einer Brennweite von 100 mm bei Blende 8. Der Blendendurchmesser beträgt dann rund 12 mm. Im Abstand von 10 m möge eine Ziegelmauer stehen, im Hintergrund, etwa 1,5 km entfernt möge sich ein Dorf befinden.
Die günstigste Einstellentfernung (Schärfentiefenskala) würde bei dieser Konfiguration bei etwa 30 m liegen. Bei Einstellung auf 30 m beträgt der Streukreisdurchmesser an der Ziegelmauer etwa 8 mm. (Setzen Sie in die Gleichung ein: E = 20 m, D = 30 m, d = 12 mm.). Der Streukreisdurchmesser in 1,5 km Entfernung, beim Dorf, beträgt ganze 60 cm (E = 1470 m [1500 wäre aber genau genug 3)], D und d wie vor). Das bedeutet im Klartext, dass die Fugen in der Ziegelmauer sicher noch aufgelöst würden, aber die Fenster in den Häusern des Dorfes wären nur noch diffuse Flecken.
Bei Einstellung auf Unendlich sieht die Sache wie folgt aus: Streukreisdurchmesser nach Bild 2 bei der Mauer wie im Dorf rund 12 mm. Die Mauerfugen wären ein wenig schlechter aufgelöst (aber vermutlich immer noch erkennbar), aber die Fenster der Häuser im Dorf wären klar als solche erkennbar, und man würde auch den Hahn auf dem Kirchturm noch gut erkennen (vielleicht nicht als Hahn, aber sicher als Wetterfahne).
Daraus folgt, dass es nur einen Weg gibt, bei Landschaftsaufnahmen die Schärfe und Auflösung im Vordergrund zu verbessern, ohne sie im Hintergrund zu verlieren: Abblenden.
Regel 1: Wenn im Unendlichen feine Details aufgelöst werden sollen
Wenn Sie die Schärfentiefe maximieren möchten, ohne die Auflösung in der Ferne zu verlieren, stellen Sie auf Unendlich scharf und blenden Sie so weit ab, bis das kleinste aufzulösende Detail im Vordergrund größer ist als Ihre Blendenöffnung.
Regel 2: Wenn Auflösung im Unendlichen weniger wichtig ist als Schärfe im Nah- und Mittelbereich
Stellen Sie nach Schärfentiefeskala scharf oder auf das Objekt, das Ihnen am wichtigsten ist.
Vorsicht Falle! Leider kommt uns bei kleinen Blenden die Physik in die Quere. Je kleiner die Blendenöffnung, desto größer wird der durch Beugung bedingte Streukreisdurchmesser. Daher wird die Auflösung in der Ferne wieder etwas schlechter. Ohne Ableitung glauben Sie mir bitte, dass man den Beugungskreisdurchmesser annähern kann als D/1600d. Für unser Beispiel würde das bedeuten, dass auch bei Unendlich-Einstellung der Streukreisdurchmesser in 1,5 km Entfernung durch Beugung bei etwa 10 cm liegen würde und nicht bei 11 mm (was aber immer noch erheblich besser ist als die 60 cm bei Einstellung auf 30 m).
Ziehen wir aus dem Ganzen noch ein paar Schlussfolgerungen:
Mittel- und Großformataufnahmen
Bei Mittel- und Großformat sind bei gleichem Bildwinkel die Brennweiten länger, die Blendendurchmesser entsprechend bei gleicher Blendenzahl größer. Das heißt, dass bei gleichem Abstand und gleichem Ausschnitt der Streukreisdurchmesser größer wird, das kleinste auflösbare Detail also auch größer sein muss. Es heißt aber auch, dass die beugungsbedingte Unschärfe geringer wird. Gleichermaßen werden gleich große Objekte in der Filmebene größer abgebildet, so dass man erst später an die Grenze der Filmauflösung stößt.
Verwacklungsunschärfe
... haben wir nicht betrachtet. Wenn Sie an die Grenzen des optisch Machbaren vordringen möchten, tun Sie gut daran, ein Stativ zu benutzen, kurze Verschlusszeiten zu wählen (da beißt sich die Katze in den Schwanz, wenn Sie gleichzeitig abblenden möchten) und - bei Spiegelreflexkameras, besonders bei längeren Brennweiten - Spiegelvorauslösung zu benutzen. Auch Wind kann bei Landschaftsaufnahmen ein guter Grund sein, eine kürzere Verschlusszeit zu benutzen.
Literaturhinweise
[1] Harold M. Merklinger, Depth of Field Revisited (zusammenfassend, ohne Details),
http://www.trenholm.org/hmmerk/DOFR.html
Adjusting Depth of Field, as published in Shutterbug, Oct. 1991
http://www.trenholm.org/hmmerk/SHBG01.pdf
Adjusting Depth of Field - Part II, as published in Shutterbug, May 1992,
http://www.trenholm.org/hmmerk/SHBG02.pdf
Adjusting Depth of Field - Part III, as published in Shutterbug, June1992,
http://www.trenholm.org/hmmerk/SHBG03.pdf
Adjusting Depth of Field - Part IV, as published in Shutterbug, July 1992,
http://www.trenholm.org/hmmerk/SHBG04.pdf
[2] Ctein, Post Exposure - Advanced Techniques for the Photographic Printer, Focal Press 2000, ISBN 0-240-80229-3
Inzwischen kostenlos als Download von der Seite des Autors: http://ctein.com/booksmpl.htm
[3] Marchesi, Jost J., Handbuch der Fotografie, Bd. 1: Geschichte; Chemisch-physikalische und optische Grundlagen, Verlag Photographie, 1. Auflage 1993, ISBN 3-7231-0024-4
Fußnoten:
- Das gilt natürlich auch wieder nur im Rahmen dessen, was Film und Optik leisten können. Es bleibt ja dabei, dass Gegenstände kleiner abgebildet werden, wenn sie weiter entfernt sind. Irgendwann unterschreitet ihre Bildgröße dann z. B. die Auflösung des Filmmaterials.
- Es lohnt sich, auch hierüber nachzudenken: Bei der Berechnung der Skalen muss der Objektivhersteller festlegen, welchen Streukreisdurchmesser er als Kriterium ansetzt. Bei älteren Kameras sind meist wesentlich größere Durchmesser angesetzt als bei neuen, da die damaligen Filmmaterialien die Grenze niedriger setzten. So weiß ich z. B. dass bei meiner 40 Jahre alten Kodak Retina Ib die Skala für einen Streukreisdurchmesser von 1/20 mm gerechnet wurde, bei meiner 20 Jahre alten Minox 35 wurden m. W. schon nur noch 1/30 mm zugelassen. Lt. [3] sind die Schärfentiefeskalen aktueller Objektive nach der Konvention gerechnet, dass der zulässige Streukreisdurchmesser 1/2 000 der Normalbrennweite beträgt, also bei KB 1/40 mm. Genießen Sie also Schärfentiefeskalen mit Vorsicht!
- Es lohnt nicht, bei diesen Berechnungen alle Stellen zu verwenden, die der Taschenrechner hergibt, denn es handelt sich um eine Näherung. Um für die Aufnahme eine Idee zu bekommen, brauchen Sie in erster Linie die Größenordnung.
Starthilfe
oder: Vorbelichtung von Negativen hilft den Schatten auf die Sprünge
Thomas Wollstein
April 2001
Zusammenfassung: |
Sie kennen die Situation: Sie stehen in der Landschaft vor Ihrem Lieblingsmotiv in der Sonne und müssen feststellen, dass zwischen den bildwichtigen Lichtern und Schatten acht oder sogar noch mehr Blendenstufen liegen. Am Morgen war es noch so schön dunstig gewesen, und auf dem Film sind noch einige wunderschöne, aber eben kontrastarme Nebelaufnahmen, so dass Sie nicht einfach den ganzen Film verkürzt entwickeln können, was Sie vielleicht sonst tun würden, um die Lichter noch "im Rahmen" zu halten. Was tun? Lichter- oder Schattenzeichnung opfern? Auf die Mitte halten und Einbußen bei beiden hinnehmen?
(Übrigens: Auch wenn die Einleitung weitgehend auf die Belange von KB-Fotografen abzielt, kann man das beschriebene Verfahren vorteilhaft auch bei Mittel- und Großformat einsetzen.)
Da liegt der Hase im Pfeffer!
Ein Papierbild kann einen Helligkeitsumfang von rund 1:100, entsprechend etwa sieben Blendenstufen (1:128) wiedergeben. Ein Negativ kann durchaus einen größeren Belichtungsumfang einfangen, aber es bedarf einiger Kunstgriffe in der Dunkelkammer, diesen so aufs Papier zu bringen, dass er in die besagten 1:100 hineinpasst.
Dabei erstreckt sich der Spielraum eigentlich nur in den Lichterbereich, denn etwas zu dicht geratenen Lichter können Sie durch Nachbelichten zu Zeichnung verhelfen, aber Schatten, die im Negativ keine Zeichnung haben, sind auch durch Tricks nicht zu retten.
Setzen wir als Nullpunkt die für eine Aufnahme gewählte Kombination von Verschlusszeit und Blende an, so wird all das im Positiv ohne weitere Manipulationen mit voller Zeichnung wiedergegeben, was innerhalb eines Bereichs von zwei Blendenstufen darunter bis drei Blendenstufen darüber liegt.
Drei Blenden nach unten bedeuten, dass Sie vielleicht noch einen Grauwert hinbekommen, der eben nicht volles Schwarz ist, aber von Zeichnung kann man nicht mehr reden. Vier Blenden nach oben bedeuten analog, dass die entsprechende Stelle im Positiv gerade eben von Papierweiß zu unterscheiden ist. Das können Sie mit Nachbelichten i. d. R. noch retten, aber irgendwo ist auch damit Schluss.
Dieser Unterschied im Verhalten der Lichter und der Schatten liegt darin begründet, dass Filme bei Belichtung unterhalb einer Schwelle schlicht und einfach gar keine verwertbare Schwärzung liefern. Oberhalb der Schwelle folgt ein recht langer geradliniger Bereich, indem eine Belichtungszugabe von einer Blende immer denselben Zuwachs an Dichte erbringt. Bei ganz starken Belichtungen schließlich folgt ein Bereich, indem dieselbe Zugabe (1 Blende) schließlich zu immer weniger Zuwachs an Dichte führt, und irgendwann ist alles Silber in der Emulsion belichtet, d. h. Sie können dem Film soviel Licht gönnen, wie Sie möchten, schwärzer kann er nicht mehr werden.
Dieses Verhalten des Films wird durch die Schwärzungskurve der Film/Entwickler-Kombination veranschaulicht. Eine Schwärzungskurve sollten Sie so lesen: Wo sie steil ist, werden leicht von einander abweichende Grauwerte gut differenziert. Wo sie hingegen abflacht (im Anfangsbereich, dem Kurvenfuss, und nach dem geradlinigen Bereich, in der Kurvenschulter), werden die Werte nicht so deutlich differenziert.
Die konkrete Form der Kurve hängt sehr von der gewählten Kombination von Film und Entwickler ab. Bei vielen Kombinationen moderner Filme und Entwickler ist der geradlinige Bereich sehr lang, so lang, dass er bestimmend für die Grauwertwiedergabe ist. Sog. Ausgleichsentwickler, z. B. Tetenals Emofin, oder Neofin Doku, dass zur windelweichen Entwicklung von Dokumentenfilmen dient, biegen die Kurve oben ab, so dass die Lichter auf Kosten einer geringeren Differenzierung länger im Bereich verwertbarer Dichten bleiben. Dem kommt entgegen, dass das menschliche Auge winzige Unterschiede in den Lichtern besser unterscheiden kann als in den Schatten.
Doch zurück zu unserem Problem: Die Tatsache, dass Film unterhalb einer gewissen Belichtung keine Schwärzung liefert, heißt nicht, dass mit dem Film nichts passiert. Er erinnert sich daran, dass er dort schon "Licht gesehen" hat, aber wenn sonst nichts passiert, führt das nicht zu entwickelbaren Latentbildkeimen. Wenn wir dem Film aber zusätzlich zu der unterschwelligen Vorbelichtung noch ein bisschen mehr Licht gönnen, kann uns dieses Verhalten helfen, die Schatten zu retten, ohne die Lichter dadurch in den Bereich jenseits von Gut und Böse zu schieben.
Das Kochrezept
Schritt 1: Messung / Interpretation
Wir messen das Motiv mittels eines Spotmeters (handgehalten oder in der Kamera, zur Not auch Nahmessung mit normalen Belichtungsmesser) aus. Nehmen wir an, wir messen
- in den tiefsten Schatten, die noch Zeichnung haben sollen: Bl. 2,8, 1/250 s und
- in den hellsten Lichtern, die noch Zeichnung haben sollen: Bl. 32, 1/250 s.
Eine Kontrollmessung ergibt, dass der mittlere Grauwert bei Bl. 8, 1/250 s liegt.
In einem solchen Fall sollte es mit etwas Geschick möglich sein, die Lichter in der Dunkelkammer durch Nachbelichten zu retten, vorausgesetzt sie sind nicht zu ungünstig über das Bild verteilt. Gehen wir aber für den Moment einmal davon aus, dass die Lichter entweder eine kompliziert berandete Fläche bilden oder über das ganze Bild verteilt sind und daher keine Nachbelichtung in Frage kommt. Also...
Schritt 2: Vorbelichtung
Wir schalten unsere Kamera auf Doppelbelichtung, stellen auf Unendlich scharf und setzen einen Diffusor (keinen Weichzeichner, sondern eine echte Streuscheibe) vor das Objektiv. Durch diesen hindurch messen wir erneut die Belichtung und stellen einen Wert ein, der einer Unterbelichtung um drei Blendenstufen entspricht. Konkretes Beispiel: Wir messen Bl. 4, 1/250 s und stellen Bl. 11, 1/250 s ein. Mit dieser Einstellung belichten wir das Negativ durch den Diffusor. Dann entfernen wir den Diffusor und gehen über zu Schritt 3.
Alternativ kann man, wenn man keinen Diffusor zur Hand hat, auch eine einheitlich helle Fläche suchen (z. B. Graukarte, Himmel, Wand) und diese unscharf und um drei Blenden unterbelichtet aufnehmen. Das Ergebnis ist dasselbe, nur muss man bei dieser Fläche sehr darauf achten, dass sie auch wirklich einheitlich hell ist, also nicht etwa einen deutlichen Lichtabfall aufweist. Nach dieser Vorbelichtung richten wir die Kamera wieder auf unser eigentliches Motiv. Es folgt Schritt 3.
Schritt 3: Die eigentliche Aufnahme
Jetzt stellen wir an der Kamera die anfangs gemessene Bl. 8, 1/250 s ein, bei der die Schatten ohne Zeichnung abgebildet würden, und machen unsere Aufnahme.
Die Früchte der Arbeit
Als Ergebnis haben wir ein Negativ erzeugt, in dem im Vergleich zum nicht vorbelichteten Negativ vom selben Motiv die Schatten wesentlich besser durchgezeichnet sind, die Mitteltöne nur wenig angehoben und komprimiert sind und die Lichter praktisch unverändert geblieben sind. Mit verkürzter Entwicklung hätten wir das nicht erreicht. Damit wären immer alle Tonwerte in ähnlicher Weise komprimiert worden.
Auch mit Vorbelichtung kann man zuviel des Guten tun. Eine übermäßige Vorbelichtung, besonders wenn sie größere Flächen im Negativ betrifft, kann eine unangenehm verschleierte Wirkung hervorrufen, da der Kontrast in den Schatten ja reduziert ist. Ich würde daher immer dazu raten, probehalber - mindestens bis Sie den Effekt beherrschen - eine Aufnahme ohne Vorbelichtung, eine mit einer Vorbelichtung von -3 Blenden und zusätzlich eine mit -4 Blenden zu schießen. Suchen Sie nachher die Ihrem Geschmack am besten entsprechende Aufnahme aus.
Für die an den Hintergründen interessierten Leser folgt ab hier die Erklärung, warum das beschriebene Verfahren funktioniert. Wenn Sie nur das Kochrezept haben wollten, dürfen Sie hier aufhören zu lesen.
Warum funktioniert's?
Stellen wir einmal gegenüber, wie die Belichtung in den Schatten, den Mitteltönen und den Lichtern im nicht vorbelichteten und im vorbelichteten Fall aussieht. Dabei geben wir die Belichtung immer bezogen auf die der Mitteltöne an, einmal in Blendenstufen und einmal als Bruchteil/Vielfaches, eingedenk der Tatsache, dass minus eine Blende einer Halbierung, plus eine Blende einer Verdopplung entspricht.
Tabelle 1: Belichtung des nicht vorbelichteten Negativs
Tonwertbereich |
Schatten |
Mittelton |
Lichter |
Belichtung in Blendenwerten bezogen auf Mittelton |
-3 |
0 |
+3 |
Belichtung als Bruchteil/Vielfaches der Mitteltonbelichtung |
1/8 |
1 |
8 |
Tabelle 2: Belichtung durch die Vorbelichtung
Tonwertbereich |
Schatten |
Mittelton |
Lichter |
Belichtung in Blendenwerten bezogen auf Mittelton |
-3 |
-3 |
-3 |
Belichtung als Bruchteil/Vielfaches der Mitteltonbelichtung |
1/8 |
1/8 |
1/8 |
Tabelle 3: Belichtung des vorbelichteten Negativs (Summe Tabellen 1+2)
Tonwertbereich |
Schatten |
Mittelton |
Lichter |
Belichtung in Blendenwerten bezogen auf Mittelton |
-2 |
+1/8 |
-3 |
Belichtung als Bruchteil/Vielfaches der Mitteltonbelichtung |
1/8+1/8= |
1+1/8= |
8+1/8= |
Wenn wir jetzt die Änderung der Belichtung durch die Vorbelichtung ins Verhältnis setzen zur Belichtung ohne Vorbelichtung, sehen wird, dass durch die Vorbelichtung praktisch nur die Schatten nennenswert beeinflusst wurden.
Tabelle 4: Änderung der Belichtung durch Vorbelichtung
Tonwertbereich |
Schatten |
Mittelton |
Lichter |
Änderung Belichtung in Blendenwerten bezogen auf Belichtung ohne Vorbelichtung |
+1 |
+1/8 |
+1/16 bis 1/32 |
Änderung der Belichtung in Prozent der Belichtung ohne Vorbelichtung |
+100% |
+12.5% |
+4% |
Das verdeutlicht:
- Die tiefen Schatten werden erheblich, nämlich um eine ganze Blende angehoben.
- Der Kontrast innerhalb der Schatten und zwischen Schatten und Mitteltönen nimmt entsprechend ab.
- Den Mitteltönen passiert wenig mit einer Zugabe von einer Achtelblende.
- Den Lichtern passiert mit einer Zugabe von 1/16 bis 1/32 Blende praktisch nichts.
- Der Kontrast innerhalb der Lichter und zwischen Mitteltönen und Lichtern bleibt praktisch unverändert.
Einen ähnlichen Effekt erhält man übrigens auch mit einem schlechten, weil streulichtanfälligen Objektiv. Ein solches führt zu vermindertem Kontrast, vor allem in den Schatten. Die Begründung ist dieselbe wie bei der Vorbelichtung, nur kommt man ohne Doppelbelichtung aus. Auch "schlechte" Objektive haben also ihr Gutes. Wie Ansel Adams in "Das Negativ" ausführt, ist der Nachteil bei einem solchen Objektiv nur der, dass man den Effekt nicht so gut kalkulieren und steuern kann wie bei dem hier beschriebenen Verfahren.
Literaturhinweise
[1] Ansel Adams, Das Negativ, Christian Verlag, München 1982, ISBN 3-88472-071-6 (in meinen Augen die beste Erklärung)
[2] Andreas Weidner, Workshop Zonensystem, Verlag Photographie, CH-Schaffhausen 1994, ISBN 3-7231-0041-4 (gute Erklärung, vermutlich basierend auf [1])
[3] Thomas Maschke, Faszination der Schwarzweiß-Fotografie: Technik, Themen und Motive, Augustus Verlag, 5. Auflage, Augsburg 1996, ISBN 3-8043-5046-1 (Erklärung fast gleichlautend mit [2])
[4] Peter Fischer-Piel, Das Zonensystem in der Schwarzweiß- und Farbfotografie, ikoo Buchverlag, Berlin 1986, ISBN 3-88677-929-7 (Erklärung nicht ganz so klar)
[5] Roger W. Hicks, Frances E. Schultz, Perfect Exposure - From Theory to Practice, David and Charles, UK, 1999, ISBN 0-7153-0814-9 (keine direkte Erklärung der Vorbelichtung von Negativen, aber der allgemeinen Möglichkeiten, Kontraste im Positiv wiederzugeben sowie des Effektes von Streulicht im Objektiv)
Eine Frage des guten Tons
oder: Archivfeste Tonungen (und eine weitere Nachbehandlung)
Thomas Wollstein
März 2001
Zusammenfassung: |
Nachdem ich Ihnen im Januar 2001 schonend beibringen musste, dass Ihre sorgsam erarbeiteten und daher wertvollen feinen Prints durch den allgegenwärtigen Dreck in der Luft schnell leiden können, möchte ich in diesem Beitrag archivfeste Tonungen mit Beispielen und im Detail behandeln.
Eine Warnung gleich zu Anfang: Monitore sind im Hinblick auf Farbtreue alles andere als verlässlich. Betrachten Sie daher die abgebildeten Effekte nur als groben Trend. Selbst wenn Sie dasselbe Papier und denselben Toner verwenden, kann das Resultat bei Ihnen anders aussehen als am Monitor.
Hinzu kommt, dass jedes Fotopapier auf Tonung anders reagiert. Generell lässt sich sagen, dass Emulsionen mit kaltem Bildton schwächer auf Tonung ansprechen als solche mit wärmerem Ton. Eine plausible Erklärung dafür scheint mir zu sein, dass bei den Kalttonemulsionen das Silberbild aus gröberen Silberkörnern besteht als bei Warmtonemulsionen. Das führt dazu, dass Silberbilder auf Warmtonemulsionen angreifenden Chemikalien eine viel größere Oberfläche zur Verfügung stellen. (Aus diesem Grund sollte man z. B. auch erwarten, dass Warmtonbilder anfälliger für Oxidation durch Luftverunreinigungen sind, aber ich glaube, das hat noch niemand ernsthaft untersucht.) Tatsache bleibt:
Wenn Sie deutliche Tonungsergebnisse wünschen, verwenden Sie Warmtonpapier!
Nachdem ich das gesagt habe und Sie auch im Folgenden noch einige Warnungen finden werden, sollten Sie trotzdem nicht den Eindruck gewinnen, Tonung sei eine schwierige Angelegenheit. Eigentlich möchte ich Sie mit diesem Artikel einladen, Ihre eigenen Experimente zu machen. Sie werden sehen, dass Toner Ihre bildgestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten erweitern können.
Es gibt natürlich über die hier vorgestellten Tonungen hinaus noch eine ganze Reihe von Rezepturen für die verschiedensten Farbtöne, aber leider sind die meisten davon überhaupt nicht langzeitstabil. Ich stelle Ihnen im Folgenden nur fünf Möglichkeiten vor, dauerhafte Tonungen zu erzielen sowie eine weitere Möglichkeit zur Bildstabilisierung ohne Tonwertänderung.
Alle Beispielbilder habe ich auf Forte Polywarmtone Plus FB vergrößert, ein Papier, das für seine teilweise spektakulären Reaktionen auf Toner bekannt ist. Alle Bilder wurden während einer Dukasitzung gleich belichtet und hintereinander verarbeitet und identisch ausgewässert. Sie unterscheiden sich also nur in der Nachbehandlung.
Hier ist das Referenzbild (das ich genauso gut als Beispiel für Sistanbehandlung hätte verwenden können, s. u.). Warum ein Hochzeitsbild? Nun, zum einen wünsche ich Frank und Doro, dass ihre Ehe glücklich wird und lange lange hält, und dass die beiden sich das Bild auch nach Jahren noch gerne angucken. Zum anderen eignet es sich gut als Beispiel, um die Wirkung von Tonern zu illustrieren, da es kräftige dunkle Partien, Papierweiß und auch Zwischentöne enthält. Damit ist nicht gesagt, dass es mit jedem Toner gut aussieht, aber das ist eine andere Geschichte (und zum Teil Geschmackssache). Ich halte es aber für günstig, zum besseren Vergleich alle Toner anhand eines Bildes vorzuführen, und Graukeile waren mir einfach zu trocken.
Allgemeines zum Tonen
Bilder, die Sie tonen möchten, sollten Sie ganz besonders sorgfältig verarbeiten, denn die Tonung hat mitunter die unangenehme Eigenschaft, Verarbeitungsfehler, die ohne Tonen nicht auffielen, zum Vorschein zu bringen. Lokale Unterschiede in der Entwicklung des Bildes, z. B. weil es beim Entwickeln partiell auf dem Boden der Schale aufgelegen hat, werden von manchen Tonern gnadenlos entlarvt.
Im Sinne Ihrer Gesundheit sollten Sie die Warnhinweise auf den Tonern beachten. Praktisch alle Fotochemikalien sind Gefahrstoffe und Umweltgifte, und bei den Tonern sind einige besonders giftige versammelt. Es ist also durchaus eine gute Idee, beim Tonen Laborhandschuhe zu tragen, und bei einigen Tonern (Schwefeltoner, Agfa Viradon, Selentoner) empfiehlt sich zusätzlich gute Belüftung. Details siehe weiter unten.
Gewöhnen Sie sich daran, alle verwendeten Geräte und Arbeitsflächen nach dem Tonen zu reinigen, um Verschleppung von Chemikalien zu vermeiden. Wenn Sie langzeitstabile Bilder wollen, müssen Sie sauber arbeiten, denn manche Sünde zeigt sich erst nach Jahren und ist dann nicht wieder auszubügeln.
Noch ein Wort hinsichtlich der Entsorgung: Genau wie Entwickler und Fixierbäder gehören Toner in den Sondermüll, und zwar getrennt! Beachten Sie das bei Tonern besonders, denn das Zusammenkippen z. B. von Natriumsulfidlösung mit Säure führt zur Entstehung von Schwefelwasserstoff, einem Gas, das nicht nur erbärmlich stinkt, sondern auch extrem giftig ist.
Selentoner lässt die Herzen von Ansel-Adams-Adepten höher schlagen!
Teilweise zu Unrecht, meine ich! Selentoner bewirkt in hoher Verdünnung und bei relativ kurzer Einwirkzeit eine Anhebung der Maximaldichte des Fotopapiers und damit eine Verbesserung der Schattendifferenzierung, oft ohne nennenswerte Farbtonveränderung. So verdienstvoll dies ist, damit ist sein Wert für die Stabilisierung des Bildsilbers, der von vielen Adams-Adepten immer wieder hochgehalten wird, praktisch nicht existent. Unter den Stichworten Tonung und Archivfestigkeit möchte ich daher diese Praxis nur der Vollständigkeit halber erwähnen. (Einen ähnlichen Effekt erzielt man auch mit Goldtoner, siehe weiter unten.)
Wenn Sie mit Selentoner sowohl eine Schutzwirkung als auch eine Stabilisierung des Bildes erzielen möchten, müssen Sie ihn lange und/oder in höherer Konzentration einwirken lassen. Er führt dann bei vielen Fotopapieren zu einem mehr oder weniger intensiven, ins Purpur-, Aubergine- oder auch Pflaumenfarbene tendierenden Farbton.
Das Beispielbild wurde für 10 Minuten in Amaloco T 50 1+9 getont. Neben der angesprochenen Farbtonverschiebung kann man an diesem Bild deutlich den für Selentoner recht typischen (und bei dem verwendeten Fotopapier bekanntermaßen besonders ausgeprägten) Teiltonungseffekt (Engl.: split toning) sehen: Die dunklen Bildpartien sprechen eher auf die Tonung an als die hellen. Im Beispielbild führte das dazu, dass die dunklen Partien bereits voll getont sind und den typischen rötlichen Ton aufweisen, die Gesichter jedoch zum Teil noch einen kälteren Ton behalten haben, der neben den warmtonigen Schattenpartien fast ein bisschen merkwürdig aussieht.
Man kann dies gestalterisch ausnutzen, aber das ist vielleicht ein Thema für einen späteren Artikel. Im Augenblick interessiert uns im Sinne der Stabilität eine andere Schlussfolgerung daraus: Durch die Teiltonung sprechen die Mitteltöne und hellen Partien eines Bildes erst sehr spät auf die Tonung an. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, lange zu tonen oder aber zusätzlich zum Selentoner Agfa Sistan (s. u.) einzusetzen, wenn man ganz sicher vollen Schutz anstrebt.
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Sicherheitshinweise: |
Goldtoner - edel, exotisch und echt cool
Wenn man der Aufschrift auf der Flasche von Tetenals Goldtoner glauben darf, ist der Toner nur dazu gedacht, zusammen mit einer Schwefeltonung zur Erreichung eines Rötel-Effekts genutzt zu werden. Aus meiner Sicht ist das (siehe weiter unten) die weniger interessante Anwendung. Denn für sich allein genommen bewirkt Goldtoner eine deutliche Erhöhung der Maximaldichten und - was mir noch viel mehr zusagt - eine wunderbare Abkühlung des Bildtons bis hin zu echtem Blauschwarz. Das Beispielbild wurde 10 Minuten in Tetenal Goldtoner getont. (Tetenal Goldtoner wird direkt als Arbeitslösung angeboten, daher ist keine Verdünnung angegeben.) Bei Salzpapierdrucken und anderen alten Auskopierverfahren war übrigens die Behandlung des Bildes mit Goldtoner gängig, da nur so die Bilder haltbar wurden [1], und Goldtoner war der Stabilisator schlechthin, bevor - vermutlich wegen des günstigeren Preises - Selentoner so beliebt wurde. Mit Goldtoner lassen sich je nach Formulierung nicht nur die hier beschriebenen kühlen bis bläulichen Bildtöne erzeugen, sondern auch bräunliche, die denen von Schwefeltoner ähneln. Ich möchte mich hier allerdings auf die erstgenannte Anwendung beschränken, da man wegen des hohen Preises i. d. R. nur für die Zwecke Goldtoner einsetzen wird, die nicht anders zu erzielen sind.
Durch die Erhöhung der Dichte des Bildes können mitunter Bilder, die in trockenem Zustand gut aussehen, nach der Anwendung von Goldtoner zu dunkel wirken.
Auch Goldtoner neigt zum Teiltonen, allerdings von der anderen Seite her: Er wirkt zuerst in den hellen Bildpartien. Dazu vielleicht mehr in einem späteren Artikel. Hier ist im Sinne der Bildsilberstabilisierung der Schluss zu ziehen, dass Goldtoner erst dann seine stabilisierende Wirkung voll entwickeln kann, wenn er bis in die Schatten hinein wirkt. Wenn seine Anwendung darauf abzielt, die Schattendichten zu erhöhen, wird man ihn ohnedies lange genug einwirken lassen. Ansonsten empfiehlt sich eine Zusatzbehandlung mit Agfa Sistan.
Für Goldtoner gilt die Empfehlung, Warmtonpapier zu benutzen, in besonderem Maße, da er bei Kalttonpapieren oft kaum oder gar nicht sichtbar wirkt.
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Sicherheitshinweise: |
Schwefeltoner: Ei, was stinkt hier so?
Schwefeltoner kommt in zwei Varianten daher, einer geruchlosen und einer (nach faulen Eiern) stinkenden. (Wenn das der einzige Unterschied wäre, wäre vermutlich die stinkende Variante längst ausgestorben.) Beide Tonervarianten sind Zweibadtoner, bei denen der eigentlichen Tonung ein Bleichbad vorausgeht. Das Bleichbad besteht typischerweise aus Kaliumhexacyanoferrat (III) und Kaliumbromid und verwandelt das Bildsilber wieder in Silberbromid. Dieses Silberbromid wird dann im zweiten Bad, dem eigentlichen Toner, zu Silbersulfid umentwickelt. Das Silbersulfidbild ist braun gefärbt. Silbersulfid ist eine extrem stabile Verbindung. Schwefelgetonte Bilder sind daher absolut archivfest.
Die Unterschiede zwischen den beiden erwähnten Tonervarianten liegen im zweiten, dem Tonungsbad. Während bei der stinkenden Variante (z. B. Tetenal Schwefeltoner oder Eigenansatz, Rezept siehe Ende des Artikels) die Tonungslösung eine einfache Natriumsulfidlösung ist, wird bei der zweiten Variante eine organische Verbindung, Thiocarbamid (gleichbedeutend: Thioharnstoff), verwendet (z. B. Amaloco Variton und Tetenal Triponaltoner). Thiocarbamidbasierte Schwefeltoner lassen sich in ihrer Wirkung steuern. Vor der Tonung wird je nach gewünschtem Farbton, der von gelblichbraun bis kaltbraun reichen kann, eine Tonerlösung aus Thiocarbamid und einem Steuerpart, Natriumhydroxid, angesetzt. Die Tonungslösung hält allerdings nur ein paar Stunden.
Wegen der verwendeten Bleichlösung ist besonders zu beachten, dass die Bilder vor dem Tonen gründlich ausgewässert werden, den die Bleichlösung zusammen mit Fixierbadresten ergibt im Prinzip Farmerschen Abschwächer. Dadurch würden beim Vorhandensein von Fixierbadresten die Lichter ausbleichen.
Zwischen Bleichen und Tonen ist eine Zwischenwässerung einzuschieben, bei der der leuchtend gelborange Farbton des Bleichbades ausgewaschen werden muss, bevor der Toner angewendet wird. Die eigentliche Tonung geschient praktisch augenblicklich, wenn das Bild ins Bad kommt.
Das Beispielbild wurde mit einem selbst angesetzten einfachen Natriumsulfidtoner (Pfui!) getont. Es hat einen sehr antiken Look angenommen, der nicht zuletzt auch dadurch verstärkt wird, dass es erheblich in Kontrastumfang und Maximaldichte nachgelassen hat.
Da die Wirkung der Bleichlösung ebenfalls zuerst in den hellen Partien sichtbar wird, lässt sich auch mit Schwefeltoner eine Teiltonung erreichen, wenn man den Bleichvorgang frühzeitig abbricht. Die meisten handelsüblichen Tonerrezepturen und Vorschläge für Selbstansätze enthalten jedoch für diesen Zweck viel zu hoch konzentrierte Bleichlösungen. Wenn Sie also eine Teiltonung probieren möchten, sollten Sie die Bleichlösung stark verdünnen, um den Prozess besser steuern zu können. Es gilt dann wieder die Empfehlung, den Schutz mit Agfa Sistan zu vervollständigen.
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Sicherheitshinweise: |
Agfa Viradon - das Beste aus zwei Welten
Soweit mir bekannt, handelt es sich bei Agfa Viradon im Prinzip um eine Kreuzung aus Selen- und Schwefeltoner, und vom Bildton her würde das auch passen. (Für das Beispiel wurde 10 Minuten in Agfa Viradon 1+50 getont.) Stinken tut das Zeug wie Schwefeltoner. Agfa Viradon ist ein Einbadtoner. Das Bild wird einfach für einige Zeit hineingeworfen und wieder herausgefischt, wenn es passend erscheint. Allerdings muss man sagen, dass die visuelle Beurteilung des Tonungsfortgangs schwierig ist, da die Lösung dunkelorange gefärbt ist. Wenn man den Tonungsvorgang definiert abbrechen möchte, empfiehlt sich ein Bad in Natriumsulfitlösung (diesmal Sulfit mit t!). Diese soll ein Nachtonen während der Schlusswässerung verhindern.
Die kombinierte Selen- und Schwefeltonung müsste nach allem Verständnis stabile Bilder ergeben, so dass ein zusätzlicher Schutz nicht vonnöten ist.
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Sicherheitshinweise: |
Das Bild hat die Röteln - Tonung mit Schwefeltoner und Goldtoner
Wie bereits erwähnt, ist lt. Flaschenetikett Tetenals Goldtoner dazu gedacht, nach einer Schwefeltonung eingesetzt zu werden, um so einen Rötelton zu erzielen. Wenn man einmal davon absieht, dass das nicht jedem Bild steht, bieten sich damit interessante Möglichkeiten zum Spielen. Mein erstes Experiment mit Schwefel + Goldtonung brachte mir auf Forte Polywarmtone Plus FB bei einem mit hausgemachtem Schwefeltoner (s. u.) getonten Ausschussbild einen unerwarteten leuchtenden Orangeton, der mir fast die Schuhe auszog. Hier scheint das Papier ein wenig untypisch zu reagieren. Ich habe daraufhin ein wenig mehr experimentiert und präsentiere Ihnen als Beispielbild ein solches, dass 3 Minuten in Viradon 1+50 und 8 Minuten in Tetenal Goldtoner behandelt wurde. Der Bildton ist in der Tat ein roter, und dieser Rotton hat gegenüber anders erzeugten den Vorteil, dass er stabil ist.
Ein interessantes Anwendungsfeld für diese Tonung sehe ich vor allem in der Teiltonung. Schwefeltoner tont zuerst die hellen Partien, und ich könnte mir vorstellen, dass zarte Rosatöne zusammen mit tiefen, kalten Schwärzen bei Abendstimmungen eine interessante Wirkung haben können. (Da muss ich doch gleich einmal ein passendes Negativ suchen.)
Zur Anwendung der beiden einzelnen Toner habe ich schon etwas gesagt. Zwischen den beiden Tonungen sollten Sie wässern wie bei einer Schlusswässerung.
Es gelten die Sicherheitshinweise für die einzelnen Toner.
Agfa Sistan: Keine Tonveränderung und trotzdem stabil
Es passt nicht so richtig zum Thema "Tonungen", aber dafür zum Thema "Stabilität". Eine Bildtonänderung ruft Sistan nicht hervor. Sistan ist lt. Etikett ein "Bildsilberstabilisator". Über die Wirkmechanismen habe ich im Januar-Beitrag schon ein bisschen gesagt, so dass ich mir das hier spare. Nur noch einmal der Hinweis zur Anwendung:
Agfa Sistan wird als Schlussbad verwendet. Danach darf nicht mehr gewässert werden. (Sonst können Sie sich die Anwendung gleich sparen.)
Agfa Sistan scheint sich mit allen anderen Tonern zu vertragen. Bei wertvollen Bildern ist es daher vielleicht eine gute Idee, Sistan zur Vervollständigung des Schutzes einzusetzen, wenn z. B. eine Volltonung mit einem Toner nicht sichergestellt oder aus gestalterischen Gründen nicht gewünscht ist.
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Sicherheitshinweise: |
Die folgende Tabelle präsentiert die Toner noch einmal im Überblick.
Behandlung* |
Bildton** |
Stabilisierende Wirkung*** |
ungef. Kosten für die Behandlung |
Agfa Sistan |
keine Änderung |
lt. Agfa sehr gut, unabh. Tests in Vorbereitung |
unter 0,10 DM |
Agfa Viradon |
Brauntöne, meist warm |
sehr gut |
gering |
Goldtoner |
direkt eingesetzt Erhöhung der Schattendichte, Abkühlungnach Schwefeltonung Rottöne |
|
1 DM |
Schwefeltoner |
Brauntöne, kaltbraun bis gelblich, bei Thiocarbamidtoner abstimmbar bei Volltonung sehr gut |
bei Teiltonung zusätzliche Anwendung von Sistan empfohlen |
bei Selbstansatz gering |
Selentoner |
bei Teiltonung nur Erhöhung der Schattendichte, keine nennenswerte Farbtonänderung, variierende, ins Rotbraune tendierende Töne bei Volltonung |
nur bei Volltonung sichergestellt, zusätzliche Anwendung von Sistan empfohlen |
gering |
Anmerkungen: |
Tonerrezepturen
Bitte beachten Sie die Sicherheitshinweise im Text.
Einfacher Zweibad-Schwefeltoner auf Natriumsulfidbasis
Rezept aus [2]
Bleichbad (Stammlösung)
Kaliumhexcyanoferrat(III) 100 g
Kaliumbromid 100 g
Wasser (vorzugsweise demineralisiert) 1 l
Als Arbeitslösung verwenden Sie 50 ml der Stammlösung auf 1 l Wasser (1+19).
Hinweis: Für Teiltonung evtl. stärker verdünnen!
Tonerbad (Stammlösung)
Natriumsulfid 200 g
Wasser (vorzugsweise demineralisiert) 1 l
Hinweis: Das Sulfid ist nicht gut löslich. Verwenden Sie zum Auflösen heißes Wasser.
Als Arbeitslösung verwenden Sie 50 ml der Stammlösung auf 1 l Wasser (1+19).
Beide Lösungen können bis zur Erschöpfung verwendet werden.
Abstimmbarer Schwefeltoner auf Thiocarbamidbasis
Rezept aus [3]
Bleichbad (Stammlösung)
Kaliumhexcyanoferrat(III) 100 g
Wasser (vorzugsweise demineralisiert) 1 l
Als Arbeitslösung verwenden Sie 50 ml der Stammlösung auf 1 l Wasser (1+19).
Alternativ kann auch die Stammlösung wie für den einfachen Schwefeltoner verwendet werden.
Das Tonerbad besteht aus einem Steuer- und einem Tonerpart, die kurz vor der Anwendung gemischt werden und zusammen nur begrenzt haltbar sind. Das Mischungsverhältnis bestimmt den Farbton.
Die Bleichlösung kann bis zur Erschöpfung verwendet werden.
Steuerpart (Stammlösung)
Natriumhydroxid 100 g
Wasser (vorzugsweise demineralisiert) 1 l
Natriumhydroxid ist stark ätzend. Verwenden Sie Handschuhe und eine Schutzbrille!
Tonerpart (Stammlösung)
Thiocarbamid 200 g
Wasser (vorzugsweise demineralisiert) 1 l
Die Zusammensetzung der Arbeitslösung hängt vom gewünschten Tonungsergebnis ab.
Verwenden Sie für |
Gelbbraun |
bis |
Tiefbraun |
Stammlösung Tonerpart |
60 ml |
bis |
10 ml |
Stammlösung Steuerpart |
10 ml |
bis |
60 ml |
Die Arbeitslösung des Toners ist nur ein paar Stunden verwendbar.
Goldtoner (Ansco 231)
Rezept aus [4]
Demineralisiertes Wasser, 52 °C 750 ml
Ammoniumthiocyanat* 105 g
Goldchloridlösung,. 1 % 60 ml
Demineralisiertes Wasser, kalt auf 1 l
*) alternativ 110 g Natriumthiocyanat oder 135 g Kaliumthiocyanat
Nach dem Fixieren und Waschen der Bilder 10 bis 20 Minuten bei gelegentlicher Bewegung tonen, dann Wässern und Trocknen.
Literaturhinweise
[1] William Crawford, The Keepers of Light, A History and Working Guide to Early Photographic Processes, Morgan & Morgan 1979, ISBN 87100-158-6 (alte Verfahren, Rezepturen für geeignete Toner)
[2] Larry Bartlett, Text von John Tarrant: Workshop Schwarzweiß Printing: Professionelle SW-Abzüge selbermachen, Augustus Verlag 1997, ISBN 3-8043-5105-0 (Rezepturen für verschiedene Toner)
[3] Tim Rudman, The Photographer's Master Printing Course, Focal Press 1994, ISBN 0-240-80324-8 (Anwendung und Rezepturen, speziell auch Teiltonung, viele Beispiele)
[4] Steve Anchell, The Variable Contrast Printing Manual, Focal Press 1997, ISBN 0-240-80259-4
[5] Tim Rudman, The Master Photographer's Toning Book, Argentum 2002, Reprint 2010, ISBN: 978-1-90253-823-5, A Definitive Guide to Creative Toning Techniques
oder: Warum Sie in der Dunkelkammer in Blendenschritten denken sollten
Thomas Wollstein
Feb. 2001
Zusammenfassung: |
Eine Warnung am Anfang: Dieser Artikel ist für die mathematisch vorgebildeten Profis wahrscheinlich langweilig. Für die habe ich ihn auch nicht geschrieben. Vielmehr geht es mir um diejenigen Fotografen, die schon bei dem Gedanken an Mathematik Pickel bekommen.
Niemand würde auf den Gedanken kommen, mit der Kamera eine Belichtungsreihe mit den Schritten 1/125, 1/250, 1/375, 1/500, 1/675 Sekunde usw. aufzunehmen, sondern man benutzt folgerichtig Schritte, bei denen zwischen einer Aufnahme und der nächsten nicht eine konstante Schrittweite, sondern ein konstanter Faktor liegt, z. B. ein Faktor 2, der gerade einem ganzen Blendenschritt entspricht. Das mag an den eingeschränkten Einstellmöglichkeiten der Kameras liegen, die uns die krummen Werte mit konstanter Schrittweite gar nicht anbieten (aber diese Einschränkung hat ihren Sinn).
Soweit zur Situation bei der Aufnahme. Wenn man jetzt in die Dunkelkammer geht, um ein aufgenommenes Foto zu vergrößern, wird man nicht mehr durch die Einstellungsmöglichkeiten der Kamera eingeschränkt. Als Konsequenz werden immer wieder Probestreifen mit z. B. 2 / 4 / 6 / 8 / 10 Sekunden usw. angefertigt, weil's ja so einfach ist. Dabei macht das wenig Sinn. Genau wie der Film "denkt" das Fotopapier logarithmisch. Im Klartext heißt das, dass die Schwärzung eines Fotopapiers bei einer Verdopplung der Belichtung um denselben Betrag zunimmt, gleich ob man von 10 auf 20 Sekunden oder von 40 auf 80 Sekunden verdoppelt. (Das gilt ganz streng nur in einem bestimmten - dem linearen - Bereich von Belichtungen, mehr dazu weiter unten.)
Die konsequente Umsetzung dieser Idee findet man in solchen Laborschaltuhren und -messgeräten, die einem Änderungen der eingestellten Belichtungszeiten in Blendenschritten anbieten. Ein solches Gerät kann einem die Kopfrechnerei abnehmen, aber laufen Sie jetzt nicht gleich in den Laden, um eins zu kaufen. Ein bisschen Kopfrechnen oder ein primitiver Taschenrechner tun's auch.
Was passiert denn bei einem Probestreifen, der mit konstanter Schrittweite (also z. B. immer 2 s) belichtet wurde? Ganz einfach: Der Schwärzungsunterschied von einer Probe zur nächsten nimmt immer weiter ab. Gehen wir davon aus, dass alle genannten Belichtungen im linearen Bereich liegen. Während z. B. bei der oben genannten Reihe der Schritt von 2 nach 4 s noch eine Blende beträgt und deutlich sichtbar sein sollte, beträgt der Schritt von 4 nach 6 s nur noch mehr als eine halbe Blende (nein, nicht genau eine halbe Blende, wegen des Logarithmus, s. u.). Entsprechend nimmt die Schwärzung um einen deutlich geringeren Betrag zu. Von 6 nach 8 s ist der Belichtungsunterschied schon nur noch knapp eine halbe Blende, und mit jedem weiteren Schritt auf der Leiter nimmt er - und mit ihm der entsprechende Dichtezuwachs - ab. Beträgt der Belichtungsunterschied von einer Probe zur nächsten weniger als ¼ Blende, wird er manchmal schon schwierig zu sehen sein.
Anders bei Belichtungsänderungen um einen konstanten Faktor: Wenn Sie einen Probestreifen mit 2, 4, 8, 16, 32 s anfertigen, beträgt der Schritt von einer Probe zur nächsten immer eine ganze Blende, entsprechend wird der Dichtezuwachs immer gleich sein (unter der o. g. Voraussetzung, Stichwort Linearität). Sie haben auf diese Weise mit 5 Probebelichtungen den Bereich von 2 bis 32 s abgedeckt, während sie bei der Methode mit konstanter Schrittweite nur von 2 bis 10 s gekommen sind.
Nun ist aber ein ganzer Blendenschritt von einer Probebelichtung zur nächsten i. d. R. doch ein bisschen zuviel, zumindest für eine genaue Bestimmung der optimalen Belichtungszeit. Für das grobe Eingrenzen, wenn man gar nichts weiß, sind ganze Blendenschritte aber gut geeignet. Was tun bei halben oder viertel Blendenschritten?
Nun, viel muss man sich nicht merken: 1 Blendenschritt entspricht einem Faktor von 2, ½ Blendenschritt 1,4 (genau Wurzel aus 2, aber die Nachkommastellen bringen uns nicht um), ¼ Blendenschritt 1,2. Also wäre eine geeignete Reihe von Probebelichtungen in halben Blendenschritten z. B. die folgende:
2 / 2,8 / 4 / 5,6 / 8 / 11 / 16 / 22 / 32 / 45 / 64 s
Jetzt schreien bestimmt einige auf:
Diese Zahlenreihe kommt einem doch verdammt bekannt vor, nicht wahr? Richtig: das sind die Werte der genormten internationalen Blendenreihe. (Die Werte sind etwas gerundet. Die genauen Werte weichen aber nur unbedeutend von den gerundeten ab, und die gerundeten sind leichter zu behalten.)
|
Vorsicht Mathe! |
Um das Merken und Kopfrechnen weiter zu erleichtern, möchte ich noch auf etwas hinweisen (das auch an dem konstanten Faktor liegt): Mit der krummen Zahl 1,4 müssen Sie nur am Anfang Ihren Startwert (hier: 2 s) multiplizieren. Alle folgenden Werte ergeben sich jeweils durch Verdopplung des vorletzten Wertes, also der dritte Wert aus dem ersten, der vierte aus dem zweiten, der fünfte aus dem dritten ...
Zurück zur Anwendung: Belichtungszugabe um einen bestimmten Faktor entspricht Multiplikation mit dem Faktor, knappere Belichtung Division durch den Faktor, konkret
Belichtungsänderung in Blendenschritten |
entspricht Faktor |
+ 1 |
x 2 |
+ ¾ |
x 1,7 |
+ ½ |
x1,4 |
+ ¼ |
x 1,2 |
± 0 |
x 1 |
- ¼ |
x 0,84 (oder ÷ 1,2 ) |
- ½ |
x 0,71 (oder ÷ 1,4 ) |
- ¾ |
x 0,6 (oder ÷ 1,7 ) |
-1 |
x 0,5 (oder ÷ 2 ) |
Die Werte sind gerundet, sodass sich bei Multiplikation und Division nicht genau dasselbe ergibt. Die Abweichungen sind jedoch praktisch nicht bedeutsam. |
Die Tabelle können Sie sich in der Duka an die Wand pinnen und einen Taschenrechner mitnehmen, wenn Sie keine Luxus-Schaltuhr haben. Wenn Sie dem Kopfrechnen nicht zu ablehnend gegenüber stehen, merken Sie sich nur die folgende abgespeckte Tabelle in Prozentschritten.
+ ½ |
+ 40 % |
+ ¼ |
+ 20 % |
- ¼ |
- 15 % |
- ½ |
- 30 % |
Dass die Werte nach unten und oben nicht symmetrisch sind (dass also eine halbe Blende weniger 30 % Abzug sind, eine halbe Blende mehr aber 40 % Zugabe), liegt - man ahnt es schon - am Logarithmus. Unter uns gesagt: Sie machen auch keinen gar zu großen Fehler, wenn Sie sich nur die 20 und 40 % merken. Immer noch besser als die konstante Schrittweite!
Warum der ganze Eiertanz?
Sie kommen doch mit den konstanten Schrittweiten irgendwann auch zur optimalen Belichtungszeit.
Die Antwort liegt zum einem in dem "irgendwann" im vorangehenden Satz. Wie oben dargestellt, decken Sie mit Belichtungsreihen in Blendenschritten (ganzen oder Bruchteilen) mit derselben Anzahl von Probebelichtungen einen größeren Bereich ab. Sie brauchen also weniger Versuche, um die "richtige" Zeit zu finden, mithin weniger Material und weniger Zeit.
Aber auch das ist nicht der eigentliche Grund, warum mir die Blendenschritte so am Herzen liegen: Wie schon gesagt, orientieren sich die Blendenschritte am Verhalten des Fotomaterials und nicht an unserer Bequemlichkeit. Wenn Sie sich dazu durchringen, in der Dunkelkammer in Blendenschritten zu denken, werden Sie bald eine erwünschte Nebenwirkung (ganz ohne Risiko) bemerken.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben einen Probestreifen gemacht und kamen zu dem Schluss, die "richtige" Belichtungszeit sei 15 s. Jetzt fertigen Sie eine Vergrößerung mit dieser Zeit an, und nach dem Trocknen stellen Sie fest, dass sie Ihnen doch etwas zu dunkel ausgefallen ist. (Vielleicht haben Sie den Probestreifen nass beurteilt und den Dry-Down-Effekt vergessen.) Sie entschließen sich, um eine Viertel Blende knapper zu belichten, also z. B.
15 s ÷ 1,2 = 12,5 s
Wenn Sie solche Änderungen nach oben und unten ein paarmal gemacht haben, bekommen Sie ein prima Gefühl dafür, welche Änderungen der Belichtung welche Auswirkungen auf Ihr Bild haben. Es ist viel schwieriger, dieses Gefühl zu bekommen, wenn Sie Belichtungsänderungen immer als absolute Werte und nicht im Verhältnis zum Ausgangswert betrachten. Das ist die eigentliche Motivation für die ganze lange Erklärung.
Wenn Sie aus der Schule nur ungute Erinnerungen an den Logarithmus haben und das auch nicht ändern wollen, hören Sie hier besser auf zu lesen. Wenn Sie aber vielleicht im Hinblick auf Ihr Hobby doch etwas daran ändern wollen und ein ganz kleines bisschen über das Verhalten von Fotopapieren lernen wollen, lesen Sie weiter.
Was ist der "lineare Bereich"?
Dazu zeige ich Ihnen eine Schwärzungskurve, die ich mit "Hausmitteln" selbst gemessen habe. Sie entstand, indem ich einen Durchsichtsgraukeil im Kontakt auf ein Blatt Fotopapier kopiert habe und die Schwärzung mithilfe eines Scanners ausgewertet habe. Die Kurve ist damit qualitativ sicher nicht mit solchen zu vergleichen, die mit einem hochwertigen Reflexionsdensitometer bestimmt wurden, aber für meine Zwecke reicht es allemal.
Sie sehen Folgendes:
- Eine Belichtung des Fotopapiers unterhalb einer Schwelle (A), hier etwa beim Wert 4 auf der Belichtungsachse, bewirkt keine sichtbare Schwärzung.
- Eine Belichtung über einen bestimmten Wert hinaus, hier etwa 12 (B) bewirkt keine Zunahme der Schwärzung mehr. (Klar: Wenn alles Bildsilber belichtet ist, ist das Papier nach dem Entwickeln so schwarz wie es eben werden kann. Mehr geht auch mit mehr Licht nicht.)
- Zwischen diesen beiden Extremem erstreckt sich von C bis D der so genannte "lineare Bereich". Zwischen etwa 5 und etwa 12 Belichtungseinheiten gelten die oben beschriebenen Zusammenhänge, d. h. wenn ich von 6 nach 7 auf der Belichtungsachse gehe, nimmt die Schwärzung um näherungsweise 40 Einheiten zu, wenn ich von 10 nach 11 gehe auch, und auch bei jedem entsprechenden Schritt dazwischen.
Jetzt höre ich Sie rufen: Eben hat er uns etwas von Faktoren erzählt, und jetzt redet er doch wieder von Schrittweiten! Beachten Sie aber, dass die Belichtungseinheiten logarithmisch sind. "5" ist nicht die Belichtungszeit, sondern ihr Logarithmus! Wenn ich zwei logarithmische Werte addiere, kommt wieder ein logarithmischer Wert heraus, und zwar derselbe, den ich erhalten würde, wenn ich die beiden nicht logarithmischen Werte mit einander multiplizieren würde und erst dann den Logarithmus bilden würde. Zu abstrakt? Also gut, ein Zahlenbeispiel:
|
Vorsicht Rechnerei! |
Mit dieser Erklärung habe ich dann auch gleich den zweiten offenen Punkt abgehakt, nämlich die Frage, wie der Logarithmus in die Überschrift kam.
Bleibt der Vollständigkeit halber noch eine Einschränkung der Linearität nachzureichen: Sie ergibt sich durch den so genannten Reziprozitätsfehler, für den alle Fotomaterialien anfällig sind: Nur im Bereich "vernünftiger" Zeiten gilt, dass eine Belichtung von z. B. 10 s bei Blende 5,6 dieselbe Schwärzung ergibt wie 20 s bei Blende 8. Was "vernünftig" im Einzelfall bedeutet, hängt von der Anwendung ab: Bei Film wären schon 10 s nicht "vernünftig", und Sie müssten vermutlich erheblich länger als 20 s belichten, um bei Schließen der Blende um eine Stufe dieselbe Schwärzung zu erzielen. Aber bei Papier setzt der Reziprozitätsfehler, oft auch Schwarzschildeffekt genannt, erst bei ganz anderen Zeiten ein, nämlich i. d. R. bei so langen, dass er bei üblichen Vergrößerungsmaßstäben und Lichtquellen keine große Rolle spielt.
Oder: Sind Fotos auf PE-Papier so stabil wie solche auf Barytpapier?
Thomas Wollstein
Jan. 2001
Zusammenfassung:
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Unbehandelte Silberbilder - gleich ob auf PE- oder auf Barytpapier - sind heute starken Gefährdungen ausgesetzt. Glaubt man den meisten Herstellern von Fotopapieren, gibt es bei PE-Fotopapier keine Probleme mit der Langzeitstabilität. Es gab "früher einmal" Probleme, aber die hatte man bald im Griff. Das glaubten auch Ctein und seine Kollegin Laury Toby Edison, als sie für eine Reihe von Kunden eine Gemeinschaftsarbeit auf PE-Papier produzierten und rahmten. Dieser Glauben hielt sich nicht lange: Trotz handwerklich sauberer Verarbeitung für optimale Haltbarkeit (gründliche Wässerung, Passepartouts aus archivtauglichen Materialien, Rahmung hinter UV-absorbierendem Acrylglas) zeigten die ersten Bilder bereits nach wenigen Monaten (!) Anzeichen von Fleckenbildung, Braunfärbung und Verspiegelung [3]. Woran lag's?
Die Gründe für Bildzerfall
Vieles von dem, was man heute - durchaus auch von Laborkollegen, die ansonsten auf dem neuesten Stand der Technik sind - hört, hat seinen Ursprung im Jahre 1855, als sich innerhalb der Photographic Society of London ein von Prinz Albert durch eine Spende finanzierter Ausschuss aus Chemikern und Fotografen konstituierte, um den Zerfall von Fotos zu untersuchen [1]. Dieser Ausschuss - der als das "Fading Committee" bekannt wurde - kam nach einjährigem Studium von Beispielen und der Durchführung der wahrscheinlich ersten Schnellalterungstests zu dem Ergebnis, dass "die wahrscheinlich häufigste Ursache für Bildzerfall in unvollständig ausgewaschenem Fixiersalz (Natriumthiosulfat) zu suchen" sei. Im Bericht des Fading Committee wurden auch noch andere potenzielle Ursachen angesprochen, doch diese gerieten bei den Autoren, die sich später auf die frühen Erkenntnisse beriefen, scheinbar in Vergessenheit. Tatsächlich ist man heute der Ansicht, dass die Hauptursache für Bildzerfall nicht ein zu hoher Restthiosulfatgehalt ist, sondern meist Oxidation des Silberbildes durch Feuchtigkeit, Luftverschmutzung und ungeeignete Rahmung.
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Vorsicht Geschichte! |
Das Bild der meisten SW-Fotomaterialien besteht aus metallischem Silber. Silber wird als "Edelmetall" betrachtet, also als ein Material, dass chemischen Einflüssen gegenüber recht resistent ist, jedoch ist es tatsächlich eher ein unedles Metall. Das Bildsilber reagiert mit Luft und Feuchte so wie die meisten Metalle, es korrodiert. Das Unangenehme am korrodierten Silber ist, dass es - anders als das metallische Silber, aus dem das Bild besteht - im Bild wandern kann, da es aus löslichen Silbersalzen besteht. Das meiste davon verwandelt sich über kurz oder lang wieder in Silber zurück, nur leider nicht an seinem ursprünglichen Platz und in anderer chemischer Form.
Bei Barytpapieren kann das lösliche Silber in den Träger abwandern, was zu einem Verblassen des eigentlichen Bildes (klar, denn da fehlt ja jetzt etwas) und zur Bildung eines (spiegelverkehrten) Geisterbildes auf der Rückseite führt. Bei PE-Papieren ist dieser Weg durch die PE-Versiegelung verbaut, und die löslichen Silbersalze wandern an die Bildoberfläche und zerfallen dort wieder zu fein verteiltem metallischem Silber, das gelbe Flecken gibt, oder zu Schwefel-Silber-Verbindungen, die von bräunlicher Farbe sind. Beides führt zur Verunstaltung des Bildes.
Was unterscheidet PE-Papier sonst noch von Barytpapier? Barytpapiere erhalten ihre weiße Farbe durch Bariumsulfat, eine extrem schwerlösliche und stabile Verbindung.
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Vorsicht Chemie! |
Anders PE-Papier: Hier wird in der obersten Trägerschicht Titandioxid eingebettet, eine Verbindung, die zwar wunderbar strahlend weiß ist, die aber unter Lichteinwirkung aggressive Sauerstoffverbindungen freisetzen kann.
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Vorsicht Chemie! |
Diese Verbindungen können zu einer Versprödung des Trägermaterials führen und auch das Silberbild direkt angreifen. Die Fotopapierhersteller haben sich dieses Problems angenommen, indem sie das Titandioxid teilweise ersetzt haben oder ihm Antioxidanzien beigefügt haben, Substanzen, die den freigesetzten Sauerstoff sofort wieder aus dem Verkehr ziehen. Auch UV-Absorber werden verwendet, jedoch machen diese die Wirkung von optischen Aufhellern zunichte. Optische Aufheller selbst können auch eine gewisse Schutzwirkung vor UV-Strahlung haben [7]. Angeblich ist dieses Problem heute keines mehr. (Das glaubte man allerdings auch schon, als Ctein mit seinen Fotos Schiffbruch erlitt.) Sicher kann man sagen, dass sich die Fotopapierhersteller des Problems seit 1995 noch einmal verstärkt angenommen haben.
Wir merken uns:
- Silber korrodiert auch ohne besonders aggressive Gase so leicht, dass schon erhöhte Luftfeuchte reichen kann, es anzugreifen.
- Aggressiver "Dreck" aller Art findet sich mittlerweile fast überall in der Luft, besonders aber in Großstädten.
- Die Freisetzung von Peroxiden aus dem Träger von PE-Material wird heute nicht mehr als Problem betrachtet.
Wo liegt also das Problem?
Ich habe im Zuge meiner Recherchen zu diesem Artikel eine Reihe von Fotopapierherstellern angeschrieben und angefragt, ob sie über gesicherte Erkenntnisse über die Haltbarkeit ihrer Produkte verfügen. Die Ergebnisse dieser Miniumfrage waren ziemlich ernüchternd. Nur wenige der Hersteller fanden es nötig, auf meine Anfrage überhaupt zu antworten. Davon waren sich zwei (Ilford und Fotospeed) darin einig, dass bei "einwandfreier Verarbeitung und optimaler Lagerung" die Stabilitätsunterschiede zwischen PE- und Barytpapier bei sonst gleichen Bedingungen nicht sehr groß seien (lt. einem Fotospeed-Mitarbeiter gut 60 Jahre bzw. gut 80 Jahre).
Bei der einwandfreien Verarbeitung können wir uns ja noch Mühe geben, aber was ist mit optimaler Lagerung? Lt. Ilford-Datenblättern (zu Barytpapier) heißt das, dass "die Vergrößerungen in völliger Dunkelheit bei einer Temperatur von 15 bis 25°C mit maximalen Schwankungen um höchstens 4°C und bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30 bis 50% lagern müssen. Ferner ist darauf zu achten, dass alle mit den Vergrößerungen in Berührung kommenden Materialien (Aufziehunterlagen und -kleber, Aufbewahrungsbehälter usw.) keine schädigende Wirkung haben und die Luft am Aufbewahrungsort frei von chemischen Dämpfen, Autoabgasen oder ähnlichen Schadstoffen ist."
Abgesehen davon, dass heute fast niemand mehr das Privileg hat, absolut saubere Luft um sich zu haben, können wir zwischen den Zeilen daraus lesen, dass ausgestellte (im Gegensatz zu archivierten) Fotos sowieso nicht ewig leben. Hinzu kommt, dass die das Foto schädigenden Stoffe bei ausgestellten Fotos im Laufe der Zeit durch die Einwirkung von Licht (z. B. aus dem Titandioxid) entstehen können und bei hinter Glas gerahmten Bildern nicht entweichen. Ctein berichtet in [3] über Versuche, bei denen er Bilder ohne jegliche andere Quellen von Verunreinigungen in einem sorgfältig entgasten Acrylglasrahmen dem Licht aussetzte. Die Bilder wiesen nach einiger Zeit Schäden auf, was zeigt, dass es neben den allseits anerkannten Problemen durch Umweltverschmutzung auch Ursachen für den Bildzerfall gibt, die im Bild selbst liegen.
Nach dieser pessimistischen Einführung gehen wir nun daran, die Sache positiv zu betrachten.
Was kann man tun, um die Stabilität von Fotos zu verbessern?
Punkt 1: Papierwahl
Lt. den Fotopapierherstellern sind also PE-Papiere fast so haltbar wie Barytpapiere. Tatsache ist, dass es Barytpapiere schon lange gibt, und viele Bilder auf solchen Papieren haben schon eine lange Zeit in gutem Zustand überstanden. Es wird sicher auch eine ganze Menge von Bildern geben, die inzwischen zerstört sind, doch es ist der Nachweis erbracht, dass Barytpapier 100 Jahre halten kann. Bei PE-Papier sieht das anders aus. Das gab es vor 100 Jahren schlicht nicht, und alle Angaben zu seiner Haltbarkeit basieren auf Schnellalterungstests (unter hellem Licht, hoher Temperatur, hoher Luftfeuchte, Begasung mit oxidierenden Verbindungen, z. B. Wasserstoffperoxid, H2O2 usw.), also auf einer künstlichen Nachbildung der Alterungsvorgänge.
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Vorsicht Chemie! |
Auch die heutigen Barytpapiere - das muss man eingestehen - gab es vor 100 Jahren noch nicht. Dennoch sind die damaligen Papiere mit den heutigen Barytpapieren eher verwandt als mit PE-Papieren. Daher scheint es unter Fotografen einen - zum Teil vielleicht auf Vorurteilen basierenden - Konsens zu geben, dass man für Bilder, die lange halten sollen, vorzugsweise Barytpapier verwenden sollte.
Punkt 2: Fixage und Wässerung
Hierzu habe ich mich im vorhergehenden Beitrag detailliert ausgelassen. Zu ergänzen wäre dem gegenüber nur noch, dass es nicht ratsam ist, Barytpapiere einem direkten, auf die Oberfläche gerichteten Wasserstrahl auszusetzen. Der Hintergrund hierzu ist, dass Barytpapier sich dann wie ein sehr wirksames Filter verhält und dazu neigt, Schwebstoffe aus dem Wasser anzureichern [5]. Dies kann zu Problemen beim Tonen führen (z. B. ist Kodaks Sepia Toner bekanntermaßen etwas empfindlich und kann zusammen mit den im Papier gefangenen Schwebstoffen Flecken erzeugen), aber das Phänomen kann auch zu Problemen mit der Beständigkeit führen.
Wer jetzt auf den Gedanken kommt, destilliertes Wasser zum Wässern verwenden zu wollen, weil ja auch das Wasser immer mehr Belastungen aufweist, der sei gewarnt: Der Auswässerungseffekt beruht auch auf einem Ionenaustausch zwischen Wasser und Bild. Destilliertes Wasser ist für die Wässerung nicht sehr effizient, weil es nichts zum Austausch anzubieten hat.
Punkt 3: Nachbehandlung
Wer den Bestand seiner Bilder sichern möchte, kommt um eine stabilisierende Nachbehandlung nicht herum. Darin sind sich die Experten einig. Es gibt verschiedene Möglichkeiten:
Stabilisierung ohne Tonveränderung
Hier sind die Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Meines Wissens bietet in Europa nur Agfa mit Sistan ein Produkt an, das Silberbilder ohne jegliche Tonänderung stabilisiert. (Es gibt ein ähnliches Produkt von Fuji, AG Guard, das aber wohl nur in Japan auf dem Markt ist.)
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Vorsicht Chemie! |
X |
Tragen Sie bei jeglichem Umgang mit Chemikalien Handschuhe u. ggfs. eine Schutzbrille. Etikettieren Sie Gefäße eindeutig. Das sind eigentlich Gemeinplätze, doch es lohnt sich, sie ab und zu einmal zu wiederholen. Praktisch alle Dunkelkammerchemie ist zumindest als "gesundheitsschädlich" oder "reizend" eingestuft. Insofern möchte ich Sie nicht vom Gebrauch von Sistan abschrecken. Es ist vermutlich nicht wesentlich gefährlicher als eine ganze Reihe von Chemikalien, um die Sie ohnedies nicht herumkommen. |
Besonders gefährlich ist an Kaliumrhodanid, dass es bei Kontakt mit Säure extrem giftige Dämpfe entwickelt.
Fast ohne Tonumschlag wirkt auch Selentoner in höherer Verdünnung und bei nicht zu langer Einwirkzeit. Die Meinungen darüber, ob eine Teiltonung mit Selentoner das Silberbild schützt, sind geteilt. In jedem Fall hat Selentoner die Eigenschaft, dass er zunächst die dunklen Bildpartien tont und erst bei längerer Einwirkdauer die hellen Partien.
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Vorsicht Chemie! |
Stabilisierung durch Tonung
Unbestritten die stabilste fotografisch verwertbare Silberverbindung ist Silbersulfid. Schwefeltoner - gleich, ob Sie die nach faulen Eiern stinkende oder die geruchlose Variante nutzen - macht ihr Bild so stabil wie es nur sein kann (d. h. so stabil wie den Träger, auf dem es haftet). Selbst recht aggressive Oxidanzien können dem Bildsilber dann nichts mehr anhaben. (Versuchen Sie einmal, ein mit Schwefeltoner getontes Bild mit Farmerschem Abschächer zu bleichen. Es wird Ihnen nicht gelingen.) Allerdings ist damit ein Tonumschlag in verschiedene Gelb- und Brauntöne verbunden.
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Vorsicht Chemie/Gefahr! |
Goldtoner ruft je nach Papier unterschiedlich intensive bläuliche Töne hervor, teilweise auch nur eine nicht sehr ausgeprägte "Abkühlung" des Bildes. Die Schutzwirkung von Goldtoner scheint auch davon abzuhängen, wie vollständig man damit tont und wie seine genaue Zusammensetzung ist [1]. Ich denke, dass Goldtoner wegen seines hohen Preises zur Bildstabilisierung nur eine relativ untergeordnete Rolle spielt.
Punkt 4: Präsentation (Aufziehen, Rahmung, Beleuchtung)
Die beste Verarbeitung nützt wenig, wenn das Bild hinterher durch den Kontakt mit ungeeigneten Rahmungs und Aufziehmaterialien gefährdet wird.
- Achten Sie bei Passepartoutkarton auf säurefreie Qualität.
- Benutzen Sie möglichst keinen Leim, zumindest aber keinen, der ausgast (d. h. stinkt). Oft dringt er in den Träger ein und führt - manchmal erst nach Jahren - zu Verfärbungen auf der Bildseite. Wenn Sie das Bild zur Stabilisierung und für bessere Planlage aufziehen möchten, nutzen Sie Aufziehfolie. Wenn das Bildformat nicht gar zu groß ist und Sie sichergehen wollen, klemmen Sie das Bild einfach zwischen Passepartout und einem stabilen säurefreien Karton im Rahmen ein. Es liegt dann meist wie ein Negativ in einer glaslosen Bildbühne hinreichend glatt.
- Achten Sie darauf, dass der Rahmen keine Lösungsmittel freisetzt. Diese können z. B. von Farbe oder Leim auf den Rahmenleisten stammen. Auch Spanplatten sind eine beliebte Quelle. Im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit des Fotos sind Metallrahmen günstiger als Holzrahmen, da letztere - insbesondere bei Weichhölzern - Harze und Terpendämpfe freisetzen können.
- Benutzen Sie statt Glas Acryl"glas". Es absorbiert einen Teil der für das Bild schädlichen kurzwelligen Strahlung. (Eine Art Sonnenmilch für Ihr Foto.)
Punkt 5: Aufbewahrung
Die wesentlichsten Punkte einer guten Lagerung wurden bereits in dem Zitat aus dem Ilford-Datenblatt weiter oben angesprochen, nämlich möglichst konstante, nicht zu hohe Temperatur und Luftfeuchte sowie Dunkelheit. Hinsichtlich der Materialien, mit denen das Foto in Kontakt kommt, gilt im Prinzip dasselbe wie bei den Aufziehmaterialien. Zum Einkleben von Fotos in Alben halte ich persönlich Fotoecken für die günstigste Variante, da kein Klebstoff direkt mit dem Foto in Kontakt kommt.
Schlusswort
Bei Farbfotos ist mir selten eine solch intensive Diskussion des Themas "Beständigkeit" zu Ohren gekommen wie bei Schwarzweißfotos. Das liegt vielleicht daran, dass Farbfotos aus organischen Farbstoffen bestehen und (hoffentlich) ohnedies niemand der Illusion aufsitzt, sie könnten ewig halten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass traditionell noch bevorzugt die Schwarzweißfotografie das Medium der Dokumentation ist.
Ich kann's mir nicht verkneifen, auch auf einen Seitenhieb einzugehen, den man oft in Diskussionen zu diesem Thema zu hören (oder lesen) bekommt: Bei manchem, was mit viel Mühe für die Ewigkeit stabil gemacht wird, wäre man dankbar, wenn es schnell verschwände. Ich finde, darüber steht uns kein Urteil zu. Wer weiß, ob Sie meine Fotos schön finden oder ich Ihre. Ich möchte Ihnen Tipps geben, wie Sie Bilder, die Ihnen wichtig sind, möglichst haltbar machen können.
Das Letzte: die menschliche Neigung, Probleme zu ignorieren
Es gibt viele Hinweise, dass die Luft in unserer Umwelt heute bereits so verschmutzt ist, dass Bilder nur dann einigermaßen sicher sind, wenn besondere Nachbehandlungen durchgeführt werden (Sistan oder Tonung).
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Vorsicht, schlechtes Gewissen! |
Vieles deutet darauf hin, dass das in PE-Papieren als Pigment verwendete Titandioxid eine Risikoquelle ist. Eine unter vielen Herstellern verbreitete Ansicht scheint zu sein, dass das Problem durch Negieren am besten zu "lösen" ist. Für viele Hersteller mag es auch noch einen guten Grund geben, sich dumm zu stellen: Wenn ein Hersteller allein das Problem öffentlich anerkennt und die anderen es bestreiten, steht der Ehrliche im Regen, weil es so aussieht, als hätten nur seine Produkte das Problem.
Es gibt noch einen weiteren Effekt auf der Nutzerseite, den ich Ihnen als "Döneken" (oder Ankedote) nicht vorenthalten will: Ctein, mit dem ich anlässlich der Recherchen zu diesem Artikel in Kontakt stand, berichtete folgende Begebenheit: Eine große Firma hat einmal eine ganze Charge Entwickler produziert und verteilt, der aufgrund eines Produktionsfehlers gar nicht in der Lage sein konnte, Film zu entwickeln. Man bemerkte den Fehler erst, als das Zeug bereits aus den Regalen des Einzelhandels abverkauft war. Was tat also die Firma? Sie richtete eine Krisen-Hotline ein und wartete ab. Was passierte? Nichts! Nicht ein Anruf von einem erbosten Fotografen. Offenbar haben ausnahmslos alle betroffenen Fotografen den Fehler nicht beim Hersteller gesucht, sondern bei sich selbst. Wir sind also viel zu zahm im Umgang mit den Herstellern unserer Materialien. Oder haben wir ein schlechtes Gewissen, weil wir nicht immer so konsistent arbeiten wie wir eigentlich sollten?
Dank
Mein Dank gilt insbesondere den Herren Wolfgang Holz, Jens Krause und Joachim Badura von der Firma Agfa, die sich die Zeit genommen haben, mich zu Agfa einzuladen und das Problem mit mir im Detail zu diskutieren. Auskunftsfreudig zeigten sich auch John Herlinger von Fotospeed und Matthias Schneege von Ilford. Hilfsbereit zeigte sich auch Ctein.
Literaturhinweise
[1] Reilly, Nishimura, Cupricks, Adelstein; Stability of Black-and-White Photographic Images, with Special Reference to Microfilm, Abbey Newsletter, Vol. 12, #5, Juli 1988
http://palimpsest.stanford.edu/byorg/abbey/an/an12/an12-5/an12-507.html